Holbeinstraße 5: Brittings Junggesellenwohnung
Britting lebt 14 Jahre als Untermieter in einem möblierten Zimmer in der Holbeinstraße 5, das er gerne in studentischem Jargon auch seine „Bude“ nennt. Curt Vinz, Verleger bei der Nymphenburger Verlagshandlung, erinnert sich noch an Brittings Dachwohnung in Bogenhausen. Seine Wohnung unter dem Dach geht über zwei Etagen, und als Besonderheit hat diese Wohnung zwei Eingangstüren. Dies hat den Vorteil, dass Britting über die eine Türe fliehen kann, wenn unliebsamer Besuch vor der anderen Tür steht. Denn nichts kann er so wenig leiden, wie unangekündigten Besuch. Doch da der Verleger der Nymphenburger Verlagshandlung angemeldet ist, wird er von Britting am großen blanken Tisch, inmitten seines spartanisch eingerichteten Zimmers, empfangen. Ein Freund Brittings, Curt Hohoff, beschreibt dessen möbliertes Zimmer: „er liebte die Ordnung, nie sah man etwas herumliegen. Der Schreibtisch war immer aufgeräumt, die wenigen Bücher, die er für wert hielt, aufgehoben zu werden, standen auf einem einzigen Regal.“ Auch duldet Britting keinen Krach, genau wie Ordnung benötigt er auch Ruhe, um arbeiten zu können. Radioapparat oder Plattenspieler sucht man in seiner Wohnung also vergebens. Langweilig scheint es bei Britting dennoch nicht gewesen zu sein. Dies liegt, so seine Frau Ingeborg, an seiner Phantasie. Oft halten sich fiktive Gestalten aus seinen Geschichten in der Wohnung auf, die Unangenehmes an Brittings Statt aussprechen und gerne auch recht subjektiv für ihn Partei ergreifen.
In der Holbeinstraße lebt er auch während des Krieges, und die Stimmung in München wird für Britting immer beklemmender. Er schreibt seinem Freund im Exil: „dass die Gewitterwolken so bedrohlich sind merkt man hier nicht so deutlich wie bei euch. Aber ein wenig nervös – neugierig ist man natürlich hier auch, d.h. sehr sogar“. Britting erlebt während dieser Zeit auch die Bombenangriffe auf München, eindringliche Schilderungen dieser Erlebnisse finden sich in seinem Briefwechsel mit seinem Freund Paul Alverdes:
[...] rundum brannten die großen, schönen Plutokratenvillen, [...] still und feierlich wie Weihnachtskerzen bis auf die Grundmauern nieder, und es löschte niemand mangels Wasser und Schläuchen und Löschern. Der Himmel weithin blutrot, und dann erhob sich der Feuersturm [...]. Gegen vier Uhr früh ging ich nach Hause, um zu sehen, ob ich noch ein solches hätte. Es war ein Gang wie Nero, durch die brennende Mauerkircherstraße, links und rechts brannte es, Funkenregen und Feuerwerk, in der Ismaningerstraße brannte es, aber weniger, und der große Feuerschein über meinem Haus, der mich nicht wenig bange machte, kam von einem Großbrand in der Nachbarschaft, mein Haus stand, mein Zimmer auch [...] und staubig und rußig und mit rauchgebeizten Augen entschlief ich sanft. So wars.
