Leoni, Assenbucher Straße 44
Der Ort Leoni (vormals Assenbuch) geht auf den Hofsänger und Gastwirt Giuseppe Leoni zurück, der im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts an der Stelle des Seehotels einen Sommersitz mit Wintergarten erwirbt. Während Leoni seine Mußestunden gerne am Kochherd zubringt, strömen die vornehmen Gäste zahlreich in das zum Restaurant und zur Pension umgebaute Haus. Um 1900 wird die Villa durch ein großes Seehotel ersetzt, das Oskar Strauch und seine Ehefrau Anna führen. Im Sommer 1896 haben sie und der neue Besitzer des auf der Rottmannshöhe gelegenen Hotels, Joseph Sigl, bereits die Konzession zum Betrieb einer Drahtseilbahn erhalten. Damit steht dem touristischen Pendelverkehr zwischen beiden Hotels anscheinend nichts mehr im Wege. Das Hotel Rottmannshöhe wird 1903 allerdings in ein Sanatorium für Nervenkranke umgewandelt, und die Bahn erreicht nicht die gewünschten Fahrgastzahlen.
Auch Graf spielt öfters auf den Bau der Drahtseilbahn an, so im Leben meiner Mutter und im Notizbuch des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf (1932) in der Erzählung „Katholische Begebnisse“. In der Geschichte „Die Gratulation“ aus der Sammlung Dorfbanditen berichtet er zudem vom alljährlichen Gang mit seiner Schwester Anna zur Taufpatin, der Besitzerin des Seehotels Leoni Anna Strauch:
Alle Jahre am 20. Dezember war der Strauchin ihr Geburtstag, und dieser wurde von ihr stets festlich begangen. Sie war für Erkenntlichkeiten sehr empfänglich, und wegen der Verwandtschaft und weil das Hotel Leoni eine unserer besten Kundschaften war, mußten meine kleine Schwester Anna und ich ihr stets feierlich gratulieren. Meine Mutter hat zu diesem Zwecke jedes Jahr einen schönen Gockel geschlachtet, gerupft und ausgenommen, und mein Bruder Max mußte eine wunderschöne Torte machen. Alles wurde schön auf je einen Teller gelegt, mit blauen und Silberbändern verziert, in den Korb gepackt, alsdann mußten wir zwei Gratulanten unsere besten Gewänder anziehen und wurden dann endlich nach einigen Belehrungen beim Einbruch der Dunkelheit fortgeschickt.
(Oskar Maria Graf: Dorfbanditen. Erlebnisse aus meinen Schul- und Lehrlingsjahren. Text der Erstausgabe von 1932. Hg. von Ulrich Dittmann (edition monacensia). Allitera Verlag, München 2011, S. 35f.)
(c) Literaturportal Bayern
Die Taufpatenschaft der „Leoniger Hotelbesitzerseheleute Oskar und Anna Strauch“ verleiht Grafs Vater Max wiederum einen relativ hohen sozialen Rang, erweitert die alte Geschäftsbeziehung ins Familiäre und bringt ihn (dem Anschein nach) in Berührung mit der „feinen, großen Welt“:
Die Strauchs waren großzügige, feine Leute, die es nicht gern sahen, wenn Bauern und sonstige Einheimische ihr Hotel besuchten. Insbesondere im Sommer war ihnen das unangenehm. Im Winter, wenn die meisten Herrschaften in der Stadt waren, gaben sie ein einziges Mal einen großen Ball, an dem die königlichen Bedienten und Hofbeamten vollzählig teilnahmen. Da waren ihnen auch die wohlhäbigen Landleute erwünscht. Sonst aber reflektierten sie nur auf noble, städtische Gäste [...]. Nur der Bäcker-Maxl war beim Strauch beliebt. Ihm schmeichelte, daß sich die beiden Hotel-Eheleute zu ihm herabließen. Durch den Verkehr mit ihnen – so wenigstens erschien es ihm – kam er gewissermaßen ganz nahe mit der feinen, großen Welt in Berührung. Deswegen machte er in Leoni am liebsten seine pflichtmäßigen Geschäftszechen, abgesehen davon, daß die Strauchs auch seine beste Brotkundschaft waren.
(Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 5, S. 226)
Vom alten Seehotel mit seinen zwei romantischen Türmen und der Drahtseilbahn ist heute nicht mehr viel übrig – das Hotel muss 1977 einem flachdachigen Neubau weichen. Lediglich der Seilbahnweg mit der Trasse durch den Wald und ein Wegweiser an der Garage des Waldcafés in Assenhausen zeugen noch von dem einstigen Glanz. Mit dem Dampfer gelangt man über die nördliche Rundfahrt wieder zurück nach Starnberg (Station 1).
