Bayerische Staatsbibliothek
Hessreiter setzt seinen Spaziergang fort und passiert die Bayerische Staatsbibliothek:
Vor dem breiten Gebäude der staatlichen Bibliothek saßen in Stein gehauen friedlich in der Sonne vier Männer altgriechischen Gepräges mit nacktem Oberkörper. Er hatte in der Schule gelernt, wen sie darstellten. Heute wußte er es natürlich nicht mehr. Wenn man täglich an jemandem vorbeigeht, sollte man eigentlich wissen, wer er ist. Er wird sich nächstens einmal wieder erkundigen. Wie immer, es war eine gute Bibliothek. Zu schade eigentlich für die jungen Leute mit den Rekordköpfen [...]. Früher hatte die schöne, behagliche Stadt die besten Köpfe des Reiches angezogen. Wie kam es, daß die jetzt fort waren, daß an ihrer Stelle alles, was faul und schlecht war im Reich und sich anderswo nicht halten konnte, magisch angezogen nach München flüchtete? (Erfolg, S. 34)
Die Statuen vor der Bayerischen Staatsbibliothek. Von links nach rechts: Thukydides, Homer, Aristoteles und Hippokrates. In ihrer Gesamtheit verweisen sie auf die Vielfalt der Wissenschaften. (c) BSB
Vor der Bibliothek trifft Hessreiter auf einen vierschrötigen, knurrigen Mann in graugrüner Joppe „mit zerhacktem Gesicht“ und kleinen Augen in dem runden Schädel: Dr. Matthäi, ein Schriftsteller, den seine Darstellungen des oberbayerischen Landes bekannt gemacht hatten. Die Figur Matthäi verkörpert Ludwig Thoma. Thoma wurde 1867 in Oberammergau geboren. 1897 ging der Autor nach München und wurde Chefredakteur des Simplicissimus, scharfzüngig übte er Kritik an Kirche und Staat. Der Oberbayer galt als liberaler Patriot, über den verlorenen Krieg schien er 1918 aber verbittert. Während er seiner jüdischen Freundin Maidi von Liebermann sehnsuchtsvolle Briefe schrieb, veröffentlichte er anonym antisemitische Texte im Miesbacher Anzeiger. 1921 starb Ludwig Thoma in seinem Haus auf der Tuften über dem Tegernsee an Magenkrebs.
Die drei Gesichter des Ludwig Thoma: Fotografie 1913 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv, als Münchner im Himmel 1911 und in einer Karikatur von Olaf Gulbransson (c) Archiv Monacensia
Dr. Matthäis literarischer Kontrahent im Roman ist der Schriftsteller Josef Pfisterer. Die Figur Pfisterer steht für den Schriftsteller Ludwig Ganghofer. Wie sein Kollege Ludwig Thoma gehörte Ganghofer zu den bekanntesten bayerischen Persönlichkeiten in der Zeit um 1900. In mehr als 30 Romanen erzählte der Autor Geschichten aus einer idealen Landschaft, seine positiven Schilderungen finden großen Anklang bei den Lesern. Feuchtwangers Sympathien im Roman gelten eindeutig Pfisterer, den er naiv-optimistisch zeichnet. Pfisterer kann nicht an Unrecht in seinem geliebten Bayern glauben, ist glühender Monarchist. An Matthäi „mit dem Kneifer auf dem zerhackten, bösartigen Mopsgesicht“ lässt Feuchtwanger hingegen kein gutes Haar.
Ludwig Ganghofer, Fotografie 1916 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv
Auch der Dr. Pfisterer trug wie der Dr. Lorenz Matthäi eine graue Joppe, auch er schrieb umfängliche Geschichten aus den bayerischen Bergen, die ihm Erfolg überall im Reich brachten. Allein seine Geschichten waren optimistisch, rührten ans Gemüt, schufen Erhebung; er glaubte an das Gute im Menschen, außer in dem Dr. Matthäi, den er haßte. Sie saßen sich gegenüber, die beiden bayerischen Schriftsteller, mit roten Köpfen, maßen sich hinter ihren Kneifern, aus kleinen Augen, der klobige, zerhackte hielt den Schädel gesenkt, der andere stieß den rotmelierten Vollbart erregt, ein wenig hilflos vor. (Erfolg, S. 68)
Die Bayerische Staatsbibliothek war übrigens für Feuchtwanger eine zweite Heimat, wie der Biograph Wilhelm von Sternburg schreibt: An den Tischen des Lesesaals entstanden unter anderen die Romane Jud Süß und Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch.
