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(c) Archiv Monacensia

Ludwig-Maximilians-Universität und Siegestor

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Tag der Deutschen Kunst 16. Juli 1939 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv

Im Roman spaziert der Industrielle Hessreiter, Kommerzienrat und Inhaber der Fabrik „Süddeutsche Keramiken“ von seiner Villa am Englischen Garten über die Ludwigsstraße zum Justizpalast, wo er als Geschworener dem Prozess gegen Krüger beiwohnen soll. Hessreiter verkörpert im Roman den liberalen Alt-Münchner Großbürger, gemütlich und großherzig, der zwar die politischen Verhältnisse missbilligt, aber nicht aktiv politisch wird. Er unterstützt Johanna Krain finanziell und mit seinen Kontakten bei ihrem Kampf um die Freilassung Krügers.

Träge federnd, mit langsamer Eleganz, ging Paul Hessreiter durch die Junisonne der Stadt München. Trotz des blanken Himmels und der leichten, frischen Luft der geliebten bayerischen Hochebene fühlte er sich nicht so vergnügt und befriedet mit sich, der Welt und seiner Stadt wie sonst. Er ging die breite Pappelallee der Leopoldstraße entlang zwischen Vorgärten und friedlichen Häusern. Blitzblaue Wagen der Straßenbahn klingelten fröhlich vorbei. Gewohnheitsmäßig sah er nach den Beinen der aufsteigenden Frauen, die die Mode der Zeit bis hoch hinauf frei gab. [...] Er stand unter dem großen Siegestor, zu seinen Häupten die Bavaria mit ihrer Löwenquadriga, das mächtige Sinnbild des kleinen Landes. Seine braunen schleierigen Augen blinzelten nachdenklich und beschäftigt in die besonnte Ludwigstraße, deren schöner, behaglich provinzialisierter Renaissancestil ihm nicht die Freude wie sonst machte. (Erfolg, S. 32)

Am Brunnen vor der Universität stehend sehen Sie am Übergang von der Ludwigs- zur Leopoldstraße das Siegestor thronen, das Hessreiter passiert. Es wurde von Ludwig I. 1844 zu Ehren des bayerischen Heeres errichtet.

 

Siegestor, ca. 1925 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv

Vor der Universität angelangt sinniert Hessreiter weiter:

Er durchschritt das Siegestor, passierte die Universität. Aus den links liegenden, geistlicher Erziehung eingeräumten Gebäuden kamen in schwarzen Soutanen Theologiestudenten mit groben, stillen, bäurischen Köpfen. Ein uralter, lederhäutiger Professor des Kirchenrechts mit blicklosen Augen und totenschädelig eingeschrumpften Gesicht schlurfte zwischen den friedlich plätschernden Springbrunnen. Das war immer so gewesen, wird wohl noch eine Weile so bleiben und hatte etwas Beruhigendes. (Erfolg, S. 33)

Lion Feuchtwanger selbst hatte in der Münchner Universität nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Er promovierte dort 1907 mit einer Arbeit über Heinrich Heines Fragment Der Rabbi von Bacharach. Sein Professor trug ihm die Habilitation an – dafür hätte Feuchtwanger allerdings zum Katholizismus konvertieren müssen, was er ablehnte. Das zeigt den großen Einfluss der Kirche auf Bildung und Politik, die auch im Roman immer wieder Thema ist. Im Hintergrund wirkt beispielsweise als einer der „heimlichen Regenten“ Bayerns der Kardinalerzbischof von München. Damit ist Michael von Faulhaber gemeint, seit 1921 Kardinal.

 

Kardinal Michael von Faulhaber, Postkarte 1949 (c) Bayerische Staatsbibliothek / Bildarchiv

Hinter der Universität verläuft die Amalienstraße, nicht weit davon entfernt die Augustenstraße. In dieser Gegend ist die Wohnung der Künstlerin Anna Elisabeth Haider zu verorten, im Roman die Katherinenstraße 24. Mit der Malerin soll Krüger geschlafen haben, ihr Selbstporträt als Akt hatte einen Sittenskandal ausgelöst. Anna Elisabeth Haider begeht vor Prozessbeginn Selbstmord. Als Vorbild für diese Figur gilt Marieluise Fleißer. Fleißers Theaterstück Pioniere in Ingolstadt löste 1929 bei der Aufführung in Berlin einen der großen Theaterskandale der Weimarer Republik aus. Sie war mit Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht, die beide großen Einfluss auf ihr Schreiben nahmen, gut befreundet. Anna Elisabeth Haider und Marieluise Fleißer gleichen sich in ihren Beziehungen zu Männern aus Künstlerkreisen, ihrer schöpferischen Kraft und im Unverständnis und der Kritik, die ihrer Kunst und ihrer Lebensgestaltung aus dem spießbürgerlichen Umfeld entgegenschlägt.

 

Marieluise Fleißer auf einem Bühnenprogramm von 1977 (c) Archiv Monacensia

 

Folgen Sie der Ludwigstraße Richtung Odeonsplatz bis zur Bayerischen Staatsbibliothek. Auf dem Weg lohnt sich ein Blick nach rechts in die Schellingstraße. Bei der Hausnummer 50 befand sich die erste Parteizentrale der NSDAP, im Roman ist es das Sekretariat der Wahrhaft Deutschen.

 


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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Veronika Schöner