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Fotografie einer Zeichnung, Dezember 1959 (Bayerische Staatsbibliothek/Porträtsammlung)

Bismarckplatz: Erster Weltkrieg und danach

Im Jahr 1913 zieht Georg Britting aus dem Elternhaus in Regensburg aus, um an der Königlich Bayerischen Akademie für Landwirtschaft und Brauerei in Weihenstephan bei München zu studieren. Doch schon bald verlässt er die Akademie wieder: Im Juli 1914 hat Österreich-Ungarn dem Königreich Serbien den Krieg erklärt, Anfang August erklärt Deutschland zuerst Russland, dann Frankreich den Krieg, und am 10. August 1914 meldet sich Georg Britting als Freiwilliger zur Armee.

Rückblickend sieht Britting seine Teilnahme am Krieg als unvorstellbare, dumme Tapferkeit. Eugen Roth, ein späterer Freund Georg Brittings, zeichnet ein Gespräch über die frühere Teilnahme am ersten Weltkrieg bei dem Stammtisch „Unter den Fischen“ auf. Britting erzählt: „Die Freiwilligen glaubten einfach, unter allen Umständen vorgehen zu müssen.“ In der Denkschrift Wie ich zur „Liller“ kam für die Liller Kriegszeitung schreibt er im Februar 1917: „Als ich 1913 an der Münchener Hochschule eingeschrieben war, beschäftigte ich mich gar nicht mit meinem angeblichen Studium, aber mit allem, was mit Literatur zusammenhing. August 1914 habe ich mich (selbstverständlich!) als Kriegsfreiwilliger gemeldet, wurde schon im November verwundet“.  Während des Krieges wird er von einem Schrapnell getroffen und unter anderem an der Hand so schwer verletzt, dass sie zeitlebens nur bedingt einsetzbar bleibt. Im Lazarett „schnitt ein jüdischer Stabsarzt den Finger über einem Mülleimer voller Gliedmaßen ab“ so erzählt Britting es seinem Freund Eugen Roth bei dem Stammtisch-Gespräch weiter. Danach kann Britting in ein Lazarett in Regensburg – eines befand sich hier am Bismarckplatz – umsiedeln.

Weltkriegs-Lazarett in Regensburg (Fred Wiegand/Europeana)

Doch auch während des Krieges publiziert Britting weiter. Er schreibt schon damals für die Liller Kriegszeitung: „Die ‚Liller‘ lese ich […] schon seit 1915. Juni 1916 (bei Lens war´s) schrieb ich, auf dem Bauch auf der Schützenbank liegend, mein erstes Gedicht für die ‚Liller‘.“ Ein Kamerad von Britting, Josef Michtl, erinnert sich in dem Artikel Britting – wie ihn Regensburger sahen in der Mittelbayerischen Zeitung an die gemeinsame Zeit im Krieg: „Wir versuchten, auch im Feld immer literarisch auf dem laufenden zu bleiben, und Britting brachte auch die ersten Werke expressionistischer Lyrik angeschleppt“.

Im Frühjahr 1919 wird Georg Britting nach einem Lazarettaufenthalt wieder entlassen. Er versucht nun „eine kleine Position im Kulturbetrieb der Nachkriegszeit zu gewinnen“, so Dietrich Bode. Vorherrschend ist zu dieser Zeit der Expressionismus, der nach Kriegsende noch einmal neuen Aufwind bekommt – Britting orientiert sich daran. Er freundet sich mit Josef Achmann, einem expressionistischen Künstler, an. Auch mit den Werken der Dichter Georg Trakl und Georg Heym kommt Britting in seiner Auseinandersetzung mit dem Neuen, dem Expressionismus, in Berührung. Anlässlich der Regensburger Aufführung von Brittings Theaterstück Paula und Bianca beschreibt ein Kritiker das Verhältnis Brittings zu jener Kriegsgeneration der expressionistischen Autoren:

Es sind die, deren Leben der Krieg mitten auseinander riss. Wie eine blutrote Zäsur schied das Kriegserlebnis den Jüngling vom Mann. Wie ein giftiges Maul fraß es die Jahre aus ihrem Leben, in denen Eigenart im Menschen sich zu formen beginnt[…], in denen Eigenart und Können sich durchzusetzen gewillt sind. Für den Künstler also eminent wichtige Jahre. Alle diese engeren Zeitgenossen Brittings erfuhren das unvermittelt in ihren Entwicklungsorganismus eintretende Kriegserlebnis sowohl als Hemmung als auch als aufgedrängte Umformung. Das ist bestimmend für ihre Eigenart, ist bestimmend für ihre Stellung in der Literatur: sie sind die Generation derer, die keine eigentlichen Zeitgenossen haben. […] Der Krieg nahm ihnen die Zeit weg, in denen sich andere durchzusetzen beginnen und als sie nach dem Kriege und in und nach den Aufregungen der Revolutionsjahre sich durchzusetzen versuchten, kam schon die nächste Generation derjenigen, die den Krieg noch als Knaben und Jünglinge erlebten und nun die Literatur mit einem mehr lauten als edlen Geschrei einer neuen Jugend erfüllten. Für diese sind Leute wie Britting zu alt, zu wissend, zu geformt. Für die Alten aber, die einen gewissen gewachsenen Konservativismus nicht mehr ablegen können, waren sie ebenso unverständlich wie heute die Jüngsten.

Nach dem Krieg, während der Rätezeit in Regensburg, beteiligt sich Britting am Arbeiter- und Soldatenrat. In einem Brief von 1919 bekennt Britting zwar: „Politisch bin ich persönlich Anarchist, der Partei nach Mehrheitssozialist. Im Übrigen möchte ich mei Ruah haben, anständige Verpflegung und für mich arbeiten können. Im tiefsten Grund meines Herzens ist mir aber Politik sauwurscht.“ Trotzdem besetzt Britting zusammen mit dem Journalisten Georg Wolf das Redaktionsbüro des Regensburger Anzeigers, dem man antidemokratische Propaganda und damit eine volksverhetzende Schreibweise vorwirft.

 


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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Anna Keil

Externe Links:

Foto-Serie von Fred Wiegand in der Europeana

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