Theater am Gärtnerplatz

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Aktuell (2023) locken jeden Sommer ungefähr ein Dutzend Bühnen im deutschsprachigen Raum, mehr als 500.000 Zuschauer zu den jeweiligen „Karl-May-Festspielen“. Hier werden fast ausschließlich mehr oder weniger werknahe Inszenierungen geboten, die alle eines bzw. einen gemeinsam haben: Winnetou. Diese häufig dargestellte Figur hatte ihre Bühnenpremiere jedoch in einer Stadt, die kaum mit Karl-May-Spielen in Verbindung gebracht werden dürfte: München! Die erste Inszenierung bestand nicht in einem klassischen Stück im Abenteuer- und Actionmilieu, sondern in einer burlesken Operette, uraufgeführt im Frühjahr 1916 mit dem Titel „Fräulein Rothaut“ am Königlichen Theater am Gärtnerplatz.

In der Geschichte von Wilhelm Hagen (Pseudonym: H. Wilmers) reist Old Shatterhand zu den Apatschen, wo er sich in Winnetous Schwester verliebt. Der eigentlich vorgesehene Bräutigam sinnt auf Rache. Shatterhand flieht demütig in seine sächsische Heimat und schildert dort seine Heldentaten in Büchern. Als die Apatschen ihn in Dresden besuchen, zwingen sie den Schriftsteller, seine Geschichten so umzuschreiben, dass ihnen darin eine ruhmvolle Rolle zukommt. Sie drohen, andernfalls mit Enthüllungen über ihn an die Öffentlichkeit zu treten.

Die Karl-May-Parodie lief mindestens 15-mal bis zum 18. April 1916 und rief unterschiedliche Kritiken hervor. So urteilten verschiedene bayerische und österreichische Zeitungen, dass „die Operette eine gelungene Travestie der uns allen aus unserer Jugend bekannten Karl-May-Romantik“ sei, dass „das ganze Stil hat und als seltene Erscheinung auf der Operettenbühne freudig zu begrüßen“ sei, jedoch auch: „… die Sache ist ungewöhnlich geschmacklos, aber bezeichnend für den Tiefstand der Operette von heute“. Überliefert sind von dieser Inszenierung, abgesehen von Zeitungsartikeln nur ein Programmheft.

Der Darsteller des Winnetou, Josef Ludl, verdient besonders erwähnt zu werden. Der gebürtige Wiener war zu dieser Zeit der wichtigste und beliebteste Schauspieler komischer Figuren auf Münchens Bühnen, Bass-Sänger und Film-Pionier. Er gründete eine Filmproduktionsgesellschaft und spielte u.a. in „Die lustigen Vagabunden“ zusammen mit Karl Valentin. Ein paar Monate nach den Aufführungen von „Fräulein Rothaut“, wechselt Josef Ludl nach Berlin. Dort begeht der erste Bühnen-Winnetou der Theatergeschichte im Januar 1917 mit 49 Jahren Suizid.

 


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