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Der Ort Leoni (vormals Assenbuch) geht auf den Hofsänger und Gastwirt Giuseppe Leoni zurück, der im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts an der Stelle des Seehotels einen Sommersitz mit Wintergarten erwirbt. Während Leoni seine Mußestunden gerne am Kochherd zubringt, strömen die vornehmen Gäste zahlreich in das zum Restaurant und zur Pension umgebaute Haus. Um 1900 wird die Villa durch ein großes Seehotel ersetzt, das Oskar Strauch und seine Ehefrau Anna führen. Im Sommer 1896 haben sie und der neue Besitzer des auf der Rottmannshöhe gelegenen Hotels, Joseph Sigl, bereits die Konzession zum Betrieb einer Drahtseilbahn erhalten. Damit steht dem touristischen Pendelverkehr zwischen beiden Hotels anscheinend nichts mehr im Wege. Das Hotel Rottmannshöhe wird 1903 allerdings in ein Sanatorium für Nervenkranke umgewandelt, und die Bahn erreicht nicht die gewünschten Fahrgastzahlen.
Auch Graf spielt öfters auf den Bau der Drahtseilbahn an, so im Leben meiner Mutter und im Notizbuch des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf (1932) in der Erzählung „Katholische Begebnisse“. In der Geschichte „Die Gratulation“ aus der Sammlung Dorfbanditen berichtet er zudem vom alljährlichen Gang mit seiner Schwester Anna zur Taufpatin, der Besitzerin des Seehotels Leoni Anna Strauch:
Alle Jahre am 20. Dezember war der Strauchin ihr Geburtstag, und dieser wurde von ihr stets festlich begangen. Sie war für Erkenntlichkeiten sehr empfänglich, und wegen der Verwandtschaft und weil das Hotel Leoni eine unserer besten Kundschaften war, mußten meine kleine Schwester Anna und ich ihr stets feierlich gratulieren. Meine Mutter hat zu diesem Zwecke jedes Jahr einen schönen Gockel geschlachtet, gerupft und ausgenommen, und mein Bruder Max mußte eine wunderschöne Torte machen. Alles wurde schön auf je einen Teller gelegt, mit blauen und Silberbändern verziert, in den Korb gepackt, alsdann mußten wir zwei Gratulanten unsere besten Gewänder anziehen und wurden dann endlich nach einigen Belehrungen beim Einbruch der Dunkelheit fortgeschickt.
(Oskar Maria Graf: Dorfbanditen. Erlebnisse aus meinen Schul- und Lehrlingsjahren. Text der Erstausgabe von 1932. Hg. von Ulrich Dittmann (edition monacensia). Allitera Verlag, München 2011, S. 35f.)
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Die Taufpatenschaft der „Leoniger Hotelbesitzerseheleute Oskar und Anna Strauch“ verleiht Grafs Vater Max wiederum einen relativ hohen sozialen Rang, erweitert die alte Geschäftsbeziehung ins Familiäre und bringt ihn (dem Anschein nach) in Berührung mit der „feinen, großen Welt“:
Die Strauchs waren großzügige, feine Leute, die es nicht gern sahen, wenn Bauern und sonstige Einheimische ihr Hotel besuchten. Insbesondere im Sommer war ihnen das unangenehm. Im Winter, wenn die meisten Herrschaften in der Stadt waren, gaben sie ein einziges Mal einen großen Ball, an dem die königlichen Bedienten und Hofbeamten vollzählig teilnahmen. Da waren ihnen auch die wohlhäbigen Landleute erwünscht. Sonst aber reflektierten sie nur auf noble, städtische Gäste [...]. Nur der Bäcker-Maxl war beim Strauch beliebt. Ihm schmeichelte, daß sich die beiden Hotel-Eheleute zu ihm herabließen. Durch den Verkehr mit ihnen – so wenigstens erschien es ihm – kam er gewissermaßen ganz nahe mit der feinen, großen Welt in Berührung. Deswegen machte er in Leoni am liebsten seine pflichtmäßigen Geschäftszechen, abgesehen davon, daß die Strauchs auch seine beste Brotkundschaft waren.
(Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 5, S. 226)
Vom alten Seehotel mit seinen zwei romantischen Türmen und der Drahtseilbahn ist heute nicht mehr viel übrig – das Hotel muss 1977 einem flachdachigen Neubau weichen. Lediglich der Seilbahnweg mit der Trasse durch den Wald und ein Wegweiser an der Garage des Waldcafés in Assenhausen zeugen noch von dem einstigen Glanz. Mit dem Dampfer gelangt man über die nördliche Rundfahrt wieder zurück nach Starnberg (Station 1).
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