München, Max-Weber-Platz: Der ganz normale Wahnsinn II
Gloria Schimpf führt im Wollladen ihrer besten Freundin Aline zahlreiche Debatten über die Liebe („Der ewige Stenz“, S. 37).
Der Laden und seine Figuren werden in der zweiten Folge „Liebe ist ein chemisch-physikalischer Prozeß“ beschrieben:
Alines Strickladen. Auf chinesischen Buffs, unter einer japanischen Papierballonlampe, sitzen vier Frauen: Glorias Freundin Aline; deren Freundin Rita, ein kräftiges, blondes Mädchen mit roten Backen und sehr kurz geschnittenen Haaren; Verena, eine kleine Magere, die ein bißchen ängstlich und verhuscht wirkt; sowie Gloria. Aline hat neben sich einen aufgeklappten Werkzeugkasten und ist über die Reparaturarbeit einer Nachttischlampe gebeugt. Rita und Verena stricken; Verena hat vor sich ein aufgeschlagenes Buch liegen.
Ellen Stark kommt aus der angrenzenden, bambusverhangenen Teeküche. Sie bringt ein Tablett mit japanischen Tassen.
In der nun folgenden Szene versucht Aline Gloria davon abzuhalten, ihren Freund Maximilian anzurufen, damit sie sich als Frau vor ihm nicht demütigen lassen muss:
ALINE [...]. Weißt Du, Tausende von Jahren der Unterdrückung sind nicht in ein paar Tagen abzuschütteln. Soll er dich anrufen – soll er sich demütigen...
GLORIA. Demütigen...?
ALINE. Du mußt jetzt lernen, du selbst zu sein, mit dir selbst zu leben, dich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
GLORIA. Was ist denn das Wesentliche?
ALINE. Dich selbst als Frau zu erleben, eine Frau, die keine Männer mehr braucht, und wenn, dann höchstens, „ge“-braucht. So wie die das Tausende von Jahren mit uns gemacht haben.
(Helmut Dietl: Der ganz normale Wahnsinn, S. 60f.)
Die Debatten über die Liebe machen auch nicht vor Alines Wohnung Halt. In der Szene, in der Gloria mit Alines Hilfe ihre übervollen Koffer packt, um für eine „gewisse Zeit“ in Maximilians Wohnung zu ziehen, bekräftigt Aline ihre männerkritische Sichtweise, die allerdings im darauffolgenden Szenenwechsel mit Maximilians Wohnung ironisiert wird – Lino, Maximilians bester Freund, verwendet dasselbe Argument wie sie, nur mit dem Unterschied, dass er es auf die Frauen überträgt:
ALINE. Das einzige, was du sehen wirst, das ist, daß Männer Egozentriker sind, die grundsätzlich versuchen, Frauen ihren Willen aufzuzwingen, sie zu unterdrücken, ihre Freiheiten zu beschneiden, sie abhängig zu machen und möglichst unmündig zu halten. So wie sie's seit Tausenden von Jahren mit uns gemacht haben, indem sie uns glauben machten, daß wir sie brauchen, daß wir gar nicht leben können ohne sie. Und dafür haben sie die Ehe erfunden.
GLORIA. Wer?
ALINE. Die Männer. Wer sonst? Die Ehe ist eine Erfindung...
Maximilians Wohnung.
LINO. ... der Frauen. Und zwar eine besonders heimtückische. Alle Frauen san von Natur aus egozentrisch. Sie wolln die Männer unterdrücken, ihnen ihre Freiheiten beschneiden, ihnen ihren Willen aufzwingen und sie abhängig machen. Und deswegen redns uns ein, daß wir sie brauchen. [...]
(S. 82f.)
Im Anschluss wird auch Linos Meinung durch einen Szenenrückwechsel ironisiert und ad absurdum geführt – ein filmischer Vorgang, der noch zwei weitere Male wiederholt wird.
Sekundärliteratur:
„Der ewige Stenz“. Helmut Dietl und sein München (Literaturhaus München HEFTE, 9). München 2016.
Helmut Dietl: Der ganz normale Wahnsinn. Man könnt' leben, aber man läßt nicht. In der Orginalfassung. Albrecht Knaus, München/Hamburg 1987.
