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Titelblatt der Wanderweg-Broschüre

Lamberg: Endpunkt Nietzsche-Wanderweg

Mit der Eisenbahn, meist jedoch zu Fuß gelangen die Reisenden über Franzensbad und Eger, Waldsassen, Weiden und Schwandorf nach Cham und Chammünster, „auf Feldwegen“ ersteigen sie den Lamberg, bevor ihr Weg in den nächsten Tagen nach Arnschwang, Bodenmais, Zwiesel, Regen, Deggendorf, Regensburg und schließlich über Nürnberg und Coburg nach Meininigen führt.

Friedrich Nietzsche gibt sich in seinen Aufzeichnungen über diese Reise wortkarg, in seinen „Heften“ finden sich lediglich Ortsangaben, Notizen über Ausgaben für Essen und Unterkunft oder Verse aus Gästebüchern. Sein Begleiter Erwin Rohde hingegen hat die Eindrücke „unsrer abenteuerlichen Fahrt … in das Land der Urwälder“ in einem ausführlichen Bericht niedergelegt, voller poetischer Betrachtungen über Land und Leute. Berauscht von den Schönheiten der Natur, in geradezu romantischer Verklärung erinnert er sich der Wanderung auf den Lamberg: „Bald kamen wir in den Wald: und, zum ersten Mal auf dieser Reise in eigentlichem, Menschen verlassnen Wald, gaben wir uns mit dürstender Seele dem mährchenhaften Reiz hin, der in dieser duftenden Waldstille mit der allmählich im geheimnißvollen grünen Dunkel verschwindenden Aussicht, und den abgerissnen Vogelrufen und dem fernen Rauschen der höchsten Baumwipfel liegt.“

Seit dem Sommer 2006 kann man diese bezaubernden Schilderungen vor Ort nacherleben: auf dem Friedrich-Nietzsche-Wanderweg, der vom Parkplatz „Zisslerkreuz“, nahe Chammünster gelegen, über die Rote Marter vorbei am Spitzigen Stein hinauf zum Gipfel mit der Wallfahrtskapelle St. Walburga führt. „Von dem kleinen Plateau des Lamberges“ – so Rohde – „hat man eine treffliche Aussicht auf die nördlich und östlich gelegnen Berge des eigentlichen bayr(ischen) Waldes: von ferne grüßen die Zacken des Arber, vorne liegt der lang gestreckte Kamm des Hohenbogen, davor kleinere Berge: und das Alles hob sich in den schönen violetten und blaugrauen Tinten der allmählich zum Untergang sinkenden Sonne von einander und von dem wolkenlosen Himmel malerisch ab.“ Über den Franzosenweg vorbei am Schwarzen Brunnen gelangt man zurück nach Chammünster – und mit etwas Glück mag auch der heutige Besucher jenen Zauber erleben, den Erwin Rohde lyrisch eingefangen hat: „Im Angesicht von Chammünster … lagerten wir uns ein wenig auf einer Wiese und genossen dort eine halbe Stunde von jenen Momenten, die zu den glücklichsten der ganzen Lebensreise wie jeder kleinern Reise zählen. Die Sonne war nur noch wenig über dem Horizont erhaben, und verklärte mit ihren Rosenlichtern den Himmel,, dessen Tiefe an solchen klaren Abenden unendlich scheint … Chammünster lag schon in tieferer Färbung, gegenüber glänzten die Säume des Berges in goldenen Linien, während er über die Ebene die zwischen ihm und uns lag, schon seinen blauen Schattenmantel deckte. … Wir lagen und vertieften bald den Blick in das endlos tiefe Meer des Himmels, bald erquickten wir uns an dem weiten Bild des friedlichen Thals und hinten der Ebene, die im hellrothen Lichte so lockend und verheißungsvoll dalag, wie das Land der wünsche und des Glückes, das dem Menschen mitten im bedrängten Dasein von ferne vorschwebt. … Die Natur war in diesen Augenblicken vollkommen, und der Geist wurde im reinen Anschauen verklärt und geläutert.“

In Nietzsches Aufzeichnungen dagegen findet sich über das Giplfelerlebnis nur die denkbar schlichte Notiz: "Oben Heidelbeeren. Oben Milch 12Kr."

 

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Verfasst von: Manfred Knedlik

Sekundärliteratur:

Nietzsche, Friedrich: Werke und Briefe. Bd. 3. Hg. von Hans Joachim Mette und Karl Schlechte. München 1935, S. 281, 427-430.

Däuble, Hedwig: Friedrich Nietzsche und Erwin Rohde. Mit bisher ungedruckten Briefen. In: Nietzsche Studien 5 (1976), S. 321-354.

Fremdenverkehrsprospekt: „Alles begann im Bayerischen Wald“. Auf den Spuren Friedrich Nietzsches - Der Wanderweg zum Lamberg. Mit Texten von Bernhard Setzwein. Cham o.J. [2012].


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