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Cover "Planetenfeuer". Foto: Martin Otter.

Im Garten des Inselwirts: Blick auf Max Haushofers Arbeitszimmer

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Privatarchiv Haushofer. Foto: Ingvild Richardsen.

Der Dichter Max Haushofer war nicht nur der Chronist der Frauenwörther Künstlerchroniken, er war auch der Verfasser großer Epen. Am 23. April 1840 geboren, verbrachte er seine Jugendzeit in Prag. Sein Abitur allerdings machte er in München, wo er im Haus des Landschaftsmalers Eduard Merk wohnte. Schon früh verbanden ihn viele Beziehungen mit dem literarischen München: Die unter König Max II. in der Stadt führenden Gesellschaften Das Krokodil und Die Zwanglosen wurden ihm zur geistigen Heimat. Nachdem er von 1858 bis 1862 in München Jura und Volkswirtschaft studiert hatte, wurde er 1868 als Professor für Statistik und Volkswirtschaftslehre an die neue Technische Hochschule berufen. Bald war er auch politisch aktiv und vertrat von 1875 bis 1881 für die Vereinigte Liberale den Wahlkreis München in der bayerischen Abgeordnetenkammer.

Als Wissenschaftler entfaltete er eine reiche publizistische Tätigkeit. Er veröffentlichte ein Lehr- und Handbuch der Statistik, schrieb über Die Zukunft der Arbeit, über Grundzüge der politischen Ökonomie, aber auch über Die Ehefrage im Deutschen Reich und über Frauenregiment in der Gegenwart. Ein sehr populäres Werk war sein Buch Der kleine Staatsbürger. Er publizierte aber auch zu kunstgewerblichen und ästhetischen Fragen und zur Natur und Landschaft Bayerns und Österreichs, beispielsweise Alpenlandschaft und Alpensage, Vom Land Tirol, München und Oberbayern und Der Chiemsee. Zusammen mit seinem Bruder Karl Haushofer, Professor für Mineralogie, gehört er auch zu den Gründern des Deutschen Alpenvereins.

Doch er fand auch Zeit, seine große dichterische Begabung umzusetzen, sein Können in formvollendeten, poetischen Werken zu beweisen. 1864 veröffentlichte er einen ersten Gedichtband. Vieles jedoch, was er in jungen Jahren schrieb, blieb vorerst unveröffentlicht. Erst 1886 kam das dramatische Versepos Der ewige Jude heraus, 1888 die Geschichten zwischen Diesseits und Jenseits, 1890 Die Verbannten. In seinem dichterischen Schaffen schweifte seine Phantasie in die Weite der Zeiten; ins Universum, zu den Uranfängen und Grundkräften der Natur. Als Dichter kennzeichnet ihn der Zug ins Kosmische, der Drang, über die Grenzen des Irdischen hinauszustreben und im Jenseits Ursprung und Heimat zu suchen. Der Gedanke, dass der Mensch in wechselnden Gestalten durch die Welt wandelt, war ein Grundgedanke Haushofers. Wie keiner vor ihm hat er über die Rätsel des Todes nachgedacht und ihnen in seinen Werken Gestalt verliehen. In privaten Aufzeichnungen hat er die Quellen und Leitmotive seines Lebenswerkes selbst so beschrieben:

Was ich darüber dachte, mußte geschrieben werden; und was ich darüber schrieb, mußte dichterische Form annehmen. So begann ich diese Gedankenreihe mit der Hypothek des schwarzen Mannes im Jahre 1873. Ich setzte sie fort in dem Ewigen Juden, dessen Grundton sie ist, und das mich mit langen Unterbrechungen, wohl zehn Jahre lang, immer wieder beschäftigte. Ich gab ihr Ausdruck in dem Zyklus aus der Präexistenz (1879). Und als dann der Ewige Jude im Jahre 1884 vollendet und 1886 veröffentlicht war, wußte ich, daß in ihm diese Gedankenreihe nun zu einem vorläufigen Abschluss gelangt sei. [...] Denn mittlerweile wuchsen die Geschichten zwischen Diesseits und Jenseits zum Buche heran, das 1887 erscheinen konnte und noch viel deutlicher als der Ewige Jude mir selber klar machte, woran ich zuallermeist dachte, und wenn ich in einigen seiner letzten Geschichten versöhnlichere Töne anschlug, heute weiß ich nicht mehr, ob das geschah, um die Leser oder um mich selber über den düsteren Inhalt des Ganzen hinweg zu täuschen. [...] Aber schon während dieses Buch unter die Menschen ging, hatte ich den Faden weitergesponnen. Schon 1885 waren Teile der Verbannten entstanden. In ihnen trat die hoffnungsvolle Frage nach der Unsterblichkeit der Einzelseele zurück hinter der Freude am Weltganzen. Das war im Jahre 1890. Schon damals wusste ich, daß diese Gedankenreihe nicht abgeschlossen war. Ich machte ihr immer wieder Zugeständnisse in einzelnen kleinen Geschichten und Gedichten.

