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Theresienstraße 1: Bepp Haindl, Tabakwarenhändler

Josef Haindl, genannt Bepp, ist zweifellos der Mann im Leben Marieluise Fleißers, der die meisten Namen für sie erfindet. Lieb, Punn, Punny, Herzl, Herzkätzchen, Schmerzenskind und so weiter: Die Briefe, die Bepp Haindl seiner „Luisl“ aus Ingolstadt nach Berlin oder München hinterherschreibt, sind – bis zur Eheschließung – zahlreich und überhaupt orthografisch ungewöhnlich. Wie und wo die beiden zueinander gefunden haben, ist unklar.

Die Familie Haindl betreibt einen Tabakladen, in dem auch Bepp arbeitet, bis er sich 1928 mit einem eigenen Laden in der Ingolstädter Theresienstraße (heute Nummer 1) selbständig macht. In diesem Jahr ist die Beziehung der beiden eng: Sie verbringen einen gemeinsamen Urlaub am Wörther See und verloben sich schließlich. Nach der Uraufführung von Pioniere in Ingolstadt ist Josef Haindl einer der wenigen Ingolstädter, der kompromisslos zu ihr steht und sie und ihr Werk wiederholt vor seinen Freunden und Bekannten in Schutz nimmt. Dennoch kommt es im selben Jahr zur Entlobung: Marieluise Fleißer bestellt Bepp nach Berlin, um ihm dem Ring zurückzureichen. Laut ihrer Schilderungen bedroht er sie deshalb mit einem Messer. Die Trennung erfolgt wenig später.

Fleißer-Statuette vor dem Haus, in dem sich Haindls Tabakladen befand (Foto: Frank Piontek)

In den folgenden Jahren reist Fleißer mit ihrem neuen Verlobten Hellmut Draws-Tychsen durch Europa und lebt ansonsten in Berlin, doch vom Schreiben kann sie nicht leben: „Ihre Nerven sind völlig aufgerieben. Mißglückter Selbstmordversuch aus Panik. Im Spätherbst 32 kehrt sie nach Ingolstadt zurück“, heißt es in Meine Biographie. 1933 verbringt sie noch einmal mehrere Monate in Berlin, auch weil sie in Ingolstadt weiterhin gemieden und abgewiesen wird; längst hat auch hier der Geist des Nationalsozialismus Einzug gehalten.

Um der gesellschaftlichen Ächtung und auch den andauernden finanziellen Nöten zu entgehen, gibt Marieluise Fleißer Josef Haindl im August 1935 ihr Ja-Wort. In Meine Biographie heißt es: „Trotzdem sie einen inneren Widerstand gegen das Milieu hat, sieht sie keinen Fluchtweg außer dem, daß sie auf sein Drängen den Tabakgroßwarenhändler und früheren Verlobten Bepp Haindl heiratet. […] In einer Beziehung hat die Heirat geholfen, die Bedrohung durch die Bevölkerung läßt für ein paar Jahre nach“. Im Fragment Walper verdichtet sie diese Entscheidung in dem Satz: „Im Sturz fasste sie nach einem Halt, es war ausgerechnet der Händler mit dem Rauch.“ Sozial steht Marieluise Fleißer nun auf festerem Boden, doch literarisch verstummt sie in den folgenden Jahren beinahe. Haindl fordert ihre Hilfe im Geschäft, zum Schreiben kommt sie kaum mehr.

Seit dem Jahr 2011 markiert eine Fleißer-Statuette den Ort, an dem sich Bepp Haindls Tabakwarenladen befand.

 


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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek