Jean-Paul-Felsen bei Joditz

Seinem ersten Roman Die unsichtbare Loge (1793) stellt Jean Paul eine Vorrede voran, die während einer Kutschfahrt auf den Fichtelberg geschrieben wird und nichts anderem dienen soll, als den Verfasser vom Blick aus dem Fenster abzuhalten. Denn Jean Paul hat sich vorgenommen, „den großen Zirkus und Paradeplatz der Natur mit allen seinen Strömen und Bergen auf einmal in die geschlossene Seele“ aufzunehmen: Die Aussicht will nicht vorher schon erahnt, sondern erst in der Totalen erfasst werden.

Wegweiser zum Jean-Paul-Felsen (Foto: Frank Piontek)

Auch Albano de Cesara, Jean Pauls Protagonist des Titan, befällt während einer Bootsfahrt „sein alter Durst nach einem einzigen erschütternden Guß aus dem Füllhorn der Natur; er verschloß die Augen, um sie nicht eher zu öffnen als oben auf der höchsten Terrasse der Insel vor der Morgensonne“. Sein Freund Schoppe neckt ihn, indem er all die Sehenswürdigkeiten aufzählt, die Albano verpasst, und die Binde als „Augen-Schmachtriemen“ tituliert.

„Auental“-Panorama (Foto: Frank Piontek)

Es verwundert mithin wenig, dass der Felsen über Joditz, der allerdings erst seit größeren Stürmen wieder einen freien Ausblick über das Dorf ermöglicht, „Jean-Paul-Felsen“ genannt wird. Die einzige Stelle, die ein Joditzer Panorama zu beschreiben scheint, findet sich in Jean Pauls Roman Flegeljahre: „Da erblickt' er Joditz [...] Es kam ihm aber vor, er hab' es schon längst gesehen, der Strom um das Dorf, der Bach durch dasselbe, der am Flusse steil auffahrende Wald-Berg, die Birken-Einfassung und alles war ihm eine Heimat alter Bilder. Vielleicht hatte einmal der Traumgott vor ihm ein ähnliches Dörfchen aus Luft auf den Schlaf hingebauet und es ihn durchschweben lassen.“

Allein, das Joditz, das die Figur Walt da erblickt, darf nicht mit dem Joditz verwechselt werden, das man vom Jean-Paul-Felsen aus erblickt - wie Jean Paul selbst in der zugehörigen Fußnote ausdrücklich vermerkt: „Es gibt zwar ein zweites Joditz mit gleicher Gegend – das Kindheitsdorf des gegenwärtigen Verfassers –, es liegt aber nicht in Haßlau [wo der Titan spielt], sondern im Vogtland“.

 


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Verfasst von: Jean-Paul-Weg - Verbundprojekt Jean Paul in Oberfranken

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