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Hermann Hesse, ca. 1927

Augustenstr. 89: Auftritt Karl Valentin und Liesl Karlstadt

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Nach dem Besuch bei Thomas Mann und dem Treffen mit Joachim Ringelnatz gibt es drei Tage später auch etwas zu lachen. Auf die Frage, „ob es zur Zeit nicht in München wieder einen echten, klassischen Komiker“ gebe, empfiehlt Reinhold Geheeb seinem Freund einen gewissen

Valentin, und wir suchten die Zeitungen durch und fanden, daß er nachts in den Kammerspielen sein Stück ‚Die Raubritter vor München‘ spiele. Da gingen wir eines Abends hin. Bis zehn Uhr hatten sie in dem kleinen Theater Strindberg gespielt, dann kam Valentin an die Reihe.[67]

Diese Angaben lassen sich etwas präzisieren. „Raubritter vor München“, die „Historische Gaudi in 2 Akten von Karl Valentin u. Lisl (sic) Karlstadt“ (mit dem berühmten „Ententraum“), war am 1. April 1924 in den Münchner Kammerspielen an der Augustenstraße 89 uraufgeführt und im Jahr darauf vom 12. bis zum 22. November 1925 wieder auf den Spielplan gesetzt worden.[68] 

Die Kombination Strindberg-Valentin wurde in den Münchner Kammerspielen damals nur am Samstag, dem 14. November, und am Mittwoch, dem 18. November 1925, geboten, wie dem „Spielplan der Münchner Theater“ in den Münchner Neuesten Nachrichten zu entnehmen ist: Ab 19.30 Uhr Strindbergs Rausch (1899), gefolgt um 22.15 Uhr vom „Gastspiel Karl Valentin und Lisl (sic) Karlstadt: Raubritter vor München“.[69]

Da Hesse am Tag nach seiner Lesung in Nürnberg (10. November 1925) nach München gefahren war[70] und am 14. November abends Thomas Mann besuchte (vgl. Station 8), kommt für Hesses Besuch der „Raubritter“ in den Münchner Kammerspielen nur Mittwoch, der 18. November 1925, in Frage. Die Münchner Kammerspiele befanden sich damals noch bis zur Spielzeit 1926/27 in einem Vorstadttheater an der Augustenstraße 89. Dort hatte der Regisseur Otto Falckenberg Strindbergs Rausch erstmals in der Spielzeit 1914/15 inszeniert.[71]

Hermann Hesse sieht also, wie Karl Valentin „mit einer kleinen Truppe die ‚Raubritter vor München‘“ spielt und erlebt „ein wunderbares Stück, eine außerordentliche Viecherei“. Das Komische und das Tragische werden gleichermaßen „mit brausenden Lachsalven“ begrüßt, Hesse lacht mit und wünscht, dass das Stück nicht mehr aufhöre. Die Komik und der Jammer des Menschenlebens kommen ihm geballt entgegen, Valentin und die Karlstadt bringen „unser dummes banges Menschenlos auf die komische Formel“, und so gehört dieser Abend mit der „Erinnerung an Valentin (…) zu den Kostbarkeiten dieser Reise“.[72]

(c) dtv Verlag

 


Station 11 von 13 Stationen


 


[67] Hermann Hesse: Die Nürnberger Reise (1927) (wie Anm. 42), S. 181.

[68] Vgl. Karl Valentin: Raubritter vor München, in: Karl Valentin: Sämtliche Werke in neun Bänden. Band 5: Stücke. München 2007, S. 94-119, 376; Karl Valentin 1882-1948, Stationen seines Lebens, in: Wolfgang Till (Hrsg.): Karl Valentin. Volks-Sänger? DADAist?. München 1982, S. 469-542, hier S. 516.

[69] Vgl. Münchner Neueste Nachrichten (München), Nr. 314 vom 14.11.1925, S. 4 sowie Nr. 319 vom 18.11.1925, S. 4.

[70] Vgl. Wilhelm Kunze: Hermann Hesse 1925 in Nürnberg. Tagebuchnotizen vom 24.6.1926, in: Hermann Hesse in Augenzeugenberichten, hrsg. von Volker Michels. Frankfurt am Main 1987, S. 102-106, hier S. 105f.

[71] Vgl. Birgit Pargner: Otto Falckenberg. Regiepoet der Münchner Kammerspiele, hrsg. vom Deutschen Theatermuseum München. Leipzig 2005, S. 53 (zu Rausch) und 226 (Zeittafel).

[72] Hermann Hesse: Die Nürnberger Reise (1927) (wie Anm. 42), S. 181f.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer

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