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Hessreiter setzt seinen Spaziergang fort und passiert die Bayerische Staatsbibliothek:
Vor dem breiten Gebäude der staatlichen Bibliothek saßen in Stein gehauen friedlich in der Sonne vier Männer altgriechischen Gepräges mit nacktem Oberkörper. Er hatte in der Schule gelernt, wen sie darstellten. Heute wußte er es natürlich nicht mehr. Wenn man täglich an jemandem vorbeigeht, sollte man eigentlich wissen, wer er ist. Er wird sich nächstens einmal wieder erkundigen. Wie immer, es war eine gute Bibliothek. Zu schade eigentlich für die jungen Leute mit den Rekordköpfen [...]. Früher hatte die schöne, behagliche Stadt die besten Köpfe des Reiches angezogen. Wie kam es, daß die jetzt fort waren, daß an ihrer Stelle alles, was faul und schlecht war im Reich und sich anderswo nicht halten konnte, magisch angezogen nach München flüchtete? (Erfolg, S. 34)
Die Statuen vor der Bayerischen Staatsbibliothek. Von links nach rechts: Thukydides, Homer, Aristoteles und Hippokrates. In ihrer Gesamtheit verweisen sie auf die Vielfalt der Wissenschaften. (c) BSB
Vor der Bibliothek trifft Hessreiter auf einen vierschrötigen, knurrigen Mann in graugrüner Joppe „mit zerhacktem Gesicht“ und kleinen Augen in dem runden Schädel: Dr. Matthäi, ein Schriftsteller, den seine Darstellungen des oberbayerischen Landes bekannt gemacht hatten. Die Figur Matthäi verkörpert Ludwig Thoma. Thoma wurde 1867 in Oberammergau geboren. 1897 ging der Autor nach München und wurde Chefredakteur des Simplicissimus, scharfzüngig übte er Kritik an Kirche und Staat. Der Oberbayer galt als liberaler Patriot, über den verlorenen Krieg schien er 1918 aber verbittert. Während er seiner jüdischen Freundin Maidi von Liebermann sehnsuchtsvolle Briefe schrieb, veröffentlichte er anonym antisemitische Texte im Miesbacher Anzeiger. 1921 starb Ludwig Thoma in seinem Haus auf der Tuften über dem Tegernsee an Magenkrebs.
Die drei Gesichter des Ludwig Thoma: Fotografie 1913 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv, als Münchner im Himmel 1911 und in einer Karikatur von Olaf Gulbransson (c) Archiv Monacensia
Dr. Matthäis literarischer Kontrahent im Roman ist der Schriftsteller Josef Pfisterer. Die Figur Pfisterer steht für den Schriftsteller Ludwig Ganghofer. Wie sein Kollege Ludwig Thoma gehörte Ganghofer zu den bekanntesten bayerischen Persönlichkeiten in der Zeit um 1900. In mehr als 30 Romanen erzählte der Autor Geschichten aus einer idealen Landschaft, seine positiven Schilderungen finden großen Anklang bei den Lesern. Feuchtwangers Sympathien im Roman gelten eindeutig Pfisterer, den er naiv-optimistisch zeichnet. Pfisterer kann nicht an Unrecht in seinem geliebten Bayern glauben, ist glühender Monarchist. An Matthäi „mit dem Kneifer auf dem zerhackten, bösartigen Mopsgesicht“ lässt Feuchtwanger hingegen kein gutes Haar.
Ludwig Ganghofer, Fotografie 1916 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv
Auch der Dr. Pfisterer trug wie der Dr. Lorenz Matthäi eine graue Joppe, auch er schrieb umfängliche Geschichten aus den bayerischen Bergen, die ihm Erfolg überall im Reich brachten. Allein seine Geschichten waren optimistisch, rührten ans Gemüt, schufen Erhebung; er glaubte an das Gute im Menschen, außer in dem Dr. Matthäi, den er haßte. Sie saßen sich gegenüber, die beiden bayerischen Schriftsteller, mit roten Köpfen, maßen sich hinter ihren Kneifern, aus kleinen Augen, der klobige, zerhackte hielt den Schädel gesenkt, der andere stieß den rotmelierten Vollbart erregt, ein wenig hilflos vor. (Erfolg, S. 68)
Die Bayerische Staatsbibliothek war übrigens für Feuchtwanger eine zweite Heimat, wie der Biograph Wilhelm von Sternburg schreibt: An den Tischen des Lesesaals entstanden unter anderen die Romane Jud Süß und Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch.
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