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Rochusstraße 6

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(c) Thomas Steierer

Die Rochusstraße zwischen Maximiliansplatz und Promenadeplatz, in der sich heute das Erzbischöfliche Ordinariat, aber kein Amt befindet, ist Schauplatz der ersten Blasius-Kolumne in der Abendzeitung „Irrwege auf dem Amtsweg“, vom 2. Dezember 1949. Darin schildert Sommer die kafkaesken und an Valentins Buchbinder Wanninger erinnernden Leiden der Bürger beim Behördenbesuch. „Im ersten Stock betritt er einen niederen Saal mit neun Schaltern, von denen aber nur zwei ihre Klappen hochgezogen haben wie Guillotinen, die nur darauf zu warten scheinen, dass ein biederer Antragsteller seinen Kopf ins Schalterfenster hineinsteckt, um ihn zu enthaupten“.

Ebenjener ganz besondere Grant ist Kennzeichen und Motivation der sich um Alltag und Ärgernisse der kleinen Leute drehenden, legendären, über fast 4 Jahrzehnte in der Abendzeitung erscheinenden Blasius-Kolumnen von Sigi Sommer: „Manche Kollegen brauchen vielleicht ein Kaffeesüpperl, wenn sie schreiben müssen. Ich brauch ein Ärgernis, um in druckreifen Groll zu kommen“.

Ein Grantler ist laut Sommer ein „seelischer Müllschlucker“, Granteln „der Ur- und Idealzustand des Münchners“. Er schreibt nicht gerne, so Sommer: „Ich schreibe auch sehr klein, damit mehr Bosheiten in einen Artikel hineingehen. Etwa tausend auf ein Kilo“.

Aber er schreibt, „weil ich muss. Erstens, damit der Schornstein raucht, und zweitens damit er auch gewissen anderen raucht. Denn der Journalist lebt nicht nur vom Honorar alleine“.

Vor allem beim Spaziergehen findet Sigi Sommer grimmige Inspiration, samt böser Vorahnung:

Wenn ich spazieren geh, bin ich vom Start weg grantig. Das Grantigsein ist meines Erachtens ein demokratisches Grundrecht des Münchners. Man hat nur leider vergessen, es gesetzlich zu verankern. [...] Wenn ich schließlich genug Ärger beisammen hab, bring ich ihn zu Papier, wie es bei den Gebildeten heißt. Und dann streicht mir der Redakteur – mit Faber Castell extra weich, damit‘s nicht gar so weh tut – zwei Drittel davon wieder weg. Und weil ich das schon von vornherein weiß, bin ich so grantig beim Spazierengehen.

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Thomas Steierer

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