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Schwarzenbach: Pfarrhaus und Kirche

Die Familie Richter verdankt den beruflichen Aufstieg des Vaters der Tatsache, dass der Schwarzenbacher Pastor Barnickel im März 1775 „endlich“ stirbt, wie es in der Selberlebensbeschreibung heißt. „Die Pfarrstelle, welche der Fürst von Reuß und die Frau von Bodenhausen wechselnd besetzten, bekam diesesmal die Gönnerin Richters in die Hand, welche sich lange und unverhohlen auf die Gelegenheit gefreuet, den guten uneigennützigen heitern und verarmenden Pfarrer zu erretten und zu belohnen.“

Die neue Stelle ist nicht nur höher dotiert, sondern geht auch mit einer Verbesserung der Wohnverhältnisse einher. Noch in der Selberlebensbeschreibung gibt sich Jean Paul beeindruckt von der neuen Fülle: „Schwarzenbach an der Saale hatte freilich viel – einen Pfarrer und einen Kaplan – einen Rektor und einen Kantor – ein Pfarrhaus voll kleiner und zwei großer Stuben – diesem gegenüber zwei große Brücken mit der dazugehörigen Saale – und gleich daneben das Schulhaus so groß (wohl größer) wie das ganze Joditzer Pfarrhaus – und unter den Häusern noch ein Rathaus, nicht einmal gerechnet das lange leere Schloß.“

Der Platzgewinn für die Familie verschafft auch dem jungen Fritz Richter einen Freiraum, den er vor allem mit Lesen füllt – und zwar immer und überall. Sein Lieblingsbuch ist Robinson Crusoe, und das legt er selbst in der Kirche, während einer Predigt des Vaters, nicht aus der Hand. Er sucht sich eine leere Empore und liest – „bäuchlings“ – darin. Nachmittags wird er zudem von dem Kollegen des Vaters, dem Kaplan Völkel, unterrichtet.

Die Freude währt allerdings nur drei Jahre, da Johann Christian Christoph Richter im April 1779 plötzlich verstirbt und seine Witwe mit ihren Söhnen aus dem Pfarrhaus ausziehen muss, um Platz für den Nachfolger zu machen. Zurück bleibt ein Türriegel mit den eingeschnitzten Initialen J.P.F.R., der noch heute im Pfarrhaus zu sehen ist.

Der junge Fritz Richter wird während der Zeit in Schwarzenbach nicht nur im Kantorat, sondern auch von einem Kollegen des Vaters unterrichtet. In der Selberlebensbeschreibung erzählt Jean Paul:

Kurz darauf bat der junge Kaplan Völkel sich vom Vater den Jungen auf tägliche zwei Stunden nach dem Essen aus, um allerlei aus Philosophie und Geographie mir beizubringen. Wodurch ich ihm, den kein besonderes Erziehtalent anfeuerte, bei meiner dörfischen Unbehülflichkeit so wert bis zum Aufopfern seiner Ruhezeit geworden, weiß ich nicht.

In der Philosophie las er oder eigentlich ich ihm vor die Weltweisheit von Gottsched, welche mich bei aller Trockenheit und Leerheit doch wie frisches Wasser erquickte durch die Neuheit. Darauf zeigte er mir auf einer Landkarte – ich glaube von Deutschland – viele Städte und Grenzen; was ich aber davon behalten, weiß ich nicht und such' es bis heute vergeblich in meinem Gedächtnis. Ich getraue mir zu beweisen, daß ich unter allen jetzt lebenden Schriftstellern vielleicht der bin - was freilich stark klingt – welcher von Landkarten – das wenigste versteht. [...]

Desto mehr dank' ich dem guten Kaplane für seine Anleitung zum deutschen Stil, welche in nichts bestand als in einer Anleitung zur sogenannten natürlichen Theologie. Er gab mir nämlich den Beweis ohne Bibel zu führen auf, z. B. daß ein Gott sei oder eine Vorsehung u. s. w. Dazu erhielt ich ein Oktavblättchen, worauf nur mit unausgeschriebnen Sätzen, ja mit einzelnen Worten durch Gedankenstriche auseinandergehalten die Beweise und Andeutungen aus Nösselt und Jerusalem oder andern standen. Diese verzifferten Andeutungen wurden mir erklärt; und aus diesem Blatt entfalteten sich, wie nach Goethens botanischen Glauben, meine Blätter. Mit Wärme fing ich jeden Aufsatz an, mit Lohe hört' ich auf; denn immer kamen in das Ende das Ende der Welt, des Lebens, die Freuden des Himmels und all das Übermaß, das der jungen Rebe in ihrem warmen Frühling entquillt und das erst im Herbste zu etwas Geistigen zeitigt.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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