Auch in der Nachkriegszeit brechen für Britting beschwerliche Zeiten an, 50 Pfund nimmt er durch Mangelernährung ab, und das Zimmer in der Holbeinstraße bleibt meistens kalt. „Weil ich mein Zimmer in der Holbeinstraße nur mit einem kleinen elektrischen Öfchen ‚heizen‘ kann, flüchte ich mich in den Nachmittagsstunden in das Zimmer des Hausmeisters.“ Aber auch hier bleibt Britting ruhig und mit seinem unverwüstlichen Humor bemerkt er: „Uns gings auch recht dreckig, kannst du dir denken, aber gelacht haben wir manchmal doch von Herzen. Wär noch schöner!“ Die Lage Brittings ist allerdings nicht zu unterschätzen, im August 1945 stirbt er fast an Lungenversagen. Dennoch hat Britting sicherlich Recht, wenn er seinem Freund Wetzlar schreibt: „Es geht uns nicht so schlecht, wie ihr vielleicht denkt, nicht gut, natürlich, aber alles ist relativ!“ Und tatsächlich gibt es während dieser Zeit auch erfreuliche Erlebnisse: Britting heiratet 1946 seine Ingeborg Fröhlich. Nach fünfjähriger Ehe ist es den beiden nach den Wirren des Krieges endlich möglich zusammenzuziehen.
Liebeslied
Soll ich dir sagen,
Daß ich der deine?
Oder scheint dir das recht überflüssig?
Soll ich dich fragen,
ob du der meine?
Wirst du der Frage jemals überdrüssig?
Ich bin dein,
Und du bist mein,
Ist ein uralter Reim.
Gilt er noch heut und jetzt?
Bis das der Tod die Sense wetzt!
Und dann noch, daheim,
Bin ich dein
Und du mein
Und wir singens in die himmlische Sprach übersetzt.
Seine Frau erzählt, dass Britting dennoch nur schweren Herzens seine Wohnung in der Holbeinstraße aufgibt, denn immerhin 14 Jahre lebt er dort als „möblierter Herr“ in seiner Junggesellenwohnung. An seinen Freund Alex Wetzlar schreibt er wenige Wochen vor seinem Umzug: „melde gehorsamst, weil du schnell Antwort willst, dass unsre neue Wohnung St. Anna-Platz 10/IV ist, wohin Ingeborg spätestens am 15. Juni einzieht, ich spätestens am 15. Juli. Noch wird drin gearbeitet. Aus meiner Klause, kannst du dir denken, ziehe ich mit Wehmut aus.“
Britting lebt 14 Jahre als Untermieter in einem möblierten Zimmer in der Holbeinstraße 5, das er gerne in studentischem Jargon auch seine „Bude“ nennt. Curt Vinz, Verleger bei der Nymphenburger Verlagshandlung, erinnert sich noch an Brittings Dachwohnung in Bogenhausen. Seine Wohnung unter dem Dach geht über zwei Etagen, und als Besonderheit hat diese Wohnung zwei Eingangstüren. Dies hat den Vorteil, dass Britting über die eine Türe fliehen kann, wenn unliebsamer Besuch vor der anderen Tür steht. Denn nichts kann er so wenig leiden, wie unangekündigten Besuch. Doch da der Verleger der Nymphenburger Verlagshandlung angemeldet ist, wird er von Britting am großen blanken Tisch, inmitten seines spartanisch eingerichteten Zimmers, empfangen. Ein Freund Brittings, Curt Hohoff, beschreibt dessen möbliertes Zimmer: „er liebte die Ordnung, nie sah man etwas herumliegen. Der Schreibtisch war immer aufgeräumt, die wenigen Bücher, die er für wert hielt, aufgehoben zu werden, standen auf einem einzigen Regal.“ Auch duldet Britting keinen Krach, genau wie Ordnung benötigt er auch Ruhe, um arbeiten zu können. Radioapparat oder Plattenspieler sucht man in seiner Wohnung also vergebens. Langweilig scheint es bei Britting dennoch nicht gewesen zu sein. Dies liegt, so seine Frau Ingeborg, an seiner Phantasie. Oft halten sich fiktive Gestalten aus seinen Geschichten in der Wohnung auf, die Unangenehmes an Brittings Statt aussprechen und gerne auch recht subjektiv für ihn Partei ergreifen.
