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Jean Paul und Schwarzenbach an der Saale

Im Januar 1776 zieht die Familie Richter nach Schwarzenbach an der Saale, da der Vater als Pastor dorthin berufen wird. Der bald 13-jährige Fritz Richter besucht nun erstmals dauerhaft die Schule. Der Unterricht im Kantorat erweist sich als Gegenteil der väterlichen Lehrstunden in Joditz: Rektor Werner verlangt von seinen Schülern nur Grundkenntnisse des Hebräischen, Lateinischen und Griechischen und lässt sie dann „ohne weiteren Aufenthalt bei der Grammatik“ große Literatur übersetzen. Auch fürs Gefühl bleibt Zeit: Von einer Mitschülerin stibitzt sich der junge Richter seinen ersten Kuss.

Zudem nimmt sich ein Kollege des Vaters, der Kaplan Samuel Völkel, des Jungen an, um ihn Geografie und Rhetorik zu lehren. Ersteres fruchtet nicht, wie Jean Paul in der Selberlebensbeschreibung berichtet; Letzteres dafür umso mehr. Auch die Freundschaft zu dem Rehauer Pfarrer Erhard Friedrich Vogel entsteht in dieser Zeit. Aus den Exzerpten, die Richter in Vogels Bibliothek anfertigt, entsteht sein erstes eigenes Buch. Er lässt die Notizen binden und ein professionelles Titelblatt erstellen: Verschiedenes, aus den neuesten Schriften. Erster Band, Schwarzenbach an der Saal, 1778.

Nach den Jahren in Hof und Leipzig kehrt Richter für den ersten eigenen Verdienst nach Schwarzenbach zurück: Im Jahr 1790 engagieren ihn befreundete Familien als Hofmeister für ihre Kinder. Vor und nach dem durchweg ungewöhnlichen Unterricht, der die praktische Grundlage seiner Erziehlehre Levana bildet, schreibt Richter - und zwar in einem unglaublichen Tempo: 1790/1 entsteht die Erzählung Schulmeisterlein Maria Wutz, 1791/2 der Roman Die unsichtbare Loge, 1792-1794 der Roman Hesperus. Von alledem weiß die Selberlebensbeschreibung nichts, denn sie bricht ab, bevor die Literatur beginnt und sich Johann Paul Friedrich Richter als Autor „Jean Paul“ erfindet. 1794 endet seine Stelle als Lehrer, er zieht zur Mutter nach Hof.

Aktuelle Ansicht von Schwarzenbach (c) Dietmar Herrmann/Fichtelgebirgsverein

In der Selberlebensbeschreibung heißt es:

Glauben Sie wohl, meine Zuhörer, daß Paul aus dem ganzen Aufpacken und Ausziehen und Fortziehen und Einziehen nichts im Gedächtnis behalten, keinen Abschied weder der Eltern noch der Kinder, keinen Gegenstand auf einem Wege von zwei Meilen, bloß den schon erwähnten Schneiders-Sohn ausgenommen, welchem er die Rußzeichnungen einiger Könige für seine Geliebte in die Tasche gesteckt? – Aber so ist Kind- und Knabenheit; sie behält Kleinstes, sie vergißt Größtes, man weiß bei beidem selten warum. Abschiede behält ohnehin die immer unten und oben und überall hinauswollende Kindheit weniger als Ankunft; denn ein Kind verläßt zehnmal leichter die langgewohnten Verhältnisse als die kurzgewohnten und erst im Manne erscheint gerade das Umgekehrte der Berechnung. Für Kinder gibt es kaum Abschiede; denn sie kennen keine Vergangenheit, sondern nur eine Gegenwart voll Zukunft.

Schwarzenbach an der Saale hatte freilich viel – einen Pfarrer und einen Kaplan – einen Rektor und einen Kantor – ein Pfarrhaus voll kleiner und zwei großer Stuben – diesem gegenüber zwei große Brücken mit der dazugehörigen Saale – und gleich daneben das Schulhaus so groß (wohl größer) wie das ganze Joditzer Pfarrhaus – und unter den Häusern noch ein Rathaus, nicht einmal gerechnet das lange leere Schloß.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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