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© Stadtarchiv München DE-1992-FS-NL-KV-2183

Maria-Theresia-Straße: Das Konsulat und die Monacensia

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© Pfarrmatrikel der Pfarrei Rothenberg

Tourenhinweis: Mit der Tram 16 (ab Reichenbachstraße) bis zum Haus der Kunst. Von dort mit Bus 100 bis zur Haltestelle „Friedensengel“. Dann Fußweg bis zum russischen Konsulat in der Maria-Theresia-Straße 17. Abschließend Besuch in der Monacensia Maria-Theresia-Straße 23 und dem Café MON.

Gemming war ein fleißiger Briefschreiber. Bis nach Saudi-Arabien und Russland versucht er sich zu vernetzen. Sein Ziel: eine Apanage, eine Einladung oder wenigstens ein Antwortschreiben irgendeiner Hoheit, um mit diesen Zeilen weitere Anknüpfungspunkte zu finden. Und tatsächlich, am 22. August 1875 meldet die Nürnberger Presse unter Vermischtes:

Dem Premierlieutant Herrn Aug. Gemming wurde von Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland ein werthvoller Brilliantring übersendet.

Es scheint, dass die Mühlen langsam gemahlen haben. Wenn die Pressenotiz den originalen Begleittext der Schenkungsurkunde zitiert, fällt auf, dass das „a.D.“ fehlt. Tatsächlich hatte sich Gemming schon, als er noch im aktiven Dienst stand, an den Kaiser gewendet. Er hatte diesem ein in grünes Saffianleder gebundenes Werk überreicht, das Tableaus, also Portraits von 1866 und 1870 gefallenen, deutschen Offizieren enthielt. Den Wert der Sendung gab er mit 40 Fl[orin] an. Über adelige Gewährsmänner und deren Verbindungsleute versucht er die Russische Gesandtschaft dazu zu bringen, dem Geschenk nachzuforschen. Damit erzielt er einige Verwicklungen, hat aber schließlich, dank einer kleinen Schummelei, Erfolg. Brieflich stellte er es so dar, dass er die Tableaus selbst angefertigt habe. Dabei unterschlägt er, dass die erste Ausgabe der Tableaus zwar von ihm angeregt, aber eben bereits 1867 von Christoph Schildknecht erstellt worden war. Am 22. März meldet die Passauer Zeitung, dass Christoph Schildknecht auf Anregung „A. Gemmings aus Nürnberg“ die Brustbilder der 55 im Krieg gefallenen Offiziere erstellen werde. Am 23. März meldet Fürther Tagblatt Ähnliches mit Bezug auf einen „Herrn Oberlieutenant v. Gemming in Nürnberg“.

Ungerecht, aber wahr: Am 25. August 1867 bekommt Schildknecht für ein „fünf Fuß hohes Tableau ein Dankschreiben und eine prachtvolle mit Diamanten garnierte Busennadel überreicht.“ Gemming dagegen erhält vom 5. bis 7. August 1867 Zimmerarrest in seiner Wohnung mit dieser Begründung laut Strafregister:

Weil er ein von ihm angeregtes artifizielles Werk an auswärtige Souveräne, ohne vorher von seiner vorgesetzten Stelle die Erlaubnis hierzu sich erbeten zu haben, übersendete.

Ein weiteres „Ehrengeschenk“ des bayerischen Königs erhielt Schildknecht am 27. August 1871 - diesmal für ein „trefflich ausgeführtes Gedenkblatt“ der gefallenen bayerischen Offiziere. Zweimal geht Gemming also leer aus. Beim dritten Mal will er sein Glück zwingen. Erst mit, dann ohne Vermittlung, wagt er, sich „direkt“ beim russischen Kaiser zu erkundigen, ob dieser das Präsent erhalten habe.

Am 15. November vorigen Jahres sandte ich, und zwar diesmal direkt an die Adresse des Kaisers von Rußland, diese Tableau der im Französischen Kriege gefallenen bayerischen Offiziere in grüner Saffian(?)-Mappe mit Goldarabesken – gleichfalls von mir mit unendlicher Mühe hergestellt, mit einem Briefe an den Kaiser.

Gesandtschaft St. Petersburg 430 1874-1875 © Bayerische Staatsbibliothek

Wenig verwunderlich, verschwindet sein Schreiben in den Tiefen der höfischen Diplomatie. Allerdings habe Graf von Taufkirchen ihm versichert, ein „Oberst Ltnt. Keller […] hätte das Bild persönlich übergeben, der Kaiser hätte große Freude darüber geäußert, und würde mir durch das dortige Haus ministrieren, jedenfalls Antwort zu kom[m]en“ zu lassen. Da dies nicht geschah, setzt Gemming erneut nach. 

Das nunmehr ein volles Jahr verflossen ist, und mir von Seiten des Kaisers keine Nachricht zu theil wurde, so bitte ich Eure Excellenz inständigst, da mir sehr viel daran gelegen ist, über das Schicksal meiner Sendung Näheres zu erfahren, wenn möglichst direkt bei Seiner Majestät dem Kaiser […] Erkundigung hierüber einziehen und mir dann gütige Mitteilung senden zu wollen.

Seien Eure Excellenz meines anheischigsten Dankes versichert, womit sich zeichnender Unter Versicherung ausgezeichneter Hochachtung und Verehrung
Eurer Excellenz 
Gehorsamster: August Gemming Premierlieutnant a.D. Klenzestraße 22, den 27. jj 74

Gesandtschaft St. Petersburg 430 1874-1875 © Bayerische Staatsbibliothek

Honi soi qui mal y pense (ungefähr: Ein Schelm, wer Böses denkt) 

Gemming tut so, als sei sein Nachfass frei von jedem Kalkül. Nur, weil das Tableaux „brillianter ausgestattet“ war, sei er daran interessiert zu erfahren, ob die Sendung „in die Hände seiner Majestät“ gelangt sei.  Doch die als edelmütig dargestellte Schenkung hält schon im eigenen Brief nicht, was sie verspricht. Die Vorschläge des Premierleutnants a.D. lassen deutlich erkennen, woher der Wind weht. 

Jeder Gedanke, hierfür irgendeine Auszeichnung, ein Geld, Diamanten oder Orden zu erhalten, sind mir fremd, nehme jedoch die goldene Medaille des Herzog May, sowie einiges anderes Anerkennung, die mir großmüthig zugedacht wurden, dankbarst an. […] Würde mir von Seiten Seiner Majestät irgend noch eine Auszeichnung zugedacht zu werden, so wäre ich allerdings einen solchen Beweis Allerhöchsten Grades doch zu schätzen wissen.
Unter Versicherung ausgezeichneter Hochachtung und Verehrung

Bis heute fehlen von der goldenen Medaille des Herzog May sowie von der Brillantnadel und dem Tableaux jede Spur. Sofern es sich bei der Meldung in der Nürnberger Zeitung nicht um eine – selbst lancierte – Ente handelt, ist anzunehmen, dass Gemming sie irgendwann aus finanzieller Not versetzte.


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