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In der ehemaligen Buchhandlung befindet sich heute eine Näherei. (c) Literaturportal Bayern

Horváth: Schellingstraße 46-41

Ob es sich beim Vorbild für das Antiquariat der Afra Krumbier (in Horváths Roman Sechsunddreißig Stunden) um die Buchhandlung und das Antiquariat Ludwig Stark, Schellingstraße 46, handelt, ist fraglich. Doch immerhin ist dieses Antiquariat in Ödön von Horváths Blickfeld. Im Roman Der ewige Spießer heißt es diesbezüglich:

Von da ab wohnte sie [Anna Pollinger] bei ihrer Tante in der Schellingstraße, nicht dort, wo sie bei der Ludwigskirche so vornehm beginnt, sondern dort, wo sie aufhört. Dort vermietete die Tante im vierten Stock zwei Zimmer und führte parterre das Geschäft ihres seligen Mannes weiter, und das war kaum größer als eine Kammer. Darüber stand „Antiquariat,“ und in der Auslage gab es zerrissene Zeitschriften und verstaubte Aktpostkarten. (aus: Ödön von Horváth: Gesammelte Werke. Kommentierte Werkausgabe in Einzelbänden. Hg. von Traugott Krischke und Susanna Foral-Krischke. Bd. 1-14. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1983ff., Bd. 12, S. 47)

Das Ganze erinnert natürlich an Thomas Manns Novelle Gladius Dei:

Aber dort oben am Odeonsplatz [...] drängen sich die Leute um die breiten Fenster und Schaukästen des großen Kunstmagazins, des weitläufigen Schönheitsgeschäftes von M. Blüthenzweig. Welche freudige Pracht der Auslage! Reproduktionen von Meisterwerken aus allen Galerien der Erde, eingefaßt in kostbare, raffiniert getönte und ornamentierte Rahmen in einem Geschmack von preziöser Einfachheit; Abbildungen moderner Gemälde, sinnenfroher Phantasieen, in denen die Antike auf eine humorvolle und realistische Weise wiedergeboren zu sein scheint; [...]

Es schritt ein Jüngling die Schellingstraße hinan; er schritt, umklingelt von den Radfahrern, in der Mitte des Holzpflasters der breiten Fassade der Ludwigskirche entgegen. Sah man ihn an, so war es, als ob ein Schatten über die Sonne ginge oder über das Gemüt eine Erinnerung an schwere Stunden. (aus: Thomas Mann: Gladius Dei. In: Die Erzählungen. Einmalige Sonderausgabe. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1997, S. 193-195)

Ziemlich in der Nähe der Buchhandlung Ludwig Stark befindet sich zur damaligen Zeit im Gebäude des Münchner Buchgewerbehauses Müller & Sohn, Schellingstraße 39-41, die Produktionsstätte des Verlags „Franz Eher Nachf.“ Diesen haben die Nationalsozialisten zu einem Preis von 120.000 Mark am 17. Dezember 1920 aufgekauft. Der Verlag besitzt seit 1925 die alleinigen Rechte an Hitlers Mein Kampf – elf Millionen Exemplare werden in zwanzig Jahren gedruckt. Im selben Gebäude befinden sich auch die Redaktion und Druckerei des Völkischen Beobachters, der einflussreichsten Zeitung des NS-Regimes. „Die Schellingstraße [...] wurde mehr und mehr die zweite und eigentliche Geburtsstätte der sogenannten ‚Bewegung‘. [...] Hier erschien jenes ominöse Blättchen und wuchs zur Riesenzeitung, hier wurde das Haus jener schwindsüchtigen Firma zum stattlichen Neubau und zum Sitz des allmächtigen Parteiverlags“, schreibt der Kulturkritiker Hans Brandenburg.

 


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Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik

Externe Links:

Franz Eher Nachf. Verlag (Zentralverlag der NSDAP) im Historischen Lexikon Bayerns

Völkischer Beobachter im Historischen Lexikon Bayerns