Neues Theater: „Der starke Stamm“
Fünf Jahre dauert Marieluise Fleißers Beziehung mit dem Journalisten Hellmut Draws-Tychsen, die allgemein als überaus belastend verstanden wird, da Draws-Tychsen die Fleißer zu seiner Sekretärin degradiert, sich zu ihrem Nachteil in ihre Geschäftsbeziehung mit Verlagen einmischt und zudem finanzielle Unterstützung von ihr und ihrer Familie verlangt. Dennoch entsteht während dieser Zeit ihr einziger Roman Mehlreisende Frieda Geier (später Eine Zierde für den Verein). 1934 oder 1935 löst sie die Verbindung und heiratet im August 1935 in Ingolstadt ihren ewig treuen Verehrer und Exverlobten Josef Haindl (+1958). Da sie in dessen Tabakgeschäft mitanpacken muss, bleibt wenig Zeit zum Schreiben. Jahrelang arbeitet sie an dem Drama Karl Stuart, 1944/5 schreibt sie das Stück Der starke Stamm.
Es ist erneut Bertolt Brecht, der sie nach dem Zweiten Weltkrieg zurück ans Licht der literarischen Öffentlichkeit holt. 1950 probt er an den Münchner Kammerspielen sein Drama Mutter Courage und schlägt dem Theater eine Inszenierung von Der starke Stamm vor. Schon am 7. November 1950 wird Der starke Stamm uraufgeführt, doch das Publikum ist wenig begeistert von der Entblößung kleinbürgerlicher Gier und Geilheit. In Meine Biographie schreibt Fleißer: „Aber Der starke Stamm geht nicht an andere Bühnen weiter. Man begegnet dem Dialekt seit Hitler mit einem Vorurteil, weil man ihn irrsinngerweise mit Blut und Boden verwechselt. Dabei ist er eine herrliche Sprachmöglichkeit, in sich schöpferischer als Schriftdeutsch, stößt leider in der Verbreitung an die Grenzen des Sprachraums.“
Im Januar 1966 erscheint im Ingolstädter Donau-Kurier Fleißers Erzählung Der Venusberg, anlässlich der Eröffnung des Neuen Theaters Ingolstadt, das im Volksmund „Öloper“ genannt wird, da der dominante Neubau sich nur dank der Steuergelder der ansässigen Raffinerien finanzieren ließ. Und während die Ingolstädter ihr neues Theater – das alte wurde im Krieg zerstört – mit einem Mozart-Gastspiel aus München feiern, wird an der Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer Der starke Stamm inszeniert, Premiere ist am 5. Februar 1966, es folgt eine Aufführung am Münchner Volkstheater. Damit beginnt die Renaissance der Marieluise Fleißer.
Die „Öloper“ aus der Luft betrachtet
Ab 1967 überarbeitet Fleißer Fegefeuer in Ingolstadt und Pioniere in Ingolstadt; die beiden neuen Fassungen feiern im 1970 in München bzw. 1971 in Wuppertal Premiere. Schon 1968 hat sich der junge Regisseur Rainer Werner Fassbinder in seiner dramatischen Collage Zum Beispiel Ingolstadt der Fleißerschen Werke angenommen. 1971 erscheint eine TV-Dokumentation über Marieluise Fleißer, in der sich die zeitgenössische Avantgarde der bayerischen Dramatiker – Martin Sperr und Fassbinder – zu ihr als geistiger Mutter bekennt. Auch Franz Xaver Kroetz gratuliert zu ihrem 70. Geburtstag: mit einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem er eine Ausgabe ihrer Gesammelten Werke verlangt. Der Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld meldet sich deshalb prompt im Januar 1972 bei Fleißer, die umgehend mit der Sichtung und Umarbeitung ihrer Texte beginnt. Bereits im Dezember des Jahres werden die drei Bände gedruckt. Der Aufsatz Alle meine Söhne über Sperr, Fassbinder und Kroetz erscheint erst im vierten Band, der den Nachlass der 1974 verstorbenen Fleißer versammelt.
