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Helene Böhlau um 1906 (c) Münchner Stadtmuseum

München, Seestraße 3c (Helene Böhlau)

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Seestraße 3-6 (1905), DE-1992-FS-NL-PETT 1-3210 (c) Stadtarchiv München

1900 zieht Helene Böhlau aus der Kaulbachstraße 62 in das heute denkmalgeschützte Haus in der Seestraße 3c. Hier wohnt sie bis zu ihrem Tod und schreibt nach Halbtier nun „frohe Bücher“: Das Sommerbuch (Neue Altweimarische Geschichten, 1902), Die Kristallkugel (1903), Das Haus zur Flamm (Rom 1907) und ihre Lebensrückschau, den autobiographischen Roman Isebies (Rom 1911). 1911 stirbt ihr Mann. Sie sieht es als ihre Aufgabe an, das Werk Omar al Raschids bekannt zu machen. 1912 gibt sie das Hohe Ziel der Erkenntnis. Aranda Upanishad ein Jahr nach seinem Tod im Piper Verlag heraus.

1913 stellt Böhlau fest, dass man sie zwar nach ihrem Roman Halbtier „Frauenrechtlerin“ nennt, aber letztlich mit der alleinigen Reduktion darauf missverstanden hat:

Der Roman war der Ausdruck des Erstaunens, des Erschrecktseins – Ich hatte mit einem tiefen, bestürzten Blicke gesehen, daß die Frau, die geistig leben und arbeiten will, ganz ohne Traditionen ist, mißachtet und belächelt. – Ich hatte mir das nicht so vorgestellt. Ich erkannte, daß den Frauen keine geistige Vergangenheit zugehört, daß sie so wenig Spuren auf Erden hinterlassen hatten, wie die Wellen und Tiere – Ein Weh sondergleichen! Und ich suchte Worte – Bilder – Möglichkeiten mich verständlich zu machen. Es war ein leidenschaftliches Ringen, hier Ausdruck zu verschaffen. Heute würde ich dieser Erkenntnis, daß die Frau am geistigen Eigentum der Menschheit nicht mitgeschaffen hat, diesen leidenschaftlichen Ausdruck, den ich damals fand, nicht mehr geben. Tiefere Einsicht hat mich gelehrt, daß stille Taten der Seele, von denen die Welt nichts weiß, lebendiger und größer sein können als alles Wissen dieser Welt. Ja, daß die Tat an sich das Höchste auf Erden nicht ist.

Als 1915 Böhlaus erste Werkausgabe in sechs Bänden erscheint, schreibt sie selbst ein distanzierendes Vorwort zu Halbtier. In der Werkausgabe von 1927/29 fehlt der Roman dann ganz. Möglicherweise war ihr die eigene Radikalität um 1900 zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nachvollziehbar, zumal sie sich bei dessen Rezeption um 1900 bereits missverstanden gefühlt hatte.

1913 wird auch Helene Böhlau Mitglied im Münchner Schriftstellerinnenverein, der 1913 von den Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen Emma Haushofer-Merk und Carry Brachvogel gegründet wird. Sein Zweck ist der Zusammenschluss der in München lebenden Schriftstellerinnen und Journalistinnen zur Besprechung beruflicher Fragen und zur Vertretung künstlerischer und wirtschaftlicher Interessen. Im Mittelpunkt der Satzungen stehen die Forderung nach Gleichberechtigung bei der Entlohnung und das Verbot, umsonst zu schreiben.

Wie bei vielen Schriftstellerinnen führt dann auch bei Helene Böhlau der Erste Weltkrieg zu einem Bruch in ihrer Karriere. Die Schriftstellerin stirbt am 26. März 1940 und wird in Widdersberg bei Herrsching am Ammersee im Familiengrab beigesetzt (Inschrift „Helene Böhlau al Raschid Bey“).

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Brinker-Gabler, Gisela (1988): Perspektiven des Übergangs. Weibliches Bewußtsein und frühe In: Dies. (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen. Bd. 2. C. H. Beck, München, S. 169-205.

Richardsen, Ingvild (2018): Helene Böhlau. In: Evas Töchter. Münchner Schriftstellerinnen und die moderne Frauenbewegung. 1894-1933. Volk Verlag, München.

Schwerte, Hans (1955): Böhlau, Helene. In: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 376f. URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118878484.html, (14.12.2017).

Seidel, Ina (1970): Lebensbericht 1885-1923. Stuttgart, S. 165.

Soergel, Albert (1880): Dichtung und Dichter der Zeit. Eine Schilderung der deutschen Literatur der letzten Jahrzehnte. 3. unveränd. Abdr. Voigtländer Verlag, Leipzig.

Verein für Fraueninteressen (1897): 3. Jahresbericht. München.

Zils, Wilhelm (1913) (Hg.): Al Raschid Bey. In: Geistiges und künstlerisches München in Max Kelleres Verlag, München, S. 6f.