Roseneckstraße 4: Bepp Haindl, Ehemann
„Der Versprechung des Mannes entgegen, muß sie – neben dem Haushalt, den sie allein erledigt – sofort ins Geschäft“: So beschreibt Marieluise Fleißer in den Notizen Meine Biographie die Folgen ihrer Heirat mit Josef Haindl. Tatsächlich scheint ihr Mann ihre literarische Arbeit lieber zu verhindern, anstatt sie zu befördern. Ihr unbedingter Wille, das Schreiben nicht aufzugeben, führt zu einer Arbeitsüberlastung und zu einem Nervenzusammenbruch im August 1938. Sie verbringt mehrere Monate in einer Heilanstalt und muss anschließend wenigstens nicht mehr zum Verkaufen in den Laden. Ab 1943 ist sie in Ingolstadt im Kriegseinsatz, sie wird für die niedrigsten Arbeiten abgestellt, weil sie, wie sie betont, „politisch verfemt ist“. Es ist ihr Ehemann, der sich mit dem Hinweis auf ihre psychische Erkrankung für ihre Befreiung von diesem Dienst einsetzt und schließlich ihre Entlassung erreicht.
Als Josef Haindl Anfang des Jahres 1945 mit den letzten Reserven eingezogen wird, dauert es nicht lange, bis Marieluise Fleißer zu spüren bekommt, welch billiges Opfer eine Frau in dieser Zeit darstellt. Weil es im Rathaus an Zigaretten mangelt, wirft man ihr Schwarzhandel vor und beschlagnahmt die Bestände des Haindlschen Lagers. Ihr Bruder eilt aus München zu Hilfe, „bringt sie mit seinem guten Englisch aus dem Gefängnis nach 26 Stunden heraus, sie hätte sonst ein halbes Jahr sitzen müssen“ (Meine Biographie); die Waren aber sieht sie nie wieder.
Im Juni 1945 kehrt Bepp Haindl aus dem Krieg zurück. Der Verlust seiner wertvollen Bestände sorgt für andauerndes eheliches Konfliktpotential – und ist wohl der Grund dafür, dass Haindl 1948 einen Teilhaber ins Geschäft nimmt. Das Ehepaar sitzt einem Betrüger auf: 1952 trennen sich die Haindls von dem Teilhaber, es bleiben 30.000 Mark Schulden. Später strengen sie einen Prozess an, nächtelang rechnet Marieluise Fleißer die Geschäftsbücher durch. Doch zu einem Urteil kommt es nicht – unter der Überschrift „1958“ heißt es in Meine Biographie: „am 10. Januar stirbt ihr Mann. Sie bricht sofort den Prozeß ab, will nicht weiter hinzahlen.“ Wenige Tage nach dem Tod von Bepp Haindl erleidet Marieluise Fleißer einen Herzinfarkt. Nach der Genesung wickelt sie den Laden ab.
Ehemaliges Wohnhaus des Ehepaars Haindl in der Roseneckstraße 4
Da der Vermieter der ehelichen Wohnung in der Roseneckstraße auf ihren Auszug drängt, begibt sie sich auf Wohnungssuche: „Sie erlebt den Widerstand gegen die Kunst. Immer wieder wird ihr eine andere Partei, die ein sicheres Einkommen hat, vorgezogen.“ (Meine Biographie) Sie beginnt mit der Anzahlung einer Wohnung in der Hofmillerstraße im Norden Ingolstadts, die sie 1962 bezieht. Dort fängt sie endlich wieder an zu schreiben: 1962 entsteht die Erzählung Avantgarde, 1964 Der Rauch, 1965 Die im Dunkeln – allesamt Texte, die Momente ihrer Biografie zwar nicht stur nacherzählen, jedoch mit deutlichen Verweisen auf die Wirklichkeit verdichten. Griff sie früher vor allem auf allgemeine Erfahrungen zurück, geraten nun die eigenen zunehmend in den Mittelpunkt ihres Schaffens.
