Fürth, Hauptbahnhof
Am 7. Dezember 1835 trifft in Fürth der „Adler“ aus Nürnberg ein: Die erste deutsche Eisenbahnstrecke mit Dampfkraft für den Personen- und Güterverkehr ist eröffnet. Auf das erste Bahnhofsgebäude, den Ludwigsbahnhof, folgt bereits in den 1860er Jahren ein Neubau, rund hundert Meter weiter südlich, der heutige Hauptbahnhof. Im Jahr 1889 steht dort auch Jakob Wassermann und wartet auf den Zug nach Wien. In der Autobiografie Mein Weg als Deutscher und Jude heißt es:
Die Sache war, dass ich dem Onkel, jenem Bruder meiner Mutter, der in kinderloser Ehe lebte, gleichsam versprochen war. Darauf hatte mein Vater seine ganze Hoffnung gesetzt; was ihm fehlgeschlagen war, sollte mir gelingen: reich zu werden; mich in einer großen Laufbahn als Nachfolger des bewunderten Schwagers zu sehen, war seine Lieblingsvorstellung. Meine abgeirrte Neigung zu unterdrücken, ließ er deshalb nichts unversucht.
Auch Engelhart Ratgeber, der Protagonist von Jakob Wassermanns gleichnamigem Roman, verlässt Fürth im jugendlichen Alter, um fern der Heimat endlich erwachsen zu werden. Zuvor besucht der junge Mann den Großvater, der unvermittelt konstatiert: „Deine Mutter war eine feine Frau, Engelhart, eine feine Frau, hat mir arg leid getan um die Frau. Dein Vater hat kein Glück mehr, seit sie tot ist.“ Die Geschichte fährt fort:
Es vergingen noch zwei Wochen, dann stand Engelhart eines Abends mit seinem Vater im Regen vor der Bahnhofshalle, und sie warteten auf den Zug. Immer von neuem wiederholte Herr Ratgeber: „Sei ein braver Mensch, werde ein braver Mann.“ Er ließ sich keine Rührung anmerken, und als Engelhart schon im Coupé saß und aus dem erleuchteten Fenster blickte, lächelte Herr Ratgeber sein seltsames, verlegenes, zuckendes Lächeln. Dann rollte der Zug davon, Herr Ratgeber schaute der roten Laterne des letzten Wagens so lange nach, bis die Finsternis und die Ferne das Licht verschlungen hatten, darauf seufzte er, spannte seinen Regenschirm auf und ging in tiefem Sinnen nach Hause. Er setzte sich zur Lampe, machte Auszüge und schrieb Fakturen bis gegen zwei Uhr nachts, und als er fertig war, sah er, dass es aus war mit seinen stolzen Plänen und Hoffnungen. Der Zusammenbruch war unvermeidlich.
Es vergehen knapp zehn Jahre, bis Jakob Wassermann, er lebt mittlerweile in München, seine ersten Erfolge als Schriftsteller feiern kann. Nach Fürth kommt er nur noch zu Besuch.
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Am 7. Dezember 1835 trifft in Fürth der „Adler“ aus Nürnberg ein: Die erste deutsche Eisenbahnstrecke mit Dampfkraft für den Personen- und Güterverkehr ist eröffnet. Auf das erste Bahnhofsgebäude, den Ludwigsbahnhof, folgt bereits in den 1860er Jahren ein Neubau, rund hundert Meter weiter südlich, der heutige Hauptbahnhof. Im Jahr 1889 steht dort auch Jakob Wassermann und wartet auf den Zug nach Wien. In der Autobiografie Mein Weg als Deutscher und Jude heißt es:
Die Sache war, dass ich dem Onkel, jenem Bruder meiner Mutter, der in kinderloser Ehe lebte, gleichsam versprochen war. Darauf hatte mein Vater seine ganze Hoffnung gesetzt; was ihm fehlgeschlagen war, sollte mir gelingen: reich zu werden; mich in einer großen Laufbahn als Nachfolger des bewunderten Schwagers zu sehen, war seine Lieblingsvorstellung. Meine abgeirrte Neigung zu unterdrücken, ließ er deshalb nichts unversucht.
Auch Engelhart Ratgeber, der Protagonist von Jakob Wassermanns gleichnamigem Roman, verlässt Fürth im jugendlichen Alter, um fern der Heimat endlich erwachsen zu werden. Zuvor besucht der junge Mann den Großvater, der unvermittelt konstatiert: „Deine Mutter war eine feine Frau, Engelhart, eine feine Frau, hat mir arg leid getan um die Frau. Dein Vater hat kein Glück mehr, seit sie tot ist.“ Die Geschichte fährt fort:
Es vergingen noch zwei Wochen, dann stand Engelhart eines Abends mit seinem Vater im Regen vor der Bahnhofshalle, und sie warteten auf den Zug. Immer von neuem wiederholte Herr Ratgeber: „Sei ein braver Mensch, werde ein braver Mann.“ Er ließ sich keine Rührung anmerken, und als Engelhart schon im Coupé saß und aus dem erleuchteten Fenster blickte, lächelte Herr Ratgeber sein seltsames, verlegenes, zuckendes Lächeln. Dann rollte der Zug davon, Herr Ratgeber schaute der roten Laterne des letzten Wagens so lange nach, bis die Finsternis und die Ferne das Licht verschlungen hatten, darauf seufzte er, spannte seinen Regenschirm auf und ging in tiefem Sinnen nach Hause. Er setzte sich zur Lampe, machte Auszüge und schrieb Fakturen bis gegen zwei Uhr nachts, und als er fertig war, sah er, dass es aus war mit seinen stolzen Plänen und Hoffnungen. Der Zusammenbruch war unvermeidlich.
Es vergehen knapp zehn Jahre, bis Jakob Wassermann, er lebt mittlerweile in München, seine ersten Erfolge als Schriftsteller feiern kann. Nach Fürth kommt er nur noch zu Besuch.
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