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Fotografie einer Zeichnung, Dezember 1959 (Bayerische Staatsbibliothek/Porträtsammlung)

Bismarckplatz 7: Theater, Theater

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Das Theater Regensburg

Georg Brittings spätere Ehefrau Ingeborg leitet einen Band über Georg Brittings Zeit als Theaterkritiker mit den Worten ein: „In dieser Dokumentation geht es darum, den streitbaren jungen Regensburger Theaterkritiker ‚Tting.‘ vorzustellen, der […] insgesamt über hundert Rezensionen schrieb. An ihnen kann man das Werden und Reifen von Brittings Autorenschaft beobachten.“

Zunächst beginnt Britting 1911 ein Volontariat bei den politisch liberalen Regensburger Neuesten Nachrichten. Dort erscheinen ab dem 1. April 1911 Buchrezensionen, „zu denen er sich wohl vor allem deshalb bewegen ließ, weil sie seine kleine Bibliothek erweitern halfen“ (Ingeborg Britting). Wenig Monate darauf veröffentlicht er die Regensburger Stadtbilder, in denen er ausgewählte Orte – wie den Dom, den Römerturm, die Steinerne Brücke oder den Haidplatz – seiner Heimatstadt beschreibt. Britting versucht dabei, urteilt Schäfer, das Alte der Stadt Regensburg, das dem Neuen und Modernen trotzt, hervorzuheben. Später veröffentlicht Britting, unter dem Kürzel „Tting.“, in den Regensburger Neuesten Nachrichten auch seine Theaterkritiken. In diesen Kritiken demonstriert er seine Kenntnisse über die deutsche Klassik und Moderne. Ingeborg Schuld-Britting bemerkt dazu: „In der Art, wie er das Metier angeht, wirkt er rasch eigenständig, auch wenn ihm anfangs noch unbeholfene Formulierungen unterlaufen, die sich aber schnell verlieren.“ Als das Theater nach der Sommerpause seine Tore wieder öffnet, schreibt Britting:

Man sah sich ordentlich neugierig im Hause um, als man am Sonntag Abend zum erstenmale wieder das Theater betrat. Zwar war am Zuschauerraum nichts geändert worden, in gleicher Langeweile wie früher blickten die verschnörkelten Goldverzierungen der Decke auf den Saal hernieder und das dunkle Rot der Wandverkleidungen der Logen war während des Sommers auch nicht leuchtender geworden. […] Leise, unruhevolle Spannung liegt auf allen Gemütern! Das macht: es soll die erste Aufführung der Saison mit einem neuen Ensemble unter einem neuen Direktor stattfinden. Und da weiß man im voraus nie, wies werden wird!“

Brittings Kritik an den einzelnen Theaterstücken ist oft scharf, häufig an die einzelnen, vermeintlich untalentierten Schauspieler gerichtet, doch er lobt auch gute Leistungen auf der Bühne. Ein Schauspieler, über den er schrieb, er „spielte, wie er im ersten Akt angezogen war, mit falscher Vornehmheit“, beschwerte sich mit einem Leserbrief: „Die mir zuletztgelegte Geschmacklosigkeit habe ich nicht begangen. Ich habe zum Smoking im 1. Akt weder eine gelbe Weste, noch grüne Strümpfe getragen: sondern eine lichtgraue Weste und dunkellila Seidenstrümpfe“. Daraufhin revanchierte sich Britting und schrieb am nächsten Tag: „Zu dieser sonderbaren Berichtigung ist zu bemerken, dass auch eine lichtgraue Weste und lila Seidenstrümpfe nichts weniger als den Gipfel der Eleganz bedeuten.“ Britting hat jedoch nicht nur ein Auge auf das Theater Regensburgs und dessen Schauspieler, sondern ebenso auf seine Kollegen. Es gelingt ihm der Nachweis, dass eine Feuilleton-Redakteurin ihre Kritiken Wort für Wort aus dem Theater-Almanach abschreibt.