(Max Haushofer: Lebendgeschichte. Unveröffentlichtes Manuskript)

Altes Arbeitszimmer des Dichters Max Haushofer im Tuchmacherhaus (Archiv Benjamin Krämmer); Blick in den Garten des Inselwirts. Foto: Ingvild Richardsen.

In einer Studie, die 1897 beim Verlag A.G. Liebeskind in Leipzig erschien, bezeichnete der Berliner Redakteur Ernst Garleb Haushofer als „deutschen Dante“. Gerechtfertigt schien ihm das angesichts der Tatsache, dass es kaum einen deutschen Dichter gebe, der von so umfassender Phantasie erfüllt war und ähnliche Weltenwanderungen durchführte. Er charakterisierte Haushofer als Dichter, der die Welt der Wunder und der Märchen als Schauplatz seiner Dichtungen begriff, der sich in der Welt der Phantasie als Philosoph bewegte, den nicht das Jetzt und Hier interessierte, nicht das Schicksal eines einzelnen Menschen, sondern die Menschheit als Ganzes. Schon zu seiner Zeit war Max Haushofer als Dichter unterschätzt. Haushofer war nie „modern“, weil er über jede Mode hinausragt. Dies war auch schon seinem ersten Biographen Ernst Garleb klar:

Unser Dichter steht zur Zeit noch abseits von den Tagesgötzen, zu denen er sich sicher nie gesellen wird. Das verbietet die keusche Schönheit und Eigenart seiner Muse. Aber der künftige, grosse, deutsche Geschichtsschreiber der Litteraturwende unseres Jahrhunderts wird mit goldenen Lettern seinen Namen eintragen müssen und ihn der Zukunft überweisen. Möge aber der wahre, geistige Adel deutscher Nation sich endlich ermannen und nach dem Satze, dass ein Volk, das seine grossen Männer nicht ehrt, ihrer auch nicht würdig sei, unserem Poeten die volle Anerkennung zollen. (Garleb 1897, S. 49)

1899 veröffentlichte Max Haushofer seinen utopischen Zukunftsroman Planetenfeuer, der München im Jahr 1999 in einer Situation schilderte, in der sich die Erde vor ihrem bevorstehenden Untergang befindet, da die Trümmer zweier kollidierter Planeten auf die Erde zurasen. Warum er das tat, dazu hat er sich selbst so geäußert:

Nur in flüchtigen Strichen, nicht als breit und vollständig ausgeführtes Kulturgemälde, wollte der vorliegende Roman ein Bild von Zuständen zeichnen, wie sie vielleicht im Jahr 1999, zumal in Deutschland, entstanden sein werden. Es war mir darum zu thun, die Vermuthung zu begründen, daß die Kulturmenschheit in hundert Jahren technisch und wirthschaftlich viel mächtiger fortgeschritten sein wird als moralisch; und auch die steigende Unnatur und Nervosität werfen nach meiner Auffassung scharfe Schlagschatten in das Zukunftsbild. Unter diesen Gesichtspunkten versuche ich, zu entwickeln, wie sich im Lauf eines Jahrhundertes Staatssozialismus und Narkose, Gedankenlesen und Luftsport, Verirrungen religiöser Schwärmerei und künstlerisches Experiment, internationales Gaunerthum und Weltfriedensfrage, Frauenemanzipation und thanatognostische Erkenntniß der letzten Räthsel ausgestalten können. Und wenn ich am Schluß eine unirdische grauenhafte Katastrophe über dieses ganze Treiben hereinbrechen lasse, so bestimmte mich nicht das Bedürfniß nach Sensation, sondern der Gedanke an die Winzigkeit unserer ganzen Hochkultur gegenüber den Mächten des Weltalls, auch an die Macht heroischen Pflichtgefühles und edelster Barmherzigkeit. Prophezeien ist erlaubt, wenigstens in dichterischer Form.


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Ingvild Richardsen

Sekundärliteratur:

Garleb, Ernst (1897): Ein deutscher Dichter an der Wende des Jahrhunderts. Leipzig.

Richardsen, Ingvild (2017): Auf den Spuren der vergessenen Dichterinnen von Frauenchiemsee (Reihe Vergessenes Bayern, 1). München, S. 255-260.

Quellen:

Heinz Haushofer: Traditionen. 1979. (Ms., unveröffentlicht)

Max Haushofer: Lebensgeschichte. (Ms., unveröffentlicht)

Ders.: Selbstanzeige Planetenfeuer. In: Maximilian Harden. Die Zukunft 1899.