Jean Paul und Wunsiedel
In Wunsiedel wird Jean Paul als Johann Paul Friedrich Richter im März 1763 geboren. Die Familie lebt jedoch kaum zwei Jahre dort, da erhält der Vater Johann Christian Christoph Richter im April 1765 die Pfarre in Joditz bei Hof zugesprochen; wenige Monate später zieht die mittlerweile vierköpfige – im Oktober 1764 wurde der zweite Sohn Johann Adam Christian geboren – Familie um. Berühmt wird Jean Pauls Wunsiedel-Lob in der Selberlebensbeschreibung: „Ich bin gern in dir geboren, kleine, aber gute lichte Stadt!“, das an die aufklärerische Tradition der Stadt gemahnt.
In Jean Pauls Werk fällt der Name „Wonsiedel (unrichtiger Wunsiedel)“ mehrmals. In der fiktiven Reisebeschreibung Palingenesien (1798) etwa zitiert er seine Lieblingsfigur Leibgeber und dessen „Kursus durch Europa“, in dem auch Wunsiedel erwähnt wird. Im Angesicht der kleinen, lichten Stadt habe Leibgeber gefordert: „Liefert Biographen“. In der zugehörigen Fußnote erklärt Jean Paul diesen Ortsbezug einer seiner Figuren mit der eigenen Geburt: „Er sagt es, weil ich da das Gesellschaftsspiel des Erdenlebens [...] anfing.“
Im November 1801 kündigt der Schriftsteller in einem Brief an Christian Otto eine „antiquarische Reise durch alle Wiegenbretter meiner Vorzeit“ an: „Auf Neustadt und Wonsiedel freuet sich lechzend mein Herz.“ Gut ein Jahr später schreibt er an Emanuel: „Froher kan der Mensch nicht sein als in Wonsiedel, wenn auch klüger“. Damit wird er recht behalten, denn als das preußische Königspaar eine Besichtigung des Wunsiedler Felsenlabyrinths Luxburg (danach: Luisenburg) im Jahr 1805 ankündigt, sieht Jean Paul seine Chance gekommen, endlich persönlich um finanzielle Unterstützung zu werben, und verfasst deshalb das Festspiel Wechselgesang der Oreaden und Najaden – offensichtlich kein Glücksgriff: Helmut Pfotenhauer spricht in seiner Jean-Paul-Biografie von der „Verständnislosigkeit“ des Königspaars angesichts der Darbietung, und auch Bernhard Setzwein urteilt in seinem Jean-Paul-Abecedarium: „Man muß dieses Weihestück wahrlich nicht kennen“. Literarische Lobhudeleien und Ehrerweisungen sind Jean Pauls Sache offensichtlich nicht.
In der Selberlebensbeschreibung erinnert sich Jean Paul an die frühesten Jahre in Wunsiedel:
Ich bin zu meiner Freude imstande, aus meinem zwölf-, wenigstens vierzehnmonatlichen Alter eine bleiche kleine Erinnerung, gleichsam das erste geistige Schneeglöckchen aus dem dunkeln Erdboden der Kindheit noch aufzuheben. Ich erinnere mich nämlich noch, daß ein armer Schüler mich sehr liebgehabt und ich ihn und daß er mich immer auf den Armen – was angenehmer ist als oft später auf den Händen – getragen und daß er mir in einer großen schwarzen Stube der Alumnen Milch zu essen gegeben. Sein fernes nachdunkelndes Bild und sein Lieben schwebte mir über spätere Jahre herein; leider weiß ich seinen Namen längst nicht mehr; aber da es doch möglich wäre, daß er noch lebte hoch in den Sechzigern und als vielseitiger Gelehrter diese Vorlesungen in Druck vorbekäme und sich dann eines kleinen Professors erinnerte, den er getragen und geküßt – – ach Gott, wenn dies wäre und er schriebe oder der ältere Mann zum alten käme! – Dieses Morgensternchen frühester Erinnerung stand in den Knabenjahren noch ziemlich hell in seinem niedrigen Himmel, erblaßte aber immer mehr, je höher das Taglicht des Lebens stieg; – und eigentlich erinnere ich mich nur dies klar, daß ich mich früher von allem heller erinnert.
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In Wunsiedel wird Jean Paul als Johann Paul Friedrich Richter im März 1763 geboren. Die Familie lebt jedoch kaum zwei Jahre dort, da erhält der Vater Johann Christian Christoph Richter im April 1765 die Pfarre in Joditz bei Hof zugesprochen; wenige Monate später zieht die mittlerweile vierköpfige – im Oktober 1764 wurde der zweite Sohn Johann Adam Christian geboren – Familie um. Berühmt wird Jean Pauls Wunsiedel-Lob in der Selberlebensbeschreibung: „Ich bin gern in dir geboren, kleine, aber gute lichte Stadt!“, das an die aufklärerische Tradition der Stadt gemahnt.
In Jean Pauls Werk fällt der Name „Wonsiedel (unrichtiger Wunsiedel)“ mehrmals. In der fiktiven Reisebeschreibung Palingenesien (1798) etwa zitiert er seine Lieblingsfigur Leibgeber und dessen „Kursus durch Europa“, in dem auch Wunsiedel erwähnt wird. Im Angesicht der kleinen, lichten Stadt habe Leibgeber gefordert: „Liefert Biographen“. In der zugehörigen Fußnote erklärt Jean Paul diesen Ortsbezug einer seiner Figuren mit der eigenen Geburt: „Er sagt es, weil ich da das Gesellschaftsspiel des Erdenlebens [...] anfing.“
Im November 1801 kündigt der Schriftsteller in einem Brief an Christian Otto eine „antiquarische Reise durch alle Wiegenbretter meiner Vorzeit“ an: „Auf Neustadt und Wonsiedel freuet sich lechzend mein Herz.“ Gut ein Jahr später schreibt er an Emanuel: „Froher kan der Mensch nicht sein als in Wonsiedel, wenn auch klüger“. Damit wird er recht behalten, denn als das preußische Königspaar eine Besichtigung des Wunsiedler Felsenlabyrinths Luxburg (danach: Luisenburg) im Jahr 1805 ankündigt, sieht Jean Paul seine Chance gekommen, endlich persönlich um finanzielle Unterstützung zu werben, und verfasst deshalb das Festspiel Wechselgesang der Oreaden und Najaden – offensichtlich kein Glücksgriff: Helmut Pfotenhauer spricht in seiner Jean-Paul-Biografie von der „Verständnislosigkeit“ des Königspaars angesichts der Darbietung, und auch Bernhard Setzwein urteilt in seinem Jean-Paul-Abecedarium: „Man muß dieses Weihestück wahrlich nicht kennen“. Literarische Lobhudeleien und Ehrerweisungen sind Jean Pauls Sache offensichtlich nicht.
In der Selberlebensbeschreibung erinnert sich Jean Paul an die frühesten Jahre in Wunsiedel:
Ich bin zu meiner Freude imstande, aus meinem zwölf-, wenigstens vierzehnmonatlichen Alter eine bleiche kleine Erinnerung, gleichsam das erste geistige Schneeglöckchen aus dem dunkeln Erdboden der Kindheit noch aufzuheben. Ich erinnere mich nämlich noch, daß ein armer Schüler mich sehr liebgehabt und ich ihn und daß er mich immer auf den Armen – was angenehmer ist als oft später auf den Händen – getragen und daß er mir in einer großen schwarzen Stube der Alumnen Milch zu essen gegeben. Sein fernes nachdunkelndes Bild und sein Lieben schwebte mir über spätere Jahre herein; leider weiß ich seinen Namen längst nicht mehr; aber da es doch möglich wäre, daß er noch lebte hoch in den Sechzigern und als vielseitiger Gelehrter diese Vorlesungen in Druck vorbekäme und sich dann eines kleinen Professors erinnerte, den er getragen und geküßt – – ach Gott, wenn dies wäre und er schriebe oder der ältere Mann zum alten käme! – Dieses Morgensternchen frühester Erinnerung stand in den Knabenjahren noch ziemlich hell in seinem niedrigen Himmel, erblaßte aber immer mehr, je höher das Taglicht des Lebens stieg; – und eigentlich erinnere ich mich nur dies klar, daß ich mich früher von allem heller erinnert.
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