Grab von Felix Schlaginweit
Auch der in dieser Grabstätte ruhende und dem Chiemsee so verhaftete Münchner Arzt, Felix Schlagintweit (1860-1950), war ein Schriftsteller. Bereits 1906 in Salzburg als Theaterregisseur tätig für Mozarts Oper Il Rè pastore, schrieb er 1916 die musikalische Komödie Die Falle, 1935 dann Napoleon III, Lulu und Eugenie. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er nach Urfahrn an den Chiemsee, wo er als Urologe bis zu seinem Tod im Jahr 1950 praktizierte.
1943 erschien seine Autobiographie, die als Titel und Motto den fantasievollen Namen Ein verliebtes Leben trug und sehr bekannt geworden ist. Hier erzählte er beschwingt von Begegnungen mit Frauen, Freunden und Kollegen, von Studentenfesten in der Zeit um die Jahrhundertwende, von Erlebnissen und Streichen.
Dass die Inschrift auf Max Haushofers Grab damals noch nicht verwittert, sondern deutlich lesbar war und wohl bei so manchem Besucher des Inselfriedhofes einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, dafür ist eine Äußerung aus den Memoiren von Felix Schlagintweit ein Beleg:
Ich wollte mir ja schon lange den heidnisch-pantheistisch-heraklitischen Spruch Max Haushofers von seinem Grabe abschreiben, den ich immer noch nicht sicher auswendig kann. Er verbirgt sich jetzt fast ganz sicher hinter zwei Wacholderbüschen vor der christlich-theistischen Umgebung. Eigentlich ganz unnötig, sie versteht ihn ja doch nicht, sonst hätte sie ihn da nicht hineingelassen.
Schlagintweit meinte damit die Verse, die Max Haushofer den Todesgott Thanatos in seinem großen Versepos Der Ewige Jude hatte sprechen lassen:
Das Dasein ist ja nur ein Flügelschlag der Zeit
und ist es ausgelebt und sinkt zu Grabe,
So blüht ein neues auf zu neuem Streit
Zu neuem Leiden, Schaffen, Liebe
Es ist im größten Buch geschrieben,
Daß nichts vergeht, nur hin und wieder wallt
Des Daseins wechselnde Gestalt.
Der Friedhof, speziell das Grab Max Haushofers mit der tröstlichen Inschrift und dem Verweis auf ein Weiterleben, muss Schlagintweit tief beeindruckt haben und ihm so sympathisch und verheißungsvoll gewesen sein, dass er dafür sorgte, dass er für sich und seine Frau ein Grab direkt neben dem Grab von Max Haushofer erhielt und sich mit seiner Grabstätte auf diese Weise einfach zwischen die nebeneinanderliegenden Gräber von Wilhelm Jensen und Max Haushofer drängte.
Auf Schlagintweits Grabstein findet sich eine kurze, schnörkellose Inschrift, die dennoch gedanklich in Bezug steht zu Max Haushofers Grabinschrift:
Hier liegt Felix Schlagintweit. Ein Arzt und Schriftsteller aus München. Er lebte, liebte, litt und starb zu Urfahrn am 17. 5 Anno 1950. Auch Monna seine Frau ruht hier.
Hiermit und hier auf dem Friedhof der Fraueninsel lassen wir unseren literarischen Spaziergang enden. Noch heute kann der Besucher auf dem Inselfriedhof all' der Menschen gedenken, die künstlerische Beziehungen zu Frauenchiemsee hatten, die Teil der Frauenwörther Künstlerkolonie oder auch sonst mit ihr verbunden waren.
