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„Deutschlands Dichter“: Karikatur im Simplicissimus um 1900. (c) Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv

München, Platzl 9: Hofbräuhaus

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Vor dem Hofbräuhaus 1896 (c) Archiv Monacensia

Die Geschichte des berühmtesten Wirtshauses der Welt, des Münchner Hofbräuhauses, reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück: Herzog Wilhelm V. ließ das Kurfürstliche Hofbräuhaus 1589 als Brauerei für seinen Hof errichten, weil ihm das bayerische Bier nicht gut genug und das bisher aus dem niedersächsischen Einbeck importierte Bier zu teuer war. Seine jetzige bauliche Gestalt bekam das Hofbräuhaus 1896/97. Prinzregent Luitpold beschloss 1896, die Brauerei aus dem Hofbräuhaus herauszunehmen und über den Lagerkellern an der Inneren Wiener Straße eine neue Sudstätte zu errichten. Das Alte Sudhaus am Platzl wurde abgerissen und an seiner Stelle die Schwemme errichtet. Sie wurde am 9. Februar 1897 eröffnet. Am selben Tag begannen die Abrissarbeiten am Verwaltungsgebäude, aus dem der neue Gaststättenbereich wurde. Am 22. September 1897 fand die Eröffnung des neuen Hofbräuhauses statt.

  

Das Münchner Hofbräuhaus vor dem Umbau 1896 (links) und der Neubau um 1900 (rechts) (c) Archiv Monacensia

In seiner Glosse „Die Bierstadt München“ rühmt der aus Franken stammende Schriftsteller Michael Georg Conrad München als „erste Bierfestung der Welt“.

Ganz im Mittelpunkt ragt die klassische Gambrinus-Zitadelle aus urbajuwarischer Zeit: das königliche Hofbräuhaus. Rings um die Stadt legt sich wie ein undurchbrechbarer Ring der Wall der Bierkellerbauten mit vielen trutzigen Vorwerken und Sperrforts nach allen Himmelsgegenden. Auf welchen Straßen, Land-, Wasser- und Schienenwegen der Fremdling auch nahen möge, er muss durch den Gürtel der Kellerburgen; überall knallen ihm die Spundpfropfen entgegen, kriegerische Biergesänge mit Banzenschlag und Deckengeknatter umbrausen und betäuben ihn.

(Michael Georg Conrad: Die Bierstadt München, zit. nach Schmitz, Walter [Hg.]: Die Münchner Moderne, a.a.O., S. 43)

Ähnliches hatte auch der österreichische Dramatiker Ignaz Franz Castelli erlebt:

Mehrere Stuben und der ganze Hof sind mit Menschen so angefüllt, dass noch ein paar hundert, welche an Tischen, auf Wagen oder in Hofe herumstehenden Fässern keinen Platz mehr finden, ihr Bier, die Krüge in den Händen haltend, stehend verzehren. Da ist ein Tumult und ein Lärmen sondergleichen: am ärgsten geht es aber bei der Schenke zu. Da stehen Hunderte, welche ihre Krüge geleert haben, schwenken dieselben im durchfließenden Wasser aus und warten auf eine neue Tracht frischen Bieres aus dem Keller, um sich wieder einschenken zu lassen. Zu essen bekommt man hier nichts als Brot, Wurst und Käse, und bezahlen muss man sogleich, wenn man etwas erhält.

(Ignaz Franz Castelli. In: Karl, Ida [Hg.]: München. Eine Lese-Verführung. Fischer Verlag, Frankfurt 2010, S. 161)

Der Brauhof des Hofbräuhauses 1896 (c) Archiv Monacensia

Für den Publizisten Otto Julius Bierbaum war das Hofbräuhaus eine der letzten Bastionen bayerischer Kultur, deren Verschwinden ihm große Sorge bereitete. In seinen Ansichten über die „Fremdenstadt“ klagt er:

Es gibt überhaupt kein München mehr. Seit 1871 ist diese Stadt langsam, aber sicher, preußisch geworden. Es ist rum mit aller Gemütlichkeit. Tritt man jemand auf den Fuß und sagt, wie sich's gehört: Oha, Herr Nachbar! so wird das als unhöflich übel vermerkt. Geht man irgend wohin zum Bier und packt seinen Käs und sein „Durcheinand“ (Aufschnitt) aus, so sieht einen die Kellnerin missbilligend an. Das Bier wird mit jedem Jahr dünner, und, wohin man spuckt, spuckt man auf einen Preußen. Wenn nicht die „Keller“ noch wären und die Schwemm im Hofbräuhaus, und der Salvator, und die „Wies'n“ am Oktoberfest, so könnte man gerade so gut überhaupt gleich nach Berlin auswandern.

(Otto Julius Bierbaum: Ansichten über die Fremdenstadt, zit. nach Schwab, Hans-Rüdiger [Hg.]: München, Dichter sehen eine Stadt, a.a.O., S. 173)

Der Romanist Victor Klemperer, der unter anderem in München studierte und 1919 kurzzeitig lehrte, erinnert sich in seinen Memoiren Curriculum Vitae an eine erstaunliches Beobachtung bei einem Hofbräuhausbesuch:

Dicht neben uns saß ein junges Ehepaar, beide hatten ihr Bier vor sich stehen, auf dem Schoß der Frau hockte ein kleiner Junge von etwa zwei Jahren. Der Vater nahm seinen Krug, hielt ihn dem Kind an den Mund, hob ihn allmählich, wie man behutsam die Milchflasche eines Säuglings hebt, zeigte dann der Frau mit stolzem Gesichtsausdruck, wieviel das Jungchen getrunken hatte, und die Mutter streichelte mit zärtlicher Anerkennung den Kopf des Kleinen.

(Victor Klemperer: Curriculum Vitae. Aufbau Verlag, Berlin 1996, S. 265)


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Verfasser: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt