München, Adalbertstraße 41: Wedekinds Pension
Otto von Ruppert: Blick über München, 1889 („Prinz-Regent-Brücke München“). Eingang zur Adalbertstraße 41 (c) Literaturportal Bayern.
Endlich, kurz nach Freising sieht man die Thürme von München. München erscheint mir auf den ersten Blick das reine Buxtehude, die Straßen schmutzig und eng. In einem Cigarrengeschäft seh ich noch die nämliche Auslage stehen, die ich vor 3 Jahren dort gesehen. Ich gehe in den Franziscaner<,> der mich durch sein schmieriges Äußere und Innere anekelt. Dann auf die Wohnungssuche. Finde eine reizende Bude<,> die aber erst auf 1. August frei wird. Schließlich miethe ich mich Adalbertstraße 41, IV ein bei einer alten Frau<,> die Vorausbezahlung wünscht. Nach Auseinandersetzung meiner | Verhältnisse sieht sie davon ab. (Münchner Tagebuch, 5. Juli 1889)
Im Juli 1889 wird Frank Wedekind wegen unzureichender Papiere aus Berlin ausgewiesen. Er, der alles daran setzen will, sich als Schriftsteller im naturalistischen Zentrum der deutschen Literatur zu etablieren, kann dort nicht sesshaft werden, weil ihm ein Staatsbürgerschaftszeugnis im Original fehlt. In München kann er sich dagegen problemlos anmelden. Während Berlin „geistig und körperlich totschlagend“ auf Wedekind wirkt, ist München das „reinste Phäakennest dagegen, in Kunst und Leben“ (Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 186).
Sein Eindruck ist jetzt, im Vergleich zur früheren Euphorie der Studentenzeit, allerdings nüchtern, wenn nicht sogar kritisch. Er mietet sich ein Zimmer im vierten Stock der Adalbertstraße 41, „bei einer alten Frau, die Vorausbezahlung wünscht.“ Wedekind trifft alte Bekannte, lernt neue kennen und fürchtet beinahe, „daß ich vor lauter Gemüthlichkeit nicht werde arbeiten können. Ich fühle mich angesichts dieses Bierlebens in ein früheres Jahrhundert versetzt.“ „Unendlich lächerlich“ kommt es ihm zudem vor, wie zu seiner Studentenzeit Kunstdenkmäler-Parolen ausgegeben wurden, „die dann von jedem mit überlegner Miene weiterverbreitet wurden.“ (Münchner Tagebuch, 6. Juli 1889)
Aber Wedekind arrangiert sich mit der neuen Situation. Das renovierte Hofbräuhaus „ist nicht mehr der [...] klassische Schweinestall von ehedem, aber doch noch sehr gemüthlich“ (Münchner Tagebuch, 13. Juli 1889), der Vorteil Münchens gegenüber Berlin liegt ohnehin in seiner Lage: „Unvergleichlich reinere Luft und eine herrliche Umgebung“ (Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 196). Gute Voraussetzungen für jemanden wie Wedekind, der hier arbeiten will.
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Otto von Ruppert: Blick über München, 1889 („Prinz-Regent-Brücke München“). Eingang zur Adalbertstraße 41 (c) Literaturportal Bayern.
Endlich, kurz nach Freising sieht man die Thürme von München. München erscheint mir auf den ersten Blick das reine Buxtehude, die Straßen schmutzig und eng. In einem Cigarrengeschäft seh ich noch die nämliche Auslage stehen, die ich vor 3 Jahren dort gesehen. Ich gehe in den Franziscaner<,> der mich durch sein schmieriges Äußere und Innere anekelt. Dann auf die Wohnungssuche. Finde eine reizende Bude<,> die aber erst auf 1. August frei wird. Schließlich miethe ich mich Adalbertstraße 41, IV ein bei einer alten Frau<,> die Vorausbezahlung wünscht. Nach Auseinandersetzung meiner | Verhältnisse sieht sie davon ab. (Münchner Tagebuch, 5. Juli 1889)
Im Juli 1889 wird Frank Wedekind wegen unzureichender Papiere aus Berlin ausgewiesen. Er, der alles daran setzen will, sich als Schriftsteller im naturalistischen Zentrum der deutschen Literatur zu etablieren, kann dort nicht sesshaft werden, weil ihm ein Staatsbürgerschaftszeugnis im Original fehlt. In München kann er sich dagegen problemlos anmelden. Während Berlin „geistig und körperlich totschlagend“ auf Wedekind wirkt, ist München das „reinste Phäakennest dagegen, in Kunst und Leben“ (Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 186).
Sein Eindruck ist jetzt, im Vergleich zur früheren Euphorie der Studentenzeit, allerdings nüchtern, wenn nicht sogar kritisch. Er mietet sich ein Zimmer im vierten Stock der Adalbertstraße 41, „bei einer alten Frau, die Vorausbezahlung wünscht.“ Wedekind trifft alte Bekannte, lernt neue kennen und fürchtet beinahe, „daß ich vor lauter Gemüthlichkeit nicht werde arbeiten können. Ich fühle mich angesichts dieses Bierlebens in ein früheres Jahrhundert versetzt.“ „Unendlich lächerlich“ kommt es ihm zudem vor, wie zu seiner Studentenzeit Kunstdenkmäler-Parolen ausgegeben wurden, „die dann von jedem mit überlegner Miene weiterverbreitet wurden.“ (Münchner Tagebuch, 6. Juli 1889)
Aber Wedekind arrangiert sich mit der neuen Situation. Das renovierte Hofbräuhaus „ist nicht mehr der [...] klassische Schweinestall von ehedem, aber doch noch sehr gemüthlich“ (Münchner Tagebuch, 13. Juli 1889), der Vorteil Münchens gegenüber Berlin liegt ohnehin in seiner Lage: „Unvergleichlich reinere Luft und eine herrliche Umgebung“ (Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 196). Gute Voraussetzungen für jemanden wie Wedekind, der hier arbeiten will.
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