Augsburg, Bei den sieben Kindeln
Am 18. September 1898 ziehen die Brechts in die Straße Bei den Sieben Kindeln. An dem Haus mit der Nummer 1 erinnert heute eine kupferne Tafel an den berühmten Bewohner und seine Familie. Der Name der Gasse geht auf ein Relief aus der Römerzeit zurück, das die Wand des angrenzenden Hauses, Bei den sieben Kindeln 3, schmückt. Darauf sind ein Sarkophag und auf dessen Außenseite sechs Kinder zu sehen. Das Bildnis ist Ursache nicht nur für den Namen der Straße, sondern auch für eine Stadtlegende, die besagt, dass eines der sieben Kinder einer römischen Familie hier in den Lech gefallen und ertrunken sei – weshalb der Vater als Erinnerung das Relief mit den sechs trauernden Geschwistern anbringen ließ.
Am 25. Mai 1900, kurz bevor die Familie Brecht erneut umzieht, wird in diesem Haus Eugens Bruder Walter geboren, der später in die Fußstapfen seines Vaters tritt, zunächst studiert und ab 1926 einige Jahre bei den Haindlschen Papierfabriken arbeitet, bis er im Alter von 31 an einen Lehrstuhl für Papierfabrikation berufen wird und sich für eine akademische Laufbahn entscheidet. 1984, zwei Jahre vor seinem Tod, veröffentlich Walter Brecht seine Erinnerungen an die frühen Jahre der Familie Brecht unter dem Titel Unser Leben in Augsburg, damals. Darin ist auch von dem alten Jugenstilbad die Rede, das die beiden Häuser Bei den Sieben Kindeln überragt und „dessen Schwimmhalle wir jede Woche mindestens einmal besuchten“.
Eine der wohl bekanntesten Familien-Szenen von Bertolt Brecht – die ursprünglich freilich nicht von ihm, sondern aus der Bibel stammt – ist wohl die letzte Szene aus seinem Drama Der kaukasische Kreidekreis. In dem Stück streiten zwei Frauen um ein Kind. Die eine ist die leibliche Mutter, eine reiche Gouverneursfrau, die sich recht wenig um den Bub zu scheren scheint; die andere die Magd Grusche, die sich eine Zeit lang um Michel kümmerte und wahre Muttergefühle hegt. Der Fall kommt vor den „Armeleuterichter“ Azdak, und der befiehlt seinem Assistenten:
Schauwa, nimm ein Stück Kreide. Zieh einen Kreis auf den Boden. Stell das Kind hinein! Klägerin und Angeklagte, stellt euch neben diesen Kreis, beide! Fasst das Kind bei der Hand. Die wahre Mutter wird die Kraft haben, das Kind aus dem Kreis zu sich zu ziehen.
Man weiß, wie die Geschichte endet: Die Magd Grusche lässt los, weil sie es nicht ertragen kann, dem Kind Schmerzen zuzufügen – und bekommt es eben deshalb zugesprochen: „Und damit hat der Gerichtshof festgestellt, wer die wahre Mutter ist. [Zu Grusche:] Nimm dein Kind und bring´s weg.“ Brechts eigene Familie hat sich diese Anekdote nur bedingt zu Herzen genommen: In der Folge seines Todes wird nicht nur einmal um die Besitzrechte am wahren und richtigen Andenken gestritten.
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Am 18. September 1898 ziehen die Brechts in die Straße Bei den Sieben Kindeln. An dem Haus mit der Nummer 1 erinnert heute eine kupferne Tafel an den berühmten Bewohner und seine Familie. Der Name der Gasse geht auf ein Relief aus der Römerzeit zurück, das die Wand des angrenzenden Hauses, Bei den sieben Kindeln 3, schmückt. Darauf sind ein Sarkophag und auf dessen Außenseite sechs Kinder zu sehen. Das Bildnis ist Ursache nicht nur für den Namen der Straße, sondern auch für eine Stadtlegende, die besagt, dass eines der sieben Kinder einer römischen Familie hier in den Lech gefallen und ertrunken sei – weshalb der Vater als Erinnerung das Relief mit den sechs trauernden Geschwistern anbringen ließ.
Am 25. Mai 1900, kurz bevor die Familie Brecht erneut umzieht, wird in diesem Haus Eugens Bruder Walter geboren, der später in die Fußstapfen seines Vaters tritt, zunächst studiert und ab 1926 einige Jahre bei den Haindlschen Papierfabriken arbeitet, bis er im Alter von 31 an einen Lehrstuhl für Papierfabrikation berufen wird und sich für eine akademische Laufbahn entscheidet. 1984, zwei Jahre vor seinem Tod, veröffentlich Walter Brecht seine Erinnerungen an die frühen Jahre der Familie Brecht unter dem Titel Unser Leben in Augsburg, damals. Darin ist auch von dem alten Jugenstilbad die Rede, das die beiden Häuser Bei den Sieben Kindeln überragt und „dessen Schwimmhalle wir jede Woche mindestens einmal besuchten“.
Eine der wohl bekanntesten Familien-Szenen von Bertolt Brecht – die ursprünglich freilich nicht von ihm, sondern aus der Bibel stammt – ist wohl die letzte Szene aus seinem Drama Der kaukasische Kreidekreis. In dem Stück streiten zwei Frauen um ein Kind. Die eine ist die leibliche Mutter, eine reiche Gouverneursfrau, die sich recht wenig um den Bub zu scheren scheint; die andere die Magd Grusche, die sich eine Zeit lang um Michel kümmerte und wahre Muttergefühle hegt. Der Fall kommt vor den „Armeleuterichter“ Azdak, und der befiehlt seinem Assistenten:
Schauwa, nimm ein Stück Kreide. Zieh einen Kreis auf den Boden. Stell das Kind hinein! Klägerin und Angeklagte, stellt euch neben diesen Kreis, beide! Fasst das Kind bei der Hand. Die wahre Mutter wird die Kraft haben, das Kind aus dem Kreis zu sich zu ziehen.
Man weiß, wie die Geschichte endet: Die Magd Grusche lässt los, weil sie es nicht ertragen kann, dem Kind Schmerzen zuzufügen – und bekommt es eben deshalb zugesprochen: „Und damit hat der Gerichtshof festgestellt, wer die wahre Mutter ist. [Zu Grusche:] Nimm dein Kind und bring´s weg.“ Brechts eigene Familie hat sich diese Anekdote nur bedingt zu Herzen genommen: In der Folge seines Todes wird nicht nur einmal um die Besitzrechte am wahren und richtigen Andenken gestritten.
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