Leoni, Kreuzweg 94
Von Aufkirchen führt der Kreuzweg hinunter nach Leoni an den See. Hinter dem alten Hotel Rottmannshöhe (heute Jugendpsychatrie) geht der Weg über die Seilbahntrasse zur Villa Lugsee. Das auch als Villa Hussel bzw. Kastenjakl-Schlössl bekannte Gebäude wird 1865 im spätklassizistischen Stil vom Zimmermann Andreas Graf („Kastenjakl“, Station 6) erbaut. Die Fassade ist in der Mittelachse durch einen Zwerchgiebel mit Veranda und Balkonen betont, die Dachregion weist mit der geschmückten Attika, den ausgewinkelten Giebeln und dem Kamin reiche klassizistische Gestaltungselemente auf.
Die Geschichte des wohl als Spekulationsobjekt gedachten Neubaus wird von Oskar Maria Graf im Leben meiner Mutter ausführlich geschildert. Am Kreuzweg nach Aufkirchen oberhalb von Leoni bleibt der Kastenjakl stehen und versucht über Grafs Mutter Therese den Grund und Boden für sein neues Bauvorhaben zu gewinnen. Dabei ist ihm fast jedes Mittel recht:
Er spekulierte schon lange darauf, den Acker oberhalb Leoni gegen den seinen einzuhandeln, aber bis jetzt war ihm das noch nicht gelungen. Alles mögliche hatte er schon probiert. In finsteren Nächten umschritt er manchmal das Grundstück, blieb stehen am Rand des steil abfallenden Hügelkamms und schaute hinunter auf die weite, stille Fläche des Sees. Er knirschte mit den Zähnen und brummte: „Es muß mir gehören, es muß!“ Er schleppte einen Sack mit, lauter Steine waren darin. Er schlich spähend über den sprossenden Acker und übersäte ihn mit den Steinen. Die Sensen der Aufhauser wurden schartig davon. Er grub Engerlinge aus und pflanzte sie heimlich in den Heimrath-Acker. Am liebsten hätte er nachts nach der Aussaat Gift gestreut oder den reifen, wogenden Segen angezündet. Doch das war zu riskant.
(Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 5, S. 93)
Obwohl er das Grundstück im Oktober 1863 erwirbt, bei der Aushebung der Grundfläche mithilft und sein Kastenjakl-Gütl 1864 an die „Theaterdirektorsgattin“ Anna Schwaiger verkauft, um seine Baupläne umzusetzen, geht der Kastenjakl als gescheiterter Bauherr in die Familien- und Dorfgeschichte ein: „‚Heißen tut's, er ist bankrott‘, warf die Heimrathin ein. Das entsprach der Wahrheit. Schon seit einem Monat stockte die Arbeit auf dem Bau vom Kastenjakl.“ (ebda., S. 100) Das Haus muss noch vor der Fertigstellung im Jahr 1865 verpfändet werden.
Grafs Hinweis, der Kastenjakl habe das „Seewiesenhaus“ in Leoni gleich nach seiner Hochzeit 1842 gebaut, entspricht hingegen nicht den Tatsachen. Er irrt ferner, wenn er schreibt, der Schriftsteller Wilhelm Ritter von Hackländer (1816-1877) habe es „für einen Preis, der das Doppelte der Gestehungskosten ausmachte“, dem Kastenjakl abgekauft (ebda., 87). Ein solcher Bau ist im Kataster nicht erkennbar und praktisch nicht möglich, zumal die Villa Hackländer schon im Jahr 1827 vom kgl. Baurat Johann Ulrich Himbsel (1787-1860) als Sommerhaus errichtet worden ist und Hackländer dieses nach dem Tod Himbsels für sich erwirbt.[8]
[8] Vgl. Dirk Heißerer (2010): Wellen, Wind und Dorfbanditen, a.a.O., S. 69: „Graf will nicht historisch wahr erzählen, sondern das Bild des typischen, kompromisslosen Spekulanten episch verstärken; Lebensart und Schicksal seines Großonkels schienen ihm als Grundzug dafür am besten geeignet. In Grafs Erzählung bekommt daher mehr der Kastenjakl als der Bäcker Max Graf, Oskars Vater, die Funktion der Gegenfigur zur bodenständigen und realistisch dargestellten Mutter.“
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Von Aufkirchen führt der Kreuzweg hinunter nach Leoni an den See. Hinter dem alten Hotel Rottmannshöhe (heute Jugendpsychatrie) geht der Weg über die Seilbahntrasse zur Villa Lugsee. Das auch als Villa Hussel bzw. Kastenjakl-Schlössl bekannte Gebäude wird 1865 im spätklassizistischen Stil vom Zimmermann Andreas Graf („Kastenjakl“, Station 6) erbaut. Die Fassade ist in der Mittelachse durch einen Zwerchgiebel mit Veranda und Balkonen betont, die Dachregion weist mit der geschmückten Attika, den ausgewinkelten Giebeln und dem Kamin reiche klassizistische Gestaltungselemente auf.