In der Holbeinstraße lebt er auch während des Krieges, und die Stimmung in München wird für Britting immer beklemmender. Er schreibt seinem Freund im Exil: „dass die Gewitterwolken so bedrohlich sind merkt man hier nicht so deutlich wie bei euch. Aber ein wenig nervös – neugierig ist man natürlich hier auch, d.h. sehr sogar“. Britting erlebt während dieser Zeit auch die Bombenangriffe auf München, eindringliche Schilderungen dieser Erlebnisse finden sich in seinem Briefwechsel mit seinem Freund Paul Alverdes:
[...] rundum brannten die großen, schönen Plutokratenvillen, [...] still und feierlich wie Weihnachtskerzen bis auf die Grundmauern nieder, und es löschte niemand mangels Wasser und Schläuchen und Löschern. Der Himmel weithin blutrot, und dann erhob sich der Feuersturm [...]. Gegen vier Uhr früh ging ich nach Hause, um zu sehen, ob ich noch ein solches hätte. Es war ein Gang wie Nero, durch die brennende Mauerkircherstraße, links und rechts brannte es, Funkenregen und Feuerwerk, in der Ismaningerstraße brannte es, aber weniger, und der große Feuerschein über meinem Haus, der mich nicht wenig bange machte, kam von einem Großbrand in der Nachbarschaft, mein Haus stand, mein Zimmer auch [...] und staubig und rußig und mit rauchgebeizten Augen entschlief ich sanft. So wars.
Auch in der Nachkriegszeit brechen für Britting beschwerliche Zeiten an, 50 Pfund nimmt er durch Mangelernährung ab, und das Zimmer in der Holbeinstraße bleibt meistens kalt. „Weil ich mein Zimmer in der Holbeinstraße nur mit einem kleinen elektrischen Öfchen ‚heizen‘ kann, flüchte ich mich in den Nachmittagsstunden in das Zimmer des Hausmeisters.“ Aber auch hier bleibt Britting ruhig und mit seinem unverwüstlichen Humor bemerkt er: „Uns gings auch recht dreckig, kannst du dir denken, aber gelacht haben wir manchmal doch von Herzen. Wär noch schöner!“ Die Lage Brittings ist allerdings nicht zu unterschätzen, im August 1945 stirbt er fast an Lungenversagen. Dennoch hat Britting sicherlich Recht, wenn er seinem Freund Wetzlar schreibt: „Es geht uns nicht so schlecht, wie ihr vielleicht denkt, nicht gut, natürlich, aber alles ist relativ!“ Und tatsächlich gibt es während dieser Zeit auch erfreuliche Erlebnisse: Britting heiratet 1946 seine Ingeborg Fröhlich. Nach fünfjähriger Ehe ist es den beiden nach den Wirren des Krieges endlich möglich zusammenzuziehen.
Liebeslied
Soll ich dir sagen,
Daß ich der deine?
Oder scheint dir das recht überflüssig?
Soll ich dich fragen,
ob du der meine?
Wirst du der Frage jemals überdrüssig?
Ich bin dein,
Und du bist mein,
Ist ein uralter Reim.
Gilt er noch heut und jetzt?
Bis das der Tod die Sense wetzt!
Und dann noch, daheim,
Bin ich dein
Und du mein
Und wir singens in die himmlische Sprach übersetzt.
Seine Frau erzählt, dass Britting dennoch nur schweren Herzens seine Wohnung in der Holbeinstraße aufgibt, denn immerhin 14 Jahre lebt er dort als „möblierter Herr“ in seiner Junggesellenwohnung. An seinen Freund Alex Wetzlar schreibt er wenige Wochen vor seinem Umzug: „melde gehorsamst, weil du schnell Antwort willst, dass unsre neue Wohnung St. Anna-Platz 10/IV ist, wohin Ingeborg spätestens am 15. Juni einzieht, ich spätestens am 15. Juli. Noch wird drin gearbeitet. Aus meiner Klause, kannst du dir denken, ziehe ich mit Wehmut aus.“