Gloria Schimpf führt im Wollladen ihrer besten Freundin Aline zahlreiche Debatten über die Liebe („Der ewige Stenz“, S. 37).
Der Laden und seine Figuren werden in der zweiten Folge „Liebe ist ein chemisch-physikalischer Prozeß“ beschrieben:
Alines Strickladen. Auf chinesischen Buffs, unter einer japanischen Papierballonlampe, sitzen vier Frauen: Glorias Freundin Aline; deren Freundin Rita, ein kräftiges, blondes Mädchen mit roten Backen und sehr kurz geschnittenen Haaren; Verena, eine kleine Magere, die ein bißchen ängstlich und verhuscht wirkt; sowie Gloria. Aline hat neben sich einen aufgeklappten Werkzeugkasten und ist über die Reparaturarbeit einer Nachttischlampe gebeugt. Rita und Verena stricken; Verena hat vor sich ein aufgeschlagenes Buch liegen.
Ellen Stark kommt aus der angrenzenden, bambusverhangenen Teeküche. Sie bringt ein Tablett mit japanischen Tassen.
In der nun folgenden Szene versucht Aline Gloria davon abzuhalten, ihren Freund Maximilian anzurufen, damit sie sich als Frau vor ihm nicht demütigen lassen muss:
ALINE [...]. Weißt Du, Tausende von Jahren der Unterdrückung sind nicht in ein paar Tagen abzuschütteln. Soll er dich anrufen – soll er sich demütigen...
GLORIA. Demütigen...?
ALINE. Du mußt jetzt lernen, du selbst zu sein, mit dir selbst zu leben, dich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
GLORIA. Was ist denn das Wesentliche?
ALINE. Dich selbst als Frau zu erleben, eine Frau, die keine Männer mehr braucht, und wenn, dann höchstens, „ge“-braucht. So wie die das Tausende von Jahren mit uns gemacht haben.
(Helmut Dietl: Der ganz normale Wahnsinn, S. 60f.)
Die Debatten über die Liebe machen auch nicht vor Alines Wohnung Halt. In der Szene, in der Gloria mit Alines Hilfe ihre übervollen Koffer packt, um für eine „gewisse Zeit“ in Maximilians Wohnung zu ziehen, bekräftigt Aline ihre männerkritische Sichtweise, die allerdings im darauffolgenden Szenenwechsel mit Maximilians Wohnung ironisiert wird – Lino, Maximilians bester Freund, verwendet dasselbe Argument wie sie, nur mit dem Unterschied, dass er es auf die Frauen überträgt:
ALINE. Das einzige, was du sehen wirst, das ist, daß Männer Egozentriker sind, die grundsätzlich versuchen, Frauen ihren Willen aufzuzwingen, sie zu unterdrücken, ihre Freiheiten zu beschneiden, sie abhängig zu machen und möglichst unmündig zu halten. So wie sie's seit Tausenden von Jahren mit uns gemacht haben, indem sie uns glauben machten, daß wir sie brauchen, daß wir gar nicht leben können ohne sie. Und dafür haben sie die Ehe erfunden.
GLORIA. Wer?
ALINE. Die Männer. Wer sonst? Die Ehe ist eine Erfindung...
Maximilians Wohnung.
LINO. ... der Frauen. Und zwar eine besonders heimtückische. Alle Frauen san von Natur aus egozentrisch. Sie wolln die Männer unterdrücken, ihnen ihre Freiheiten beschneiden, ihnen ihren Willen aufzwingen und sie abhängig machen. Und deswegen redns uns ein, daß wir sie brauchen. [...]
(S. 82f.)
Im Anschluss wird auch Linos Meinung durch einen Szenenrückwechsel ironisiert und ad absurdum geführt – ein filmischer Vorgang, der noch zwei weitere Male wiederholt wird.
„Der ewige Stenz“. Helmut Dietl und sein München (Literaturhaus München HEFTE, 9). München 2016.
Helmut Dietl: Der ganz normale Wahnsinn. Man könnt' leben, aber man läßt nicht. In der Orginalfassung. Albrecht Knaus, München/Hamburg 1987.