Marieluise-Fleißer-Bücherei: Schriftstellerin in Ingolstadt
Die prekäre Beziehung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu ihrer Vaterstadt scheint in Bayern eine gewisse Tradition zu haben – man nehme nur den Fleißer-Mentor Bertolt Brecht, der schon zu Lebzeiten und fast mehr noch in den Jahren nach seinem Tod nicht gut gelitten war in Augsburg. Marieluise Fleißer macht diese Erfahrung bereits 1929; um eine gerechte Bewertung zu erhalten, geht sie sogar vor Gericht. Von der offiziellen Ingolstädter Reaktion auf ihr Stück Pioniere in Ingolstadt ist sie so ehrlich irritiert, dass sie auf Anraten von Lion Feuchtwanger Klage gegen den Oberbürgermeister einreicht, der in einem offenen Brief ohne Kenntnis des Textes noch der Inszenierung schwere Beleidigung gegen sie und ihr Werk ausgesprochen hat. In ihrem Antwortbrief nennt sie sich eine „begeisterte Ingolstädterin“.
Wenn man einem Brief des Vaters glauben will, dann scheint in diesen Jahren ganz Ingolstadt in Abscheu gegen Marieluise Fleißer vereint. Im Juni 1929 schreibt er:
Wie Du mir mitteilst möchtest Du gerne nach Ingolstadt für einige Zeit; wen Dir nicht bange ist, mir soll es nicht darauf ankommen, aber ich habe Bedenken, ich würde an Deiner Stelle lieber als Zigarrenladnerin in Berlin leben oder sein, wie hier als Dichterin, denn noch oft genug kann ich über Dich abfällige Urteile hören, auch von ins Gesicht spucken u. dergleichen, so schnell sind die Wogen noch nicht glatt[...].
Die Tochter versteht diesen Brief nicht als Warnung, sondern als Ablehnung. In Meine Biographie ist unter dem Jahr 1929 vermerkt: „Der Vater erteilt ihr Hausverbot.“
Vielleicht nicht alle Bewohner Ingolstadts, zumindest aber die kulturellen Institutionen der Stadt bemühen sich schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs um das Werk der Autorin. Bereits ein Jahr nach der Uraufführung in München wird Der starke Stamm 1951 auch in Ingolstadt gezeigt. 1962 erhält Fleißer den Kunstförderpreis der Stadt Ingolstadt, und ab 1967 liest sie einmal jährlich im „Kleinen Haus“ des Neuen Theaters aus ihren Prosaarbeiten, 1968 wird erneut Der starke Stamm inszeniert, 1971 die von ihr überarbeitete Fassung von Fegefeuer in Ingolstadt. Die Fleißer-Renaissance ist mithin auch ihrer Heimatstadt Ingolstadt zu verdanken.
Eingang und Schild der Marieluise-Fleißer-Bücherei Ingolstadt
Vier Jahre nach dem Tod von Marieluise Fleißer erwirbt die Stadt den Nachlasse der Schriftstellerin und richtet im restaurierten Kavalier Hepp, einer Befestigungsanlage aus dem 19. Jahrhundert, das Fleißerarchiv ein. 1981 erfährt Fleißers Werk zwei weitere Ehrungen: Als die Ingolstädter Stadtbücherei in den renovierten Herzogskasten umzieht, erhält sie den Beinamen Marieluise-Fleißer-Bücherei; im selben Jahr wird erstmals der Marieluise-Fleißer-Preis verliehen, die Auszeichnung geht an Irmgard Keun. 1996 gründet sich schließlich die Marieluise-Fleißer-Gesellschaft, um das literarische Erbe und das Andenken an die Fleißer zu sichern. Ihr verdankt sich auch die Fleißer-Statuette in der Theresienstraße.
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Die prekäre Beziehung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu ihrer Vaterstadt scheint in Bayern eine gewisse Tradition zu haben – man nehme nur den Fleißer-Mentor Bertolt Brecht, der schon zu Lebzeiten und fast mehr noch in den Jahren nach seinem Tod nicht gut gelitten war in Augsburg. Marieluise Fleißer macht diese Erfahrung bereits 1929; um eine gerechte Bewertung zu erhalten, geht sie sogar vor Gericht. Von der offiziellen Ingolstädter Reaktion auf ihr Stück Pioniere in Ingolstadt ist sie so ehrlich irritiert, dass sie auf Anraten von Lion Feuchtwanger Klage gegen den Oberbürgermeister einreicht, der in einem offenen Brief ohne Kenntnis des Textes noch der Inszenierung schwere Beleidigung gegen sie und ihr Werk ausgesprochen hat. In ihrem Antwortbrief nennt sie sich eine „begeisterte Ingolstädterin“.
Wenn man einem Brief des Vaters glauben will, dann scheint in diesen Jahren ganz Ingolstadt in Abscheu gegen Marieluise Fleißer vereint. Im Juni 1929 schreibt er:
Wie Du mir mitteilst möchtest Du gerne nach Ingolstadt für einige Zeit; wen Dir nicht bange ist, mir soll es nicht darauf ankommen, aber ich habe Bedenken, ich würde an Deiner Stelle lieber als Zigarrenladnerin in Berlin leben oder sein, wie hier als Dichterin, denn noch oft genug kann ich über Dich abfällige Urteile hören, auch von ins Gesicht spucken u. dergleichen, so schnell sind die Wogen noch nicht glatt[...].
Die Tochter versteht diesen Brief nicht als Warnung, sondern als Ablehnung. In Meine Biographie ist unter dem Jahr 1929 vermerkt: „Der Vater erteilt ihr Hausverbot.“
Vielleicht nicht alle Bewohner Ingolstadts, zumindest aber die kulturellen Institutionen der Stadt bemühen sich schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs um das Werk der Autorin. Bereits ein Jahr nach der Uraufführung in München wird Der starke Stamm 1951 auch in Ingolstadt gezeigt. 1962 erhält Fleißer den Kunstförderpreis der Stadt Ingolstadt, und ab 1967 liest sie einmal jährlich im „Kleinen Haus“ des Neuen Theaters aus ihren Prosaarbeiten, 1968 wird erneut Der starke Stamm inszeniert, 1971 die von ihr überarbeitete Fassung von Fegefeuer in Ingolstadt. Die Fleißer-Renaissance ist mithin auch ihrer Heimatstadt Ingolstadt zu verdanken.
Eingang und Schild der Marieluise-Fleißer-Bücherei Ingolstadt
Vier Jahre nach dem Tod von Marieluise Fleißer erwirbt die Stadt den Nachlasse der Schriftstellerin und richtet im restaurierten Kavalier Hepp, einer Befestigungsanlage aus dem 19. Jahrhundert, das Fleißerarchiv ein. 1981 erfährt Fleißers Werk zwei weitere Ehrungen: Als die Ingolstädter Stadtbücherei in den renovierten Herzogskasten umzieht, erhält sie den Beinamen Marieluise-Fleißer-Bücherei; im selben Jahr wird erstmals der Marieluise-Fleißer-Preis verliehen, die Auszeichnung geht an Irmgard Keun. 1996 gründet sich schließlich die Marieluise-Fleißer-Gesellschaft, um das literarische Erbe und das Andenken an die Fleißer zu sichern. Ihr verdankt sich auch die Fleißer-Statuette in der Theresienstraße.
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