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Fünf Jahre dauert Marieluise Fleißers Beziehung mit dem Journalisten Hellmut Draws-Tychsen, die allgemein als überaus belastend verstanden wird, da Draws-Tychsen die Fleißer zu seiner Sekretärin degradiert, sich zu ihrem Nachteil in ihre Geschäftsbeziehung mit Verlagen einmischt und zudem finanzielle Unterstützung von ihr und ihrer Familie verlangt. Dennoch entsteht während dieser Zeit ihr einziger Roman Mehlreisende Frieda Geier (später Eine Zierde für den Verein). 1934 oder 1935 löst sie die Verbindung und heiratet im August 1935 in Ingolstadt ihren ewig treuen Verehrer und Exverlobten Josef Haindl (+1958). Da sie in dessen Tabakgeschäft mitanpacken muss, bleibt wenig Zeit zum Schreiben. Jahrelang arbeitet sie an dem Drama Karl Stuart, 1944/5 schreibt sie das Stück Der starke Stamm.
Es ist erneut Bertolt Brecht, der sie nach dem Zweiten Weltkrieg zurück ans Licht der literarischen Öffentlichkeit holt. 1950 probt er an den Münchner Kammerspielen sein Drama Mutter Courage und schlägt dem Theater eine Inszenierung von Der starke Stamm vor. Schon am 7. November 1950 wird Der starke Stamm uraufgeführt, doch das Publikum ist wenig begeistert von der Entblößung kleinbürgerlicher Gier und Geilheit. In Meine Biographie schreibt Fleißer: „Aber Der starke Stamm geht nicht an andere Bühnen weiter. Man begegnet dem Dialekt seit Hitler mit einem Vorurteil, weil man ihn irrsinngerweise mit Blut und Boden verwechselt. Dabei ist er eine herrliche Sprachmöglichkeit, in sich schöpferischer als Schriftdeutsch, stößt leider in der Verbreitung an die Grenzen des Sprachraums.“
Im Januar 1966 erscheint im Ingolstädter Donau-Kurier Fleißers Erzählung Der Venusberg, anlässlich der Eröffnung des Neuen Theaters Ingolstadt, das im Volksmund „Öloper“ genannt wird, da der dominante Neubau sich nur dank der Steuergelder der ansässigen Raffinerien finanzieren ließ. Und während die Ingolstädter ihr neues Theater – das alte wurde im Krieg zerstört – mit einem Mozart-Gastspiel aus München feiern, wird an der Berliner Schaubühne am Halleschen Ufer Der starke Stamm inszeniert, Premiere ist am 5. Februar 1966, es folgt eine Aufführung am Münchner Volkstheater. Damit beginnt die Renaissance der Marieluise Fleißer.
Die „Öloper“ aus der Luft betrachtet
Ab 1967 überarbeitet Fleißer Fegefeuer in Ingolstadt und Pioniere in Ingolstadt; die beiden neuen Fassungen feiern im 1970 in München bzw. 1971 in Wuppertal Premiere. Schon 1968 hat sich der junge Regisseur Rainer Werner Fassbinder in seiner dramatischen Collage Zum Beispiel Ingolstadt der Fleißerschen Werke angenommen. 1971 erscheint eine TV-Dokumentation über Marieluise Fleißer, in der sich die zeitgenössische Avantgarde der bayerischen Dramatiker – Martin Sperr und Fassbinder – zu ihr als geistiger Mutter bekennt. Auch Franz Xaver Kroetz gratuliert zu ihrem 70. Geburtstag: mit einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem er eine Ausgabe ihrer Gesammelten Werke verlangt. Der Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld meldet sich deshalb prompt im Januar 1972 bei Fleißer, die umgehend mit der Sichtung und Umarbeitung ihrer Texte beginnt. Bereits im Dezember des Jahres werden die drei Bände gedruckt. Der Aufsatz Alle meine Söhne über Sperr, Fassbinder und Kroetz erscheint erst im vierten Band, der den Nachlass der 1974 verstorbenen Fleißer versammelt.
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