Bayreuth: Stadtfriedhof
Vom Tode des Sohnes an kränkelt Jean Paul. 1823 beginnt sein Augenleiden. Im Herbst 1825 verbietet ihm der Arzt den Alkoholkonsum, da der Dichter an der Brustwassersucht leidet, bei der sich Flüssigkeit im Brustraum ansammelt. Zuletzt erblindet Jean Paul völlig. Er arbeitet noch, diktierend, an seinem letzten Tag an der Ausgabe seiner Gesammelten Schriften. Am 14. November 1825 stirbt er in Bayreuth in der Friedrichstraße 5, angeblich mit den Worten auf den Lippen: „Wir wollen’s gehen lassen.“
Jean Pauls Begräbnis 1825 ähnelt, wie die Rollwenzelin später berichtet, dem eines Markgrafen. Als Jean Paul auf dem Stadtfriedhof beerdigt wird, läuten alle Glocken der Stadt. Viele Bayreuther, Lehrer und Schüler sowie die Vertreter der Ämter und Behörden ehren mit einem langen Trauerzug ihren angesehenen Bürger, der neben seinem Sohn Max in die Erde gesenkt wird (Grab Nr. A2c/Nr. 0989). Laut Philipp Hausser, dem Gründer des Bayreuther Jean-Paul-Museums, berichtet ein Augenzeuge: „Sechzig Fackeln, von Gymnasiasten und Lyceisten getragen, sowie Laternen und Pechpfannen erleuchteten das Dunkel. Auf das Kreuz, den Stadtkantor mit den Alumnen und die Trauermusik folgte, von zwei Fackelträgern begleitet, ein Elementarschüler mit der Levana; ein Gymnasiast trug die Vorschule der Ästhetik.“
Einige Tage später hält Ludwig Börne in Frankfurt seine berühmte Denkrede auf Jean Paul: „Wir wollen trauern um ihn, den wir verloren, und um die andern, die ihn nicht verloren. Nicht allen hat er gelebt! Aber eine Zeit wird kommen, da wird er allen geboren, und alle werden ihn beweinen. Er aber steht geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme. […] Fragt ihr: wo er geboren, wo er gelebt, wo seine Asche ruhe? Vom Himmel ist er gekommen, auf der Erde hat er gewohnt, unser Herz ist sein Grab.“ Die Verbindung ist von Börne passend gewählt, denn tatsächlich spielen überraschend viele Liebesszenen bei Jean Paul auf Friedhöfen.
In der Erzählung Schulmeisterlein Maria Wutz schildert Jean Paul das Sterben des Protagonisten:
Der Sterbende – er wird kaum diesen Namen lange mehr haben – schlug zwei lodernde Augen auf und sah mich lange an, um mich zu kennen. Ihm hatte geträumt, er schwankte als ein Kind sich auf einem Lilienbeete, das unter ihm aufgewallet – dieses wäre zu einer emporgehobnen Rosen-Wolke zusammengeflossen, die mit ihm durch goldne Morgenröten und über rauchende Blumenfelder weggezogen – die Sonne hätte mit einem weißen Mädchen-Angesicht ihn angelächelt und angeleuchtet und wäre endlich in Gestalt eines von Strahlen umflognen Mädchens seiner Wolke zugesunken und er hätte sich geängstigt, daß er den linken gelähmten Arm nicht um und an sie bringen können. – Darüber wurd' er wach aus seinem letzten oder vielmehr vorletzten Traum; denn auf den langen Traum des Lebens sind die kleinen bunten Träume der Nacht wie Phantasieblumen gestickt und gezeichnet.
