Marienplatz 8: Treffen mit Joachim Ringelnatz
Doch zurück in den November 1925 in München. Nach dem Besuch bei Thomas Mann trifft sich Hermann Hesse am Tag darauf mit dem Dichter Joachim Ringelnatz (1883-1934) im Ratskeller am Marienplatz. Ringelnatz ist so etwas wie das Gegenstück des nur in Ausnahmefällen zu Dichterlesungen reisenden Hesse. Ringelnatz ist ständig unterwegs, und seine lyrischen Reisebriefe eines Artisten (1927) von den vielen Orten, an denen er aufgetreten ist, an seine Frau, genannt „Muschelkalk“, geben davon tragikomisch Kunde. Auf seiner Nürnberger Reise hat Hesse in Augsburg kurz nach der Ankunft am 5. November 1925 im Hotel Drei Mohren „einen von Ringelnatzens Reisebriefen“[61] im Simplicissimus gelesen – gemeint ist das Gedicht „Eisenach“, erschienen am 26. Oktober 1925 und zugleich das Eröffnungsgedicht der Reisebriefe eines Artisten (1927)[62] – und möchte daher Ringelnatz, der damals im westlichen Schwabing, Hohenzollernstraße 31a, Rückgebäude, 2. Stock wohnt (heute Neubau), persönlich kennenlernen. Die Begegnung im Ratskeller am Marienplatz hat am 15. November 1925 stattgefunden:
Und nun wollte ich gerne auch den Mann sehen, der die Artistenbriefe im ‚Simplizissