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Plakat zur Ausstellung "Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung 1894-1933" (2018)

München, Künstlerhaus am Lenbachplatz

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Künstlerhaus mit Synagoge im Hintergrund, Postkarte (c) Ingvild Richardsen

Nachdem das Künstlerhaus am Lenbachplatz um 1900 fertiggestellt war, hat der Verein für Fraueninteressen fortan auch diesen illustren Ort für seine vielfältigen Veranstaltungen genutzt, für Feiern, Versammlungen und Vorträge. Im Künstlerhaus lässt der Verein für Fraueninteressen dann auch die Trauerfeier am 31. Januar 1912 für Ika Freudenberg stattfinden.

1911 veröffentlicht Ika Freudenberg ihr letztes großes Werk: Die Frau und die Kultur des öffentlichen Lebens. Das Buch soll die wachsende Zahl von Frauen ansprechen, die durch ihre Lebensverhältnisse, ihren Beruf und ihre soziale Arbeit im 20. Jahrhundert in neue Bahnen gedrängt werden. Freudenberg lenkt hier den Blick aus dem engen familiären Kreis auf die gesamte Frauenwelt, auf ihre Rechte, Stellung und Aufgaben. Rückblickend schildert sie die Entstehung der Frauenbewegung und die verschiedenen Lager, die es mittlerweile in der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung gibt. Sie referiert über die Leistungen der Frau in den verschiedenen Berufszweigen, in Landwirtschaft, Industrie, Handwerk, Geschäftsleben, Kunst, Wissenschaft und Hausarbeit, leitet aus den Verdiensten der Frau ihr Recht auf Mitbetätigung am öffentlichen Leben ab und verlangt gleiche Ausbildungsmöglichkeiten. Sie diskutiert aber auch die Schwierigkeiten, die die Vereinigung von Erwerbstätigkeit und Hausfrauenberuf mit sich bringt. Sie liefert keine allgemeingültige Lösung des Problems, sondern ist der Meinung, dass eine Lösung nur durch die Praxis gefunden werden kann, durch die vielen Frauen und auch Männer, die bereit sein müssen, alte Ideale zugunsten neuer aufzugeben; jede Frau müsse für sich selbst erproben, in welcher Tätigkeit der größere Wert für sie liege.

Bereits ein Jahr später, am 9. Januar 1912 stirbt die langjährige Vorsitzende des Vereins für Fraueninteressen, Ika Freudenberg, nach längerer Krankheit. Die Trauerfeier findet zwei Tage später auf dem Alten Nördlichen Friedhof in München statt. Die Ansprache, die Gertrud Bäumer, die Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine hält, zeugt von Ika Freudenbergs bedeutender Rolle in der bürgerlichen Frauenbewegung und ihrer charismatischen Persönlichkeit. Die Gedenkfeier findet dann am 31. Januar 1912 im Münchner Künstlerhaus statt. Ihr zu Ehren werden Verse der eng mit Ika Freudenberg verbundenen Malerin und Dichterin Marie Haushofer vorgetragen, die zu diesem Zeitpunkt die Jugendgruppe des Vereins leitet:

Der Führerin

In tiefer Wehmut schreitet Ihr heut Alle
Empor auf dieses Hauses Marmorstufen;
Es schweift der Blick vergebens durch die Halle
Nach  i h r , die uns hier festlich sonst berufen!
Sie, deren Worte diesen Saal durchklangen,
Sie, die erwärmte, hinriß alle Seelen.
An deren Lippen lauschend wir gehangen,
Sie fehlt uns heut – und wird uns ewig fehlen!

Ihr Geist schien Licht und Wärme auszustrahlen,
Beflügelt schien durch  s i e  der Umwelt Denken,
S i e  gab ihr Herz; denn edle Menschen zahlen
Mit der Persönlichkeit, die sie uns schenken! –
Das Wort der Ruferin sei nicht verklungen,
Von unsern Lippen soll es widerhallen
Belebend durch die Welt mit tausend Zungen,
Ihr Werk und Wesen blieb uns Allen – allen!

Und könnten wir den edlen Geist beschwören
Durch unsrer Herzen tiefes, düstres Klagen –
Wir würden Worte voll des Mutes hören,
Denn nicht in  i h r e m  Sinn war´s zu verzagen!
Uns bleibt nur eins: die Fahne aufzuheben,
Wo sie entsank den teuern, blassen Händen,
Und ihr als unserm Vorbild nachzustreben,
Auf das auch wir getreu sei´n, bis wir enden!

O glaubt, wer so geliebt ward, kann nicht sterben!
Ihr Geist, der in uns wirkt, ist uns geblieben!
Die Jugend mag ihr Zukunftshoffen erben:
So lebt ihr Bild für Alle, die sie lieben!
Laßt jene Flammen, die Ihr Herz durchglühen,
Ein reines Feuer, uns im Innern weben,
Ihr geistiges Erbe, einen Schatz, uns hüten, –
Dann wird Sie immer, – ewig mit uns leben!

Doch auch für eine weitere große Veranstaltung wählt der Verein für Fraueninteressen das repräsentative Künstlerhaus am Lenbachplatz als Veranstaltungsort:

Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht und König Ludwig III. am 1. August vor der Feldherrenhalle am Odeonsplatz die Mobilmachung bekanntgibt, wird auch seitens der bürgerlichen Frauenbewegung die Rettung des „Vaterlandes“ als heiliges Ziel propagiert.

Der Ausbruch des Krieges führt dazu, dass im Verein für Fraueninteressen laufende Vereinsarbeiten unterbrochen und die bestehenden Kommissionen aufgelöst werden. Der Verein, dessen Mitgliederzahlen während des Ersten Weltkriegs sprunghaft steigen, übernimmt jetzt zahlreiche neue Aufgaben, um Kriegshilfe zu leisten. Vor allem wirkt er nun in der städtischen Kriegsfürsorge mit.

Nach über einem Jahr Kriegserleben am 1. und 2. Oktober 1915 findet im Festsaal des Münchner Künstlerhauses am Lenbachplatz die „Kriegstagung süddeutscher Frauen“ statt, die der Münchner Verein für Fraueninteressen organisiert und durchführt. Vertreterinnen der Frauenverbände aus Baden-Württemberg, Hessen und Bayern finden sich hier zum Erfahrungsaustausch. In Vorträgen werden sozialpolitische Probleme erörtert, die durch den Krieg entstanden sind, z.B. die Notwendigkeit der Hinterbliebenenfürsorge und einer Berufsberatung für die zunehmende Zahl erwerbstätiger Frauen. Die Frauen nutzen die Tagung auch, um nach über einem Jahr Krieg ihre Leistungen für die Heimat zu präsentieren und die Trefflichkeit und Unentbehrlichkeit der Frauenarbeit zu demonstrieren.

Nicht unerwähnt sei, dass es innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung zur gleichen Zeit auch eine andere Haltung zum Krieg gibt. So tagt in Den Haag vom 28. April bis zum 1. Mai 1915 der „Internationale Frauenkongress“, an dem über 1.100 Delegierte aus zwölf Ländern teilnehmen, auch aus Ländern, die Krieg gegeneinander führen. Aus Deutschland sind hier Frauen des „radikalen Flügels“ der Frauenbewegung vertreten, unter ihnen Anita Augspurg. Dieser Kongress protestiert gegen den Krieg als einen „Wahnsinn“, der „nur durch eine ‚Massenpsychose‘ möglich gewesen“ sei. Er fordert die Regierungen zu Friedensverhandlungen auf, stellt Friedensgrundsätze auf und verlangt eine politische Gleichberechtigung der Frauen.

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Addams, Jane; Balch, Emily G.; Hamilton, Alice (2003): Women at The Hague: the International Congress of Women and its result. Illinois.

Vereins-Anzeiger des Stadtbundes Münchener Frauen-Vereine (1915). 2. Jg., Nr. 2, 27. Januar. Stadtarchiv München/Vereine 2168.

Verein für Fraueninteressen e.V. (Hg.) (1994): Renate Lindemann: 100 Jahre Verein für Fraueninteressen. München, S. 49f.

Ders. (Hg.) (1913): 19. Jahresbericht. München, S. 2.

Ders. (Hg.) (1914/1915): 20. Jahresbericht. München.

Ders. (Hg.) (1916): 21. und 22. Jahresbericht und Bericht über die Kriegstagung süddeutscher Frauen als Anhang. München, S. 1-73 [Der Bericht findet sich auf S. 44-54].

Ders. (Hg.) (1917): 23. Jahresbericht. München.

Ders. (Hg.) (1918): 24. Jahresbericht. München.