https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2024/Steppacher_GemmingSpaziergang/Bild_13_cStadtarchivMnchen_klein.jpg#joomlaImage://local-images/lpbplaces/2024/Steppacher_GemmingSpaziergang/Bild_13_cStadtarchivMnchen_klein.jpg?width=164&height=233
© Stadtarchiv München DE-1992-FS-NL-KV-2183

Gemmings Sarg

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2024/Steppacher_GemmingSpaziergang/Bild_24_StabiMuenchen_500.jpg
August Gemming, Poetische Verbrechen, Gedichte, 1. Aufl. Nürnberg 1874 © Bayerische Staatsbibliothek

Tourenhinweis: Wenn das Wetter es zulässt, kann man jetzt am besten auf einer der zahlreichen Bänke sitzen und diese Station lesen. 

Tod und Sterben spielen im Werk Gemmings keine geringe Rolle. Das mag bei einem humorigen Dichtersoldaten überraschen. Spätestens seit seiner Militärzeit (1853) verspottet Gemming die bigotten Ausprägungen unter Militärgeistlichen. In einem Gedicht heißt es:

O lass in meiner Sterbestund’ / An’s Bett mir keinen Pfaffen, / Der mich mit Weihrauch und Geheul / Will in das Jenseits schaffen.

In seinem lyrischem Debüt „Poetische Verbrechen“ (1874) finden sich Gedichte, die mit pantheistischen Vorstellungen spielen. Natur und Berge werden als „Kathedrale“ oder „Altar“ apostrophiert.  Im Gedicht „Grüaß Enk Gott!“ (geschrieben in Lenggries 1888) bekennt das lyrische Ich:

Ja Isarthal, Du bist mei‘ Freund / Zu dir zogs mich herein - / Und wenn herum ist einst mei‘ Zeit / Grabts in die Berg mich ein!

Das Gedicht „Malheur!“ thematisiert den widersprüchlichen Zusammenhang von Herkunftsreligion, Naturglaube und Mission. Auch die naturkundlichen Entdeckungs- und Missionsfahrten der Zeit stehen in der satirischen Schusslinie: 

Der Pfarrer, der arme – durch dessen Gnad / Ich hatte die Tauf‘ mir erworben -/ Der ist – Gott lasse ihn ruhen sanft -/ Diesselbe N8 noch gestorben./ Mein Taufpath hieß Ottmar – der forscht die Natur, / Der ist längst verloren – vergessen - / Den hab’n zwischen Pfingsten und Sinkapur / Zum Frühstück die Wildn gefressen.

Basierend auf naturkundlichen Explorationsreisen entstehen epochemachende Publikationen wie Charles Darwins The Origin of Species (1859). Sie beeinflussten den Blick auf die angebliche „Krönung der Schöpfung“. Entsprechend veränderten sich auch die Erzählungen über das menschliche Leben und das mögliche Danach. Angesichts eines faszinierenden, mechanisch gestaltbaren Diesseits verliert die christliche Vorstellung vom Jenseits an narrativer Bindekraft.

Auch Gemmings Sicht auf Freund Hein scheint nicht wirklich festgefügt. Dafür werden zu viele verschiedene Todes- und Wiederauferstehungsszenarien erprobt.  Es gibt allerdings eine Zeichnung, die er sich für einen seiner Gedichtbände angeeignet hat (nicht das einzige Mal übrigens.) Der Sensenmann hält dem Verstorbenen den Spiegel vor. In diesem steht, dass er „Von Vielen“ ge- und verkannt, aber nur von wenigen erkannt worden sei. Auf den Sarg hat Gemming die Buchstaben „A.G.“ und in den Spiegel unten seine zwei Hasen, eine Art Dichtersignet, einkopiert.


Zur Station 4 von 11 Stationen