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Jean Paul und Bayreuth

Bayreuth – damals noch „Baireuth“ – ist Johann Paul Friedrich Richter schon seit Kindheitstagen ein Begriff, da sein Vater wiederholt Ausgaben der Baireuther Zeitung für seinen lesehungrigen Sohn mitbringt. Erstmals mit eigenen Augen sieht der junge Richter die Stadt im Jahr 1781, als er zur Zulassungsprüfung fürs Studium dorthin reitet. Die Anreise per Pferd ist für angehende Studenten Pflicht. Glaubt man den Legenden und einer Szene in dem Roman Flegeljahre (1805), hat sie jedoch weder dem Gaul noch dem Reiter behagt:

Es war des Universalerben erster Ritt in seinem Leben. Veronika – die ihm den ganzen Morgen Lebensregeln für Eröffnung und Erfüllung des Testaments vorgezeichnet hatte – zerrete den Schimmel am langen Zügel aus dem Stall. Walt sollte hinauf. [...]

Der Notar hatte den Tag vorher den Gaul an eine seiner Gehirnwände festgebunden und – wie die rechte Seite des Konvents und des Rheins – sich immer die linke vorgestellt, um daran aufzusteigen; – in alle Stellungen hatt' er in seinen vier Gehirnkammern das Schulroß gedreht, geschwind es links bestiegen und so sich selber völlig zugeritten für den Gaul. Dieser wurde gebracht und gewandt. Gottwalts Auge blieb fest an den linken Steigbügel gepicht – aber sein Ich wurd' ihm unter den Händen zu groß für sein Ich – seine Tränen zu dunkel für sein Auge – er besteige, merkt' er, mehr einen Thron als einen Sattel – die linke Roß-Seite hielt er noch fest; nur kam jetzt die neue Aufgabe, wie er die eigne linke so damit verknüpfen könnte, daß beide die Gesichter vorwärts kehrten. –

Wozu die teuflische Qual! Er probierte, wie ein preußischer Kavallerist, rechts aufzuspringen. Pfiffen Leute wie Vult und der Wirt seine Probe aus, so zeigten sie weiter nichts, als daß sie nie gesehen hatten, wie emsig preußische Kavalleristen auf dem rechten Bügel aufsitzen lernen, um gesattelt zu sein, falls einmal der linke entzweigeschossen wird. [...]

An letztern wollte der gesetzte Schimmel nicht gerne gehen. Walts delikates Rückwärtsschnalzen mit der Gerte war dem Gaule so viel, als wichse man ihn mit einem Pferde-Haar. Ein paar mütterliche Handschläge auf den Nacken nahm er für Streicheln. Endlich kehrte der Gerichtsmann eine Heugabel um und gab ihm mit dem Stiel auf den Hinterbacken einen schwachen Ritterschlag, um damit seinen Sohn als Reiter aus dem Dorfe in die Welt zu schicken, sowohl in die gelehrte als schöne. Das war dem Tier ein Wink, bis an den Bach vorzuschreiten; hier stand es vor dem Bilde des Reiters fest, kredenzte den Spiegel, und als der Notar droben mit unsäglicher Systole und Diastole der Füße und Bügel arbeitete, weil das halbe Dorf lachte und der Wirt ohnehin, glaubte der Harttraber seinen Irrtum des Stehens einzusehen und trug Walten von der Tränke wieder vor die Stalltüre hin, stört' aber die Rührungen des Reiters bedeutend.

Während der unsteten 1780er und 1790er Jahre avanciert Bayreuth beinahe zum Sehnsuchtsort. In Bayreuth fühlt sich Jean Paul nicht verkannt wie in Hof, außerdem lebt dort Emanuel [Osmund], den er 1793 kennenlernt und sofort in sein Herz schließt. 1799 schreibt er an Christian Otto: „Höre, ich lasse den Gedanken mehrmals sich zu mir auf den Schoos sezen, daß ich mit C. [gemeint ist Karoline von Feuchtersleben] ja nach Bayreuth ziehen könte und du mit – Höre, höre! Die Gegend und das Bier und die Wohlfeile ziehen; so sehr das enge Volk abstösset.“

Christian Otto übersiedelt kurze Zeit später tatsächlich nach Bayreuth, womit die Stadt für Jean Paul deutlich an Reiz gewinnt. Vier Jahre später ist es soweit: Am 12. August 1804 bezieht die noch vier-, bald fünfköpfige Familie Richter eine Wohnung in der Bayreuther Maximilianstraße. Den rechten Platz finden die Richters jedoch erst 1813, nach mehrfachen Wohnungswechseln, in der Friedrichstraße 384 (heute Nr. 5). Nur wenige Meter weiter, heute Friedrichstraße 10, wohnt Emanuel.

Da die Ehe kriselt und die drei Kinder Aufmerksamkeit verlangen, flieht Jean Paul zum Schreiben oft aus der Wohnung, später meist in die Rollwenzelei. Die Werke dieser Jahre erregen weniger Aufsehen als Hesperus (1795) oder Titan (1800), auch weil sie politischer und philosophischer geprägt sind. Als Jean Paul 1825 in Bayreuth stirbt, bleiben mehrere Bücher als Fragmente zurück: die Romane Selina (1827) und Der Komet (1820) sowie die Autobiografie Selberlebensbeschreibung.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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