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„Der Versprechung des Mannes entgegen, muß sie – neben dem Haushalt, den sie allein erledigt – sofort ins Geschäft“: So beschreibt Marieluise Fleißer in den Notizen Meine Biographie die Folgen ihrer Heirat mit Josef Haindl. Tatsächlich scheint ihr Mann ihre literarische Arbeit lieber zu verhindern, anstatt sie zu befördern. Ihr unbedingter Wille, das Schreiben nicht aufzugeben, führt zu einer Arbeitsüberlastung und zu einem Nervenzusammenbruch im August 1938. Sie verbringt mehrere Monate in einer Heilanstalt und muss anschließend wenigstens nicht mehr zum Verkaufen in den Laden. Ab 1943 ist sie in Ingolstadt im Kriegseinsatz, sie wird für die niedrigsten Arbeiten abgestellt, weil sie, wie sie betont, „politisch verfemt ist“. Es ist ihr Ehemann, der sich mit dem Hinweis auf ihre psychische Erkrankung für ihre Befreiung von diesem Dienst einsetzt und schließlich ihre Entlassung erreicht.
Als Josef Haindl Anfang des Jahres 1945 mit den letzten Reserven eingezogen wird, dauert es nicht lange, bis Marieluise Fleißer zu spüren bekommt, welch billiges Opfer eine Frau in dieser Zeit darstellt. Weil es im Rathaus an Zigaretten mangelt, wirft man ihr Schwarzhandel vor und beschlagnahmt die Bestände des Haindlschen Lagers. Ihr Bruder eilt aus München zu Hilfe, „bringt sie mit seinem guten Englisch aus dem Gefängnis nach 26 Stunden heraus, sie hätte sonst ein halbes Jahr sitzen müssen“ (Meine Biographie); die Waren aber sieht sie nie wieder.
Im Juni 1945 kehrt Bepp Haindl aus dem Krieg zurück. Der Verlust seiner wertvollen Bestände sorgt für andauerndes eheliches Konfliktpotential – und ist wohl der Grund dafür, dass Haindl 1948 einen Teilhaber ins Geschäft nimmt. Das Ehepaar sitzt einem Betrüger auf: 1952 trennen sich die Haindls von dem Teilhaber, es bleiben 30.000 Mark Schulden. Später strengen sie einen Prozess an, nächtelang rechnet Marieluise Fleißer die Geschäftsbücher durch. Doch zu einem Urteil kommt es nicht – unter der Überschrift „1958“ heißt es in Meine Biographie: „am 10. Januar stirbt ihr Mann. Sie bricht sofort den Prozeß ab, will nicht weiter hinzahlen.“ Wenige Tage nach dem Tod von Bepp Haindl erleidet Marieluise Fleißer einen Herzinfarkt. Nach der Genesung wickelt sie den Laden ab.
Ehemaliges Wohnhaus des Ehepaars Haindl in der Roseneckstraße 4
Da der Vermieter der ehelichen Wohnung in der Roseneckstraße auf ihren Auszug drängt, begibt sie sich auf Wohnungssuche: „Sie erlebt den Widerstand gegen die Kunst. Immer wieder wird ihr eine andere Partei, die ein sicheres Einkommen hat, vorgezogen.“ (Meine Biographie) Sie beginnt mit der Anzahlung einer Wohnung in der Hofmillerstraße im Norden Ingolstadts, die sie 1962 bezieht. Dort fängt sie endlich wieder an zu schreiben: 1962 entsteht die Erzählung Avantgarde, 1964 Der Rauch, 1965 Die im Dunkeln – allesamt Texte, die Momente ihrer Biografie zwar nicht stur nacherzählen, jedoch mit deutlichen Verweisen auf die Wirklichkeit verdichten. Griff sie früher vor allem auf allgemeine Erfahrungen zurück, geraten nun die eigenen zunehmend in den Mittelpunkt ihres Schaffens.
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