Doch das Theater stellt für Britting mehr als nur Objekt des Kritisierens dar: Am 27. März 1913 wird der von ihm verfasste Einakter-Zyklus An der Schwelle uraufgeführt. Die Stücke zeugen von einem Einfluss Arthur Schnitzlers und untersuchen den Moment vor einer Beziehung: jenen Moment, in dem ein Mann überlegt, ob er sich auf eine Frau einlässt oder nicht. Der erste Einakter Madame handelt von dem Dichter Aurelius, der sich heimlich in eine Frau verliebt und sie in seiner heimlichen Anbetung „zum Wundergefäß voll Reinheit, Heiligkeit und Tugend“ erhebt. Als sein Freund versucht, ihn vom wirklichen Wesen der Frauen zu überzeugen, wendet er sich von der heimlich Angebeteten ab, denn er „würde es nicht ertragen, sein Idol beschmutzt und zertrümmert zu sehen“. Die Theaterkritik der Regensburger Neuesten Nachrichten befindet die Aufführung als geistreich und mit geschmackvollen Bildern ausgestattet, sie „entbehrt der Würze kleiner Bosheiten gegen das schwache Geschlecht nicht.“

Der zweite Einakter des Dramen-Zyklus führt einen braven Mann, seine frivole Ehefrau und einen stillen Gelehrten als Personal. Der brave Ehemann liebt seine Frau sehr und vertraut ihr völlig. Diese „Durchschnittsware, die höchstens auf ihr bisschen Schönheit etwas hält“, versucht allerdings, ihren Mieter zu verführen. Als der ahnungslose Ehemann mit seinem Mieter über die Liebe zu seiner Frau und seinem Glück spricht, zieht sich der stille Gelehrte zurück – auf die Avancen der Ehefrau geht er nicht ein, denn „er kann das Glück des braven Mannes nicht zerstören um einer Episode, eines flüchtigen Genusses willen und überlässt das ‚Weibchen‘ einem anderen, der übrigens schon wartet.“ Auch dieses Stück wird in den Regensburger Neusten Nachrichten wohlwollend besprochen: „Der psychologische Entwicklungsvorgang ist bei sämtlichen Personen gut geschaut und mit klaren Strichen festgelegt, die Dialogbehandlung ist gut und konsequent.“ Nach dem zweiten Einakter überreichen Brittings Freunde ihm im Theater einen Lorbeerkranz, um seinen Erfolg zu feiern.

Das dritte und letzte Drama im Zyklus, Der törichte Jüngling, schildert ganz im Stile Arthur Schnitzlers, der in Regensburg gerne aufgeführt wird, die „Seelenvorgänge in einem Zwanzigjährigen“. Dieser liebt eine Varietésängerin, kurz vor dem „Erstlingsabenteuer“ lässt er sich von einem „mephistophelische[n] Schalk“ jedoch überzeugen, dass die Sängerin ihn nicht liebe und schweren Schaden an ihm nehmen würde. Daraufhin flüchtet der junge Mann.

Die Theaterkritik der Regensburger Neusten Nachrichten lobt den Verfasser: „Diese Konflikte umfassend und klar hinzustellen, ist naturgemäß nicht leicht. Wenn es dem Autor in großen Zügen doch gelang, sie einigermaßen plausibel erscheinen zu lassen, verdient er dafür wohl Anerkennung.“ Der Regensburger Anzeiger hingegen hegt Bedenken gegen das moderne Lustspiel, das „bekanntlich nur ein Sujet“ kenne. „Ein Dichter sendet darin ein keineswegs unzweideutiges oder zurückhaltendes Gedicht an eine unbekannte, ältere, verheiratete Dame und findet sich bei dieser undelikaten Art des Vorgehens real sehr interessant und ideal, ja schwärmerisch beanlagt und empfindlich gegen Enttäuschungen, Umwertungen aller Werte.“ Das zweite Stück und dessen dichterischer Konflikt finden im Regensburger Anzeiger gnädigere Aufnahme; der Autor sei ein „Nachfahre von Schnitzler“.

Zusammen mit einem Freund arbeitet Britting auch an einem Filmdrehbuch. In Dr. Usnochs Duell mit dem Verhüllten soll in Horror-Manier eine Rache-Story inklusive Mumie erzählt werden, „vielleicht mit jenem antiklerikalen Akzent, der auch sonst in B[ritting]s Regensburger Fehden begegnet“, vermutet Walter Schmitz in seinem Aufsatz Georg Britting und das Kino. Das Projekt wird allerdings nie realisiert.

 


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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Anna Keil

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