Der Lebensstrom nach seinem Kopfe wurde immer schneller und breiter: er glaubte immer wieder, verjüngt zu sein; den Mond hielt er für die bewölkte Sonne; es kam ihm vor, er sei ein fliegender Taufengel, unter einem Regenbogen an eine Dotterblumen-Kette ausgehangen, im unendlichen Bogen auf- und niederwogend, von der vierjährigen Ringgeberin über Abgründe zur Sonne aufgeschaukelt … Gegen 4 Uhr morgens konnte er uns nicht mehr sehen, obgleich die Morgenröte schon in der Stube war – die Augen blickten versteinert vor sich hin – eine Gesichtzuckung kam auf die andre – den Mund zog eine Entzückung immer lächelnder auseinander – Frühling-Phantasien, die weder dieses Leben erfahren, noch jenes haben wird, spielten mit der sinkenden Seele – endlich stürzte der Todesengel den blassen Leichenschleier auf sein Angesicht und hob hinter ihm die blühende Seele mit ihren tiefsten Wurzeln aus dem körperlichen Treibkasten voll organisierter Erde … Das Sterben ist erhaben; hinter schwarzen Vorhängen tut der einsame Tod das stille Wunder und arbeitet für die andre Welt, und die Sterblichen stehen da mit nassen, aber stumpfen Augen neben der überirdischen Szene …
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Vom Tode des Sohnes an kränkelt Jean Paul. 1823 beginnt sein Augenleiden. Im Herbst 1825 verbietet ihm der Arzt den Alkoholkonsum, da der Dichter an der Brustwassersucht leidet, bei der sich Flüssigkeit im Brustraum ansammelt. Zuletzt erblindet Jean Paul völlig. Er arbeitet noch, diktierend, an seinem letzten Tag an der Ausgabe seiner Gesammelten Schriften. Am 14. November 1825 stirbt er in Bayreuth in der Friedrichstraße 5, angeblich mit den Worten auf den Lippen: „Wir wollen’s gehen lassen.“
Jean Pauls Begräbnis 1825 ähnelt, wie die Rollwenzelin später berichtet, dem eines Markgrafen. Als Jean Paul auf dem Stadtfriedhof beerdigt wird, läuten alle Glocken der Stadt. Viele Bayreuther, Lehrer und Schüler sowie die Vertreter der Ämter und Behörden ehren mit einem langen Trauerzug ihren angesehenen Bürger, der neben seinem Sohn Max in die Erde gesenkt wird (Grab Nr. A2c/Nr. 0989). Laut Philipp Hausser, dem Gründer des Bayreuther Jean-Paul-Museums, berichtet ein Augenzeuge: „Sechzig Fackeln, von Gymnasiasten und Lyceisten getragen, sowie Laternen und Pechpfannen erleuchteten das Dunkel. Auf das Kreuz, den Stadtkantor mit den Alumnen und die Trauermusik folgte, von zwei Fackelträgern begleitet, ein Elementarschüler mit der Levana; ein Gymnasiast trug die Vorschule der Ästhetik.“
Einige Tage später hält Ludwig Börne in Frankfurt seine berühmte Denkrede auf Jean Paul: „Wir wollen trauern um ihn, den wir verloren, und um die andern, die ihn nicht verloren. Nicht allen hat er gelebt! Aber eine Zeit wird kommen, da wird er allen geboren, und alle werden ihn beweinen. Er aber steht geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme. […] Fragt ihr: wo er geboren, wo er gelebt, wo seine Asche ruhe? Vom Himmel ist er gekommen, auf der Erde hat er gewohnt, unser Herz ist sein Grab.“ Die Verbindung ist von Börne passend gewählt, denn tatsächlich spielen überraschend viele Liebesszenen bei Jean Paul auf Friedhöfen.
In der Erzählung Schulmeisterlein Maria Wutz schildert Jean Paul das Sterben des Protagonisten:
Der Sterbende – er wird kaum diesen Namen lange mehr haben – schlug zwei lodernde Augen auf und sah mich lange an, um mich zu kennen. Ihm hatte geträumt, er schwankte als ein Kind sich auf einem Lilienbeete, das unter ihm aufgewallet – dieses wäre zu einer emporgehobnen Rosen-Wolke zusammengeflossen, die mit ihm durch goldne Morgenröten und über rauchende Blumenfelder weggezogen – die Sonne hätte mit einem weißen Mädchen-Angesicht ihn angelächelt und angeleuchtet und wäre endlich in Gestalt eines von Strahlen umflognen Mädchens seiner Wolke zugesunken und er hätte sich geängstigt, daß er den linken gelähmten Arm nicht um und an sie bringen können. – Darüber wurd' er wach aus seinem letzten oder vielmehr vorletzten Traum; denn auf den langen Traum des Lebens sind die kleinen bunten Träume der Nacht wie Phantasieblumen gestickt und gezeichnet.
Der Lebensstrom nach seinem Kopfe wurde immer schneller und breiter: er glaubte immer wieder, verjüngt zu sein; den Mond hielt er für die bewölkte Sonne; es kam ihm vor, er sei ein fliegender Taufengel, unter einem Regenbogen an eine Dotterblumen-Kette ausgehangen, im unendlichen Bogen auf- und niederwogend, von der vierjährigen Ringgeberin über Abgründe zur Sonne aufgeschaukelt … Gegen 4 Uhr morgens konnte er uns nicht mehr sehen, obgleich die Morgenröte schon in der Stube war – die Augen blickten versteinert vor sich hin – eine Gesichtzuckung kam auf die andre – den Mund zog eine Entzückung immer lächelnder auseinander – Frühling-Phantasien, die weder dieses Leben erfahren, noch jenes haben wird, spielten mit der sinkenden Seele – endlich stürzte der Todesengel den blassen Leichenschleier auf sein Angesicht und hob hinter ihm die blühende Seele mit ihren tiefsten Wurzeln aus dem körperlichen Treibkasten voll organisierter Erde … Das Sterben ist erhaben; hinter schwarzen Vorhängen tut der einsame Tod das stille Wunder und arbeitet für die andre Welt, und die Sterblichen stehen da mit nassen, aber stumpfen Augen neben der überirdischen Szene …
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