Die Geschichte des wohl als Spekulationsobjekt gedachten Neubaus wird von Oskar Maria Graf im Leben meiner Mutter ausführlich geschildert. Am Kreuzweg nach Aufkirchen oberhalb von Leoni bleibt der Kastenjakl stehen und versucht über Grafs Mutter Therese den Grund und Boden für sein neues Bauvorhaben zu gewinnen. Dabei ist ihm fast jedes Mittel recht:
Er spekulierte schon lange darauf, den Acker oberhalb Leoni gegen den seinen einzuhandeln, aber bis jetzt war ihm das noch nicht gelungen. Alles mögliche hatte er schon probiert. In finsteren Nächten umschritt er manchmal das Grundstück, blieb stehen am Rand des steil abfallenden Hügelkamms und schaute hinunter auf die weite, stille Fläche des Sees. Er knirschte mit den Zähnen und brummte: „Es muß mir gehören, es muß!“ Er schleppte einen Sack mit, lauter Steine waren darin. Er schlich spähend über den sprossenden Acker und übersäte ihn mit den Steinen. Die Sensen der Aufhauser wurden schartig davon. Er grub Engerlinge aus und pflanzte sie heimlich in den Heimrath-Acker. Am liebsten hätte er nachts nach der Aussaat Gift gestreut oder den reifen, wogenden Segen angezündet. Doch das war zu riskant.
(Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 5, S. 93)
Obwohl er das Grundstück im Oktober 1863 erwirbt, bei der Aushebung der Grundfläche mithilft und sein Kastenjakl-Gütl 1864 an die „Theaterdirektorsgattin“ Anna Schwaiger verkauft, um seine Baupläne umzusetzen, geht der Kastenjakl als gescheiterter Bauherr in die Familien- und Dorfgeschichte ein: „‚Heißen tut's, er ist bankrott‘, warf die Heimrathin ein. Das entsprach der Wahrheit. Schon seit einem Monat stockte die Arbeit auf dem Bau vom Kastenjakl.“ (ebda., S. 100) Das Haus muss noch vor der Fertigstellung im Jahr 1865 verpfändet werden.
Grafs Hinweis, der Kastenjakl habe das „Seewiesenhaus“ in Leoni gleich nach seiner Hochzeit 1842 gebaut, entspricht hingegen nicht den Tatsachen. Er irrt ferner, wenn er schreibt, der Schriftsteller Wilhelm Ritter von Hackländer (1816-1877) habe es „für einen Preis, der das Doppelte der Gestehungskosten ausmachte“, dem Kastenjakl abgekauft (ebda., 87). Ein solcher Bau ist im Kataster nicht erkennbar und praktisch nicht möglich, zumal die Villa Hackländer schon im Jahr 1827 vom kgl. Baurat Johann Ulrich Himbsel (1787-1860) als Sommerhaus errichtet worden ist und Hackländer dieses nach dem Tod Himbsels für sich erwirbt.[8]
[8] Vgl. Dirk Heißerer (2010): Wellen, Wind und Dorfbanditen, a.a.O., S. 69: „Graf will nicht historisch wahr erzählen, sondern das Bild des typischen, kompromisslosen Spekulanten episch verstärken; Lebensart und Schicksal seines Großonkels schienen ihm als Grundzug dafür am besten geeignet. In Grafs Erzählung bekommt daher mehr der Kastenjakl als der Bäcker Max Graf, Oskars Vater, die Funktion der Gegenfigur zur bodenständigen und realistisch dargestellten Mutter.“
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