München, Amalienstraße 25: Wedekind im Café Stefanie
Café Stefanie, um 1900 (c) privat. Außenansicht Amalienstraße 25 (c) Literaturportal Bayern.
Beliebter Treffpunkt der Münchner Bohème ist vor allem das 1896 eröffnete Café Stefanie in der Amalienstraße 14 (heute 25), in dem „massenhaft Maler, Schriftsteller und Genieanwärter jeder Art, auch viele ausländische Künstler, Russen, Ungarn und Balkanslawen, kurz das, was der Münchener Eingeborene in den Sammelnamen ‚Schlawiner‘ zusammenfaßt“, verkehren (Erich Mühsam: Unpolitische Erinnerungen, Kap. „Schwabing“). Hier werden die letzten Nachrichten aus dem kulturellen bzw. politischen Leben ausgetauscht und nach allen Richtungen hin kommentiert, weshalb man das Café Stefanie ab 1902 ironisch „Café Größenwahn“ nennt.
Auch Wedekind gehört zu seinen Besuchern. Er hat einen kleinen Kreis von Literaten und Künstlern um sich, die sich regelmäßig im Café treffen. Der jüdische Reiseschriftsteller und Romancier Arthur Holitscher, damals Simplicissimus-Kollege Wedekinds, erinnert sich:
Um fünf Uhr traf sich im Café Stefanie regelmäßig eine kleine Tafelrunde, zu der Wedekind, Graf Keyserling, Halbe, der Maler Melchior von Hugo, der Schauspieler Emil Lind, Kurt Martens und Ludwig Scharff gehörten. Wir blieben bis acht beisammen, worauf Wedekind sich empfahl, um zu den „Scharfrichtern“ zu gehn. Nach dem Theater trafen wir uns in der kleinen American Bar im Kellergeschoß der „Vier Jahreszeiten“, wo wir bis zwei Uhr nachts beisammenblieben. (Arthur Holitscher: Lebensgeschichte eines Rebellen. Bd. 1, S. 192)
Fünf Jahre besteht diese „Tafelrunde“, in der, wie Holitscher betont, „keine einzige hohle, leere, mit Geschwätz oder ‚Fachsimpelei‘ verbrachte Stunde“ zu verzeichnen ist. Es wird über die Dinge des Lebens gesprochen, oft im engeren Kreise über die schmerzhaftesten Erfahrungen der Existenz. Über künstlerische und menschliche Dinge äußert man sich ebenso, wobei die Bemerkungen Wedekinds und Keyserlings am markantesten zu sein scheinen. Allerdings hat der Kreis auch seine Grenzen, von tieferer Kameradschaft unter Schriftstellerkollegen ist nicht die Rede, das weiß auch Holitscher:
Oft, wenn wir, Wedekind, Martens und ich, nachts den Heimweg antraten, und Keyserling, halb gelähmt schon, einen Wagen bestieg und seine Zigarette zwischen den dünnen Lippen, mit seitwärts und uns Fußgängern abgewandtem Gesicht in dem nächtlichen Einspänner vorbeifuhr, sagten wir uns: „Seht ihr – das ist der innere Zusammenhang!“ Es war aber lediglich: München; nicht die Boheme allein, auch nicht die „Kameradschaft“ unter Literaten, es war vor allen Dingen München – und nach fünf Jahren hielt ich dies, fast physisch schon, nicht mehr aus.
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Café Stefanie, um 1900 (c) privat. Außenansicht Amalienstraße 25 (c) Literaturportal Bayern.
Beliebter Treffpunkt der Münchner Bohème ist vor allem das 1896 eröffnete Café Stefanie in der Amalienstraße 14 (heute 25), in dem „massenhaft Maler, Schriftsteller und Genieanwärter jeder Art, auch viele ausländische Künstler, Russen, Ungarn und Balkanslawen, kurz das, was der Münchener Eingeborene in den Sammelnamen ‚Schlawiner‘ zusammenfaßt“, verkehren (Erich Mühsam: Unpolitische Erinnerungen, Kap. „Schwabing“). Hier werden die letzten Nachrichten aus dem kulturellen bzw. politischen Leben ausgetauscht und nach allen Richtungen hin kommentiert, weshalb man das Café Stefanie ab 1902 ironisch „Café Größenwahn“ nennt.
Auch Wedekind gehört zu seinen Besuchern. Er hat einen kleinen Kreis von Literaten und Künstlern um sich, die sich regelmäßig im Café treffen. Der jüdische Reiseschriftsteller und Romancier Arthur Holitscher, damals Simplicissimus-Kollege Wedekinds, erinnert sich:
Um fünf Uhr traf sich im Café Stefanie regelmäßig eine kleine Tafelrunde, zu der Wedekind, Graf Keyserling, Halbe, der Maler Melchior von Hugo, der Schauspieler Emil Lind, Kurt Martens und Ludwig Scharff gehörten. Wir blieben bis acht beisammen, worauf Wedekind sich empfahl, um zu den „Scharfrichtern“ zu gehn. Nach dem Theater trafen wir uns in der kleinen American Bar im Kellergeschoß der „Vier Jahreszeiten“, wo wir bis zwei Uhr nachts beisammenblieben. (Arthur Holitscher: Lebensgeschichte eines Rebellen. Bd. 1, S. 192)
Fünf Jahre besteht diese „Tafelrunde“, in der, wie Holitscher betont, „keine einzige hohle, leere, mit Geschwätz oder ‚Fachsimpelei‘ verbrachte Stunde“ zu verzeichnen ist. Es wird über die Dinge des Lebens gesprochen, oft im engeren Kreise über die schmerzhaftesten Erfahrungen der Existenz. Über künstlerische und menschliche Dinge äußert man sich ebenso, wobei die Bemerkungen Wedekinds und Keyserlings am markantesten zu sein scheinen. Allerdings hat der Kreis auch seine Grenzen, von tieferer Kameradschaft unter Schriftstellerkollegen ist nicht die Rede, das weiß auch Holitscher:
Oft, wenn wir, Wedekind, Martens und ich, nachts den Heimweg antraten, und Keyserling, halb gelähmt schon, einen Wagen bestieg und seine Zigarette zwischen den dünnen Lippen, mit seitwärts und uns Fußgängern abgewandtem Gesicht in dem nächtlichen Einspänner vorbeifuhr, sagten wir uns: „Seht ihr – das ist der innere Zusammenhang!“ Es war aber lediglich: München; nicht die Boheme allein, auch nicht die „Kameradschaft“ unter Literaten, es war vor allen Dingen München – und nach fünf Jahren hielt ich dies, fast physisch schon, nicht mehr aus.
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