Matthäser Filmpalast

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Die Kirche St. Michael in der Neuhauser Straße war am 18.6.2015 überfüllt. Grund war die Trauerfeier für den am 6.6.2015 im Alter von 86 Jahren verstorbenen, ikonischen und berühmtesten aller Winnetou-Darsteller Pierre Brice. Die Möglichkeit für seine Fans, sich in München von ihm zu verabschieden, schloss einen Kreis. Wurde doch der Grundstein für die Karl-May-Filmwelle der 1960er-Jahre und Brice‘ Karriere im Zentrum Münchens gelegt. Nach drei Karl-May-Adaptionen der 1920er-, einer der 1930er- und zwei der 1950er-Jahre – mit bescheidenen Ergebnissen – galt Karl May als nicht erfolgreich verfilmbar.

Filmproduzent Horst Wendlandt mit seiner „Rialto Film“-Firma fand in München mit der Constantin Film einen passenden Partner, um Karl May neu zu verfilmen. In den Büros der Constantin Film in der Landsberger Straße fanden die Verhandlungen statt, an denen als Rechteinhaberin an Karl Mays Werken die Verlegerfamilie Schmid aus Bamberg teilnahm. Ende 1961 tagte man aus diesem Grund außerdem im mittlerweile abgerissenen Hotel Königshof am Karlsplatz. Eine Anekdote von diesem Treffen berichtet, dass sich die potenziellen Vertragspartner ob der Verwirklichung des bis dato teuersten deutschen Nachkriegsfilms sehr unsicher waren. Sie wandten sich an einen Kellner des Hotels wandten und fragten, ob er Karl May kenne. Dieser antwortete: „Na, klar!“ Darauf sagte Wendlandt zum Verleger: „Herr Schmid, wir machen den Film!“

Der Schatz im Silbersee kam 1962 in die Kinos und ist bis heute einer der erfolgreichsten deutschen Filme. Der Erfolg bildete den Ausgangspunkt für eine äußerst bemerkenswerte Reihe von 17 Karl-May-Filmen zwischen 1962 und 1968. Schräg gegenüber dem Hotel Königshof befand sich seit 1957 der alte Mathäser-Filmpalast. Hier fanden sieben Welturaufführungen von Karl-May-Filmen statt, die mit der Anwesenheit von Stars und Mitwirkenden zu großen Festen und Massenaufläufen von Fans wurden: Winnetou I (11.12.1963), Old Shatterhand (30.4.1964), Unter Geiern (8.12.1964), Der Ölprinz (25.8.1965), Old Surehand (14.12.1965), Winnetou und das Halbblut Apanatschi (17.8.1966), Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten (12.12.1968)

Die Welturaufführung von Das Vermächtnis des Inka zeigte der nicht mehr existierende Stachus-Filmpalast am Karlsplatz 19 (9.4.1966). Die ungewöhnlichste und am meisten werkgetreue von allen May-Verfilmungen der 1960er-Jahre verdient aus bayerischer Sicht besondere Beachtung. Regisseur war der gebürtige Wiener und später in München lebende Georg Marischka, der in der ersten Folge des Monaco Franze, „A bissl was geht immer“, den Musikkritiker in der Wagner-Aufführung spielt. Marischka starb 1999 in München, sein Grab befindet sich am Nordfriedhof. Die Stars der May-Filme traten auch abseits der Premieren häufig in München auf, etwa bei Bambi-Preisverleihungen etwa oder Terminen mit der Jugendzeitschrift „Bravo“.

Am 18.10.1974, einen Tag nach der Weltpremiere in Wien, lief im Neuen ARRI Kino in der Türkenstraße Karl May von Hans-Jürgen Syberberg, eine Filmbiografie der späten Jahre des Schriftstellers. Die Innenaufnahmen des Filmes drehte Syberberg in den Bavaria-Studios am Geiselgasteig. Es sind die einzigen Aufnahmen eines Karl-May-Films, die in oder bei München gedreht wurden. Dies gilt, solange man Der Schuh des Manitou nicht zu den Karl-May-Filmen rechnet. Die im Jahre 2000 von Michael Herbig produzierte Persiflage auf und Hommage an die Winnetou-Verfilmungen mit Pierre Brice ist bis heute der erfolgreichste Film der deutschen Filmgeschichte. Herbig machte seine Innenaufnahmen in den Münchner ARRI-Studios. Die Verleihfirma war konsequenterweise die Constantin Film.

Den vorläufigen Schluss der Filmgeschichte Karl Mays in München bildet der Pastiche Der junge Häuptling Winnetou. Der Film wurde am 11.8.2022 im neuen Mathäser Filmpalast uraufgeführt. Sowohl der Film als auch die ihn begleitenden Bücher lösten im Umfeld von „Karl May“ und „Winnetou“ heftige Debatten über „kulturelle Aneignung“ aus (vgl. etwa im Literaturportal Bayern die Beiträge „Winnetou forever“ von Christian Schüle und „Zur Winnetou-Debatte in den USA“ von Tanja Dückers sowie ihr Interview mit George Ironstrack.

 


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