Oberberg, Grafstraße 18
Im Kramerhaus schräg gegenüber vom Geburtshaus leben seit Anfang der 1920-Jahre Grafs Mutter, seine Schwester Theres sowie sein Bruder Maurus. Dieser betreibt dort zuerst eine Konditorei, später auch ein weithin bekanntes Kaffeehaus:
Wie in einer kleinen, beengenden Nußschale spielte sich das Leben im Kramerhaus ab. Der Maurus hatte endlich die Konzession für einen Kaffeehausbetrieb erhalten und baute neben der Backstube einen Raum für die Gäste aus. Die Zeit war gut. Er spürte neuen Auftrieb, und der Erfolg hatte ihn unternehmungslustig gemacht. Doch seine Interessen und die der Theres stießen sich beständig. [...] Heftige Streitigkeiten brachen immer wieder aus. Die Nußschale drohte manchmal zu zerspringen: Bruder und Schwester trennten schließlich den Haushalt. Mutter, die durch all diese giftigen Reibereien sehr mitgenommen worden war, zog mit Theres in den ersten Stock und wirtschaftete für sie und Annamarie [Oskar Maria Grafs eigene Tochter]. Maurus nahm sich eine Helferin, und der Lenz, vom gefallenen Maxl der jüngste Sohn, arbeitete als Lehrling bei ihm.
(Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 5, S. 610f.)
Maurus ist ein erstklassiger Konditor, der nach Meinung des deutsch-amerikanischen Schriftstellers und Philosophen Ludwig Marcuse (1894-1971) „der teuerste und literarisch versierteste Konditor“ war: „Nie hat jemand [Carl] Sternheim gründlicher analysiert als er.“[6] Der literarisch und künstlerisch versierte Maurus, der sich alle Mühe gegeben hat, den jungen Graf beständig für Bücher zu interessieren (Station 2), macht das nach ihm benannte „Café Maurus“ zu einem Treffpunkt der besonderen Art: seit der Gründung 1920 bis in die 1960er-Jahre hinein ist es ein Ort der Münchener Literaturszene. Heute allerdings ist von dem in der Grafstraße 18 gelegenen Café nur noch die Außenlaterne vorhanden.
[6] Ludwig Marcuse: Mein zwanzigstes Jahrhundert. Paul List Verlag, München 1960. Zit. nach Dirk Heißerer (2010): Wellen, Wind und Dorfbanditen, a.a.O., S. 91. Vgl. hierzu Hans Dollinger (2009): „Graf war hinterfotzig, glänzend gelaunt, grob und lyrisch...“ Erinnerung an die heute vergessene Freundschaft zwischen Oskar Maria Graf und dem Kulturphilosophen Ludwig Marcuse. In: Jahrbuch der Oskar Maria Graf-Gesellschaft, S. 70-73.
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Im Kramerhaus schräg gegenüber vom Geburtshaus leben seit Anfang der 1920-Jahre Grafs Mutter, seine Schwester Theres sowie sein Bruder Maurus. Dieser betreibt dort zuerst eine Konditorei, später auch ein weithin bekanntes Kaffeehaus:
Wie in einer kleinen, beengenden Nußschale spielte sich das Leben im Kramerhaus ab. Der Maurus hatte endlich die Konzession für einen Kaffeehausbetrieb erhalten und baute neben der Backstube einen Raum für die Gäste aus. Die Zeit war gut. Er spürte neuen Auftrieb, und der Erfolg hatte ihn unternehmungslustig gemacht. Doch seine Interessen und die der Theres stießen sich beständig. [...] Heftige Streitigkeiten brachen immer wieder aus. Die Nußschale drohte manchmal zu zerspringen: Bruder und Schwester trennten schließlich den Haushalt. Mutter, die durch all diese giftigen Reibereien sehr mitgenommen worden war, zog mit Theres in den ersten Stock und wirtschaftete für sie und Annamarie [Oskar Maria Grafs eigene Tochter]. Maurus nahm sich eine Helferin, und der Lenz, vom gefallenen Maxl der jüngste Sohn, arbeitete als Lehrling bei ihm.
(Oskar Maria Graf: Das Leben meiner Mutter. Werkausgabe in 16 Bänden. Hg. von Wilfried F. Schoeller. Bd. 1-13. List Verlag, München/Leipzig 1994, Bd. 5, S. 610f.)
Maurus ist ein erstklassiger Konditor, der nach Meinung des deutsch-amerikanischen Schriftstellers und Philosophen Ludwig Marcuse (1894-1971) „der teuerste und literarisch versierteste Konditor“ war: „Nie hat jemand [Carl] Sternheim gründlicher analysiert als er.“[6] Der literarisch und künstlerisch versierte Maurus, der sich alle Mühe gegeben hat, den jungen Graf beständig für Bücher zu interessieren (Station 2), macht das nach ihm benannte „Café Maurus“ zu einem Treffpunkt der besonderen Art: seit der Gründung 1920 bis in die 1960er-Jahre hinein ist es ein Ort der Münchener Literaturszene. Heute allerdings ist von dem in der Grafstraße 18 gelegenen Café nur noch die Außenlaterne vorhanden.
[6] Ludwig Marcuse: Mein zwanzigstes Jahrhundert. Paul List Verlag, München 1960. Zit. nach Dirk Heißerer (2010): Wellen, Wind und Dorfbanditen, a.a.O., S. 91. Vgl. hierzu Hans Dollinger (2009): „Graf war hinterfotzig, glänzend gelaunt, grob und lyrisch...“ Erinnerung an die heute vergessene Freundschaft zwischen Oskar Maria Graf und dem Kulturphilosophen Ludwig Marcuse. In: Jahrbuch der Oskar Maria Graf-Gesellschaft, S. 70-73.
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