München, Schwabing: Feilitzschstraße 25
Das merkwürdigste, versteckteste Denkmal oder besser Nicht-Denkmal für einen Dichter in München findet sich im alten Schwabing. Der Hinweis darauf steht ebenfalls versteckt im Münchner Merkur in einer Vorankündigung zur Brunnen-Feier 1962. Der Autor k. w. [Karl Wanninger] teilt mit: „Im übrigen hatte Heinrich Heine schon lange vor der offiziellen Denkmalswürdigkeit in München ein Denkmal. An dem 1892 erbauten Haus Feilitzschstraße 25 in Schwabing ließ der Baumeister A. Mack Büsten der drei von ihm am meisten verehrten deutschen Dichter anbringen. Das waren Goethe, Schiller und Heinrich Heine. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs ließ ein eifriger Parteigenosse den Schandfleck Heine entfernen. Arbeiter mußten ihn gewaltsam herunterreißen und ließen nur die zwei ihn flankierenden Putten stehen.“[34]
Wir müssen also nach Schwabing. Das Haus an der Ecke Feilitzsch-/Ursulastraße mit seinem gut bürgerlichen Fassadenschmuck mit Hermes-, Engel- und Dichterköpfen vom Ende des 19. Jahrhunderts hält diejenigen, die zum Englischen Garten gehen, nicht unbedingt auf. Doch ein Halt lohnt sich. Über zwei Fenstern des zweiten Stocks zur Ursulastraße sind deutlich Köpfe zwischen Putti mit Schreibtafeln zu sehen. Wenn der rechte Kopf eine Schiller-Nase hat, dann ist der linke Goethe, keine Frage. Die beiden Dioskuren wurden nun durch einen Heine-Kopf zum Dreigestirn ergänzt, der sich an der Fassade zur Feilitzschstraße befand. Den Heine-Kopf könnte sogar Thomas Mann von seiner schräg gegenüber gelegenen Wohnung über dem Wirtshaus Seerose (Feilitzschstraße 5, heute 32/III) gesehen haben. Dann verschwand der Kopf und wurde durch die Jahreszahl des Hausbaus „1892“ ersetzt, wobei man offenbar keine „2“ hatte und stattdessen eine „5“ auf den Kopf stellte.
Schwabing, Gebäude Haus Feilitzschstraße 25 (1892). Links Reliefkopf „Goethe“, daneben rechts „Schiller“. Der einstige Reliefkopf „Heine“ wurde nach 1933 entfernt und durch die Jahreszahl „1892“ (r.) ersetzt; die Putti mit Schreibheft und Buch blieben. Foto: Dirk Heißerer (2010).
Die Suche nach dem Heine-Kopf verlief leider ergebnislos, es gibt kein historisches Foto des Hauses im Stadtarchiv. Aber der Heine-Kopf in Schwabing bleibt nicht nur verschwunden; er ist, bis heute wenigstens, erst gar nicht mehr vermisst worden. Heine selbst hätte keine bessere Pointe für sein Verhältnis zu München finden können als diese beredte, durch eine ungelenke Jahreszahl verdeckte Leerstelle an einem Haus im alten Schwabing.
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[34] k. w. [Karl Wanninger]: Ein Brunnen für Heinrich Heine. Im Finanzgarten beim Prinz-Carl-Palais – Gedenktafel und Straße. In: Münchner Merkur, 17. August 1962.
Das merkwürdigste, versteckteste Denkmal oder besser Nicht-Denkmal für einen Dichter in München findet sich im alten Schwabing. Der Hinweis darauf steht ebenfalls versteckt im Münchner Merkur in einer Vorankündigung zur Brunnen-Feier 1962. Der Autor k. w. [Karl Wanninger] teilt mit: „Im übrigen hatte Heinrich Heine schon lange vor der offiziellen Denkmalswürdigkeit in München ein Denkmal. An dem 1892 erbauten Haus Feilitzschstraße 25 in Schwabing ließ der Baumeister A. Mack Büsten der drei von ihm am meisten verehrten deutschen Dichter anbringen. Das waren Goethe, Schiller und Heinrich Heine. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs ließ ein eifriger Parteigenosse den Schandfleck Heine entfernen. Arbeiter mußten ihn gewaltsam herunterreißen und ließen nur die zwei ihn flankierenden Putten stehen.“[34]
Wir müssen also nach Schwabing. Das Haus an der Ecke Feilitzsch-/Ursulastraße mit seinem gut bürgerlichen Fassadenschmuck mit Hermes-, Engel- und Dichterköpfen vom Ende des 19. Jahrhunderts hält diejenigen, die zum Englischen Garten gehen, nicht unbedingt auf. Doch ein Halt lohnt sich. Über zwei Fenstern des zweiten Stocks zur Ursulastraße sind deutlich Köpfe zwischen Putti mit Schreibtafeln zu sehen. Wenn der rechte Kopf eine Schiller-Nase hat, dann ist der linke Goethe, keine Frage. Die beiden Dioskuren wurden nun durch einen Heine-Kopf zum Dreigestirn ergänzt, der sich an der Fassade zur Feilitzschstraße befand. Den Heine-Kopf könnte sogar Thomas Mann von seiner schräg gegenüber gelegenen Wohnung über dem Wirtshaus Seerose (Feilitzschstraße 5, heute 32/III) gesehen haben. Dann verschwand der Kopf und wurde durch die Jahreszahl des Hausbaus „1892“ ersetzt, wobei man offenbar keine „2“ hatte und stattdessen eine „5“ auf den Kopf stellte.
Schwabing, Gebäude Haus Feilitzschstraße 25 (1892). Links Reliefkopf „Goethe“, daneben rechts „Schiller“. Der einstige Reliefkopf „Heine“ wurde nach 1933 entfernt und durch die Jahreszahl „1892“ (r.) ersetzt; die Putti mit Schreibheft und Buch blieben. Foto: Dirk Heißerer (2010).
Die Suche nach dem Heine-Kopf verlief leider ergebnislos, es gibt kein historisches Foto des Hauses im Stadtarchiv. Aber der Heine-Kopf in Schwabing bleibt nicht nur verschwunden; er ist, bis heute wenigstens, erst gar nicht mehr vermisst worden. Heine selbst hätte keine bessere Pointe für sein Verhältnis zu München finden können als diese beredte, durch eine ungelenke Jahreszahl verdeckte Leerstelle an einem Haus im alten Schwabing.
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[34] k. w. [Karl Wanninger]: Ein Brunnen für Heinrich Heine. Im Finanzgarten beim Prinz-Carl-Palais – Gedenktafel und Straße. In: Münchner Merkur, 17. August 1962.