1912 unterwegs auf den Spuren der Eigenarten und Besonderheiten von Frauenchiemsee, stellte die Schriftstellerin Carry Brachvogel als Fazit fest, dass die Fraueninsel wohl tatsächlich im Banne der Gestalt der Irmingard stehe. Die „Seele“ der Insel jedoch sah sie vollends im Besitz der Künstler und Künstlerinnen der Künstlerkolonie, ihrem fantasievollen Wirken und Vermächtnis: „ihre Seele gehört den Andern, die ihr den göttlichen Atem einbliesen, die durch die Fülle ihrer Fantasie dies kleine Eiland weit über seinesgleichen hinaushoben.“
Und das, was Carry Brachvogel damals in poetischen Worten dazu schrieb, mag mancher Besucher der Fraueninsel angesichts des überbordenden Tourismus auch heute noch empfinden, wenn er auf Frauenwörth weilt. Und wenn er sich die künstlerische Vergangenheit der Insel und die mythenumwobene Gestalt der Irmingard vergegenwärtigt, dann mag er vielleicht das empfinden, was einstmals Carry Brachvogel empfand:
An Stelle der alten Wirtin, deren Braten, Krapfen und Strauben in der Chronik gar oft verherrlicht wurden, ist ein moderner Gasthausbetrieb getreten; neben den alten Fischerhäusern machen sich elegante Villen breit, und wo einst fröhlicher Künstlergeist zu harmlos-drolligen Festen lud, ertönt heute der inhaltslose Lärm einer banalen Sommerfrische. Doch nur die Äußerlichkeiten der Insel, ihre landschaftlichen Reize, ihr Lindenduft und ihre Rosenblüte sind der Allgemeinheit preisgegeben, – von ihrer Seele wissen die Scharen nichts, die Tag für Tag mit den Dampfern kommen und gehen. Ihre Seele gehört den Andern, die ihr den göttlichen Atem einbliesen, Wohl kommen immer noch einige aus der früheren Zeit her, aber ihre Schar mindert sich von Jahr zu Jahr und sie tragen auch schon zu schwer an Erinnerungen, als daß sie noch auf eine fröhliche Gegenwart bedacht wären. Sie schütteln wohl den Kopf, daß hier alles so anders geworden, meinen, daß sie eigentlich hier gar nichts mehr zu suchen hätten, kehren aber doch jeden Sommer wieder, – die Insel läßt sie nicht los. Vielleicht müssen sie immer wiederkommen, weil ihnen hier einst ein großes Glück widerfuhr, vielleicht zieht sie ein teures Grab her, vielleicht aber ist der Bann, in dem sie stehen, ein letztes Vermächtnis Irmingards an ihre Insel. Vielleicht wollte die Frau, die im Leben nicht zur Macht kam, sie wenigstens im Tode haben und keinen mehr freigeben, der je in den Bezirk ihres verschollenen Reiches trat.
(Carry Brachvogel: Bayerische Kleinodien, 1912)
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Sekundärliteratur:
Richardsen, Ingvild (2017): Die Fraueninsel. Auf den Spuren der vergessenen Künstlerinnen von Frauenchiemsee (Reihe Vergessenes Bayern, 1). München, S. 340-344.
Quellen:
Carry Brachvogel: Drei bayerische Kleinodien. Westermanns Monatshefte 57. Jg. Band 113. I. Teil: September bis November 1912, H. 673, S. 37-50.
Heinz Haushofer: Traditionen. 1979. (Ms., unveröffentlicht)
Felix Schlagintweit: Ein verliebtes Leben. Erinnerungen eines Münchner Arztes. München 1949, S. 548-550. [Erstausgabe 1943 bei Knorr/Hirth in München]
Auch der in dieser Grabstätte ruhende und dem Chiemsee so verhaftete Münchner Arzt, Felix Schlagintweit (1860-1950), war ein Schriftsteller. Bereits 1906 in Salzburg als Theaterregisseur tätig für Mozarts Oper Il Rè pastore, schrieb er 1916 die musikalische Komödie Die Falle, 1935 dann Napoleon III, Lulu und Eugenie. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er nach Urfahrn an den Chiemsee, wo er als Urologe bis zu seinem Tod im Jahr 1950 praktizierte.
1943 erschien seine Autobiographie, die als Titel und Motto den fantasievollen Namen Ein verliebtes Leben trug und sehr bekannt geworden ist. Hier erzählte er beschwingt von Begegnungen mit Frauen, Freunden und Kollegen, von Studentenfesten in der Zeit um die Jahrhundertwende, von Erlebnissen und Streichen.
Dass die Inschrift auf Max Haushofers Grab damals noch nicht verwittert, sondern deutlich lesbar war und wohl bei so manchem Besucher des Inselfriedhofes einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, dafür ist eine Äußerung aus den Memoiren von Felix Schlagintweit ein Beleg:
Ich wollte mir ja schon lange den heidnisch-pantheistisch-heraklitischen Spruch Max Haushofers von seinem Grabe abschreiben, den ich immer noch nicht sicher auswendig kann. Er verbirgt sich jetzt fast ganz sicher hinter zwei Wacholderbüschen vor der christlich-theistischen Umgebung. Eigentlich ganz unnötig, sie versteht ihn ja doch nicht, sonst hätte sie ihn da nicht hineingelassen.
Schlagintweit meinte damit die Verse, die Max Haushofer den Todesgott Thanatos in seinem großen Versepos Der Ewige Jude hatte sprechen lassen:
Das Dasein ist ja nur ein Flügelschlag der Zeit
und ist es ausgelebt und sinkt zu Grabe,
So blüht ein neues auf zu neuem Streit
Zu neuem Leiden, Schaffen, Liebe
Es ist im größten Buch geschrieben,
Daß nichts vergeht, nur hin und wieder wallt
Des Daseins wechselnde Gestalt.
Der Friedhof, speziell das Grab Max Haushofers mit der tröstlichen Inschrift und dem Verweis auf ein Weiterleben, muss Schlagintweit tief beeindruckt haben und ihm so sympathisch und verheißungsvoll gewesen sein, dass er dafür sorgte, dass er für sich und seine Frau ein Grab direkt neben dem Grab von Max Haushofer erhielt und sich mit seiner Grabstätte auf diese Weise einfach zwischen die nebeneinanderliegenden Gräber von Wilhelm Jensen und Max Haushofer drängte.
Auf Schlagintweits Grabstein findet sich eine kurze, schnörkellose Inschrift, die dennoch gedanklich in Bezug steht zu Max Haushofers Grabinschrift:
Hier liegt Felix Schlagintweit. Ein Arzt und Schriftsteller aus München. Er lebte, liebte, litt und starb zu Urfahrn am 17. 5 Anno 1950. Auch Monna seine Frau ruht hier.
Hiermit und hier auf dem Friedhof der Fraueninsel lassen wir unseren literarischen Spaziergang enden. Noch heute kann der Besucher auf dem Inselfriedhof all' der Menschen gedenken, die künstlerische Beziehungen zu Frauenchiemsee hatten, die Teil der Frauenwörther Künstlerkolonie oder auch sonst mit ihr verbunden waren.
1912 unterwegs auf den Spuren der Eigenarten und Besonderheiten von Frauenchiemsee, stellte die Schriftstellerin Carry Brachvogel als Fazit fest, dass die Fraueninsel wohl tatsächlich im Banne der Gestalt der Irmingard stehe. Die „Seele“ der Insel jedoch sah sie vollends im Besitz der Künstler und Künstlerinnen der Künstlerkolonie, ihrem fantasievollen Wirken und Vermächtnis: „ihre Seele gehört den Andern, die ihr den göttlichen Atem einbliesen, die durch die Fülle ihrer Fantasie dies kleine Eiland weit über seinesgleichen hinaushoben.“
Und das, was Carry Brachvogel damals in poetischen Worten dazu schrieb, mag mancher Besucher der Fraueninsel angesichts des überbordenden Tourismus auch heute noch empfinden, wenn er auf Frauenwörth weilt. Und wenn er sich die künstlerische Vergangenheit der Insel und die mythenumwobene Gestalt der Irmingard vergegenwärtigt, dann mag er vielleicht das empfinden, was einstmals Carry Brachvogel empfand:
An Stelle der alten Wirtin, deren Braten, Krapfen und Strauben in der Chronik gar oft verherrlicht wurden, ist ein moderner Gasthausbetrieb getreten; neben den alten Fischerhäusern machen sich elegante Villen breit, und wo einst fröhlicher Künstlergeist zu harmlos-drolligen Festen lud, ertönt heute der inhaltslose Lärm einer banalen Sommerfrische. Doch nur die Äußerlichkeiten der Insel, ihre landschaftlichen Reize, ihr Lindenduft und ihre Rosenblüte sind der Allgemeinheit preisgegeben, – von ihrer Seele wissen die Scharen nichts, die Tag für Tag mit den Dampfern kommen und gehen. Ihre Seele gehört den Andern, die ihr den göttlichen Atem einbliesen, Wohl kommen immer noch einige aus der früheren Zeit her, aber ihre Schar mindert sich von Jahr zu Jahr und sie tragen auch schon zu schwer an Erinnerungen, als daß sie noch auf eine fröhliche Gegenwart bedacht wären. Sie schütteln wohl den Kopf, daß hier alles so anders geworden, meinen, daß sie eigentlich hier gar nichts mehr zu suchen hätten, kehren aber doch jeden Sommer wieder, – die Insel läßt sie nicht los. Vielleicht müssen sie immer wiederkommen, weil ihnen hier einst ein großes Glück widerfuhr, vielleicht zieht sie ein teures Grab her, vielleicht aber ist der Bann, in dem sie stehen, ein letztes Vermächtnis Irmingards an ihre Insel. Vielleicht wollte die Frau, die im Leben nicht zur Macht kam, sie wenigstens im Tode haben und keinen mehr freigeben, der je in den Bezirk ihres verschollenen Reiches trat.
(Carry Brachvogel: Bayerische Kleinodien, 1912)
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Richardsen, Ingvild (2017): Die Fraueninsel. Auf den Spuren der vergessenen Künstlerinnen von Frauenchiemsee (Reihe Vergessenes Bayern, 1). München, S. 340-344.
Quellen:
Carry Brachvogel: Drei bayerische Kleinodien. Westermanns Monatshefte 57. Jg. Band 113. I. Teil: September bis November 1912, H. 673, S. 37-50.
Heinz Haushofer: Traditionen. 1979. (Ms., unveröffentlicht)
Felix Schlagintweit: Ein verliebtes Leben. Erinnerungen eines Münchner Arztes. München 1949, S. 548-550. [Erstausgabe 1943 bei Knorr/Hirth in München]