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Unterberg, Seestraße 15

Um die Ecke an der Seestraße liegt die ehemalige Villa Knecht. Die Villa der Münchner Hotelbesitzerin Eleonore Knecht aus dem Jahre 1898 und das nahe gelegene See-Hotel gehörten ursprünglich zusammen: Knecht, die Besitzerin des See-Hotels Berg ist, lässt sich südlich des Hotels eine Villa erbauen. 1900 beginnt der Neubau des Hauses, der Architekt ist Josef Fischhaber. Er konzipiert einen kubischen Bau mit Flachwalmdach, der durch seine Fassade mit Eckquadern, Gesimsen sowie diversen Fensterformaten kräftig strukturiert ist. Als Vorbild dient das typische Landhaus der Toskana. Die Spiegelung des hellen Baus im Wasser, die ausstellbaren Fensterläden und die mit Ziervasen besetzte Ufermauer wirken so italienisch wie nur wenige Gebäude am Starnberger See.

In stilisierter „Buben-Grammatik“ erzählt Oskar Maria Graf in seinem Buch Dorfbanditen (1932), wie der Geschäftssinn der einheimischen Burschen durch die fremden Städter, zu denen auch das „Fräulein Knecht“ gehört, angetrieben wird. Dabei wird er nicht müde, den Wandel der Starnberger Seegegend um 1900 zu betonen:

Besonders umlauert ist von uns ein Fräulein Knecht worden. Das war eine große, hochbusige, immer sehr auffällig gekleidete Dame, die wo immer schon von weitem geduftet hat. Sie hat blitzende Halsketten umgehabt, ihre Hände waren voller Ringe, jeden Tag ist sie durch das Dorf stolziert und hinter ihr her liefen zwei ganz kleine, langhaarige Schoßhunde. Es ist auch manchmal ein älterer Herr mit Zwicker und grauem Vollbart mit ihr gegangen und gewohnt hat sie in einer eigenen Villa am See. Im Dorf ist gesagt worden, der Herr ist ihr Galan und sie lebt im Konkubinat. Wir haben uns unter dem letzteren etwas undenkbar Reiches vorgestellt und da muß schon etwas daran gewesen sein. Wenn wir nämlich dem Fräulein Knecht die Hand gedrückt haben, dann hat sie sehr freundlich gelächelt, ihre silberne Handtasche aufgemacht und uns meistens zwanzig Pfennig, sehr oft aber sogar ein Fufzgerl geschenkt. Der Kramerfeichtmartl, mein bester Freund, ist alsdann auf die Idee gekommen, daß man dem Fräulein Knecht wegen einer solchen Freigiebigkeit schon mehr bieten muß. Und auf das hin haben wir ihr meistens einen Büschel Schlüsselblumen oder Anemonen gegeben. Das hat sehr gewirkt und jetzt sind die geschenkten Fufzgerl viel öfter geworden. Das Blumenbrocken haben wir von da ab sehr eifrig betrieben, weil sich das auch bei einer anderen Frau im Dorf sehr rentiert hat.

(Oskar Maria Graf: Dorfbanditen. Erlebnisse aus meinen Schul- und Lehrlingsjahren. Text der Erstausgabe von 1932. Hg. von Ulrich Dittmann (edition monacensia). Allitera Verlag, München 2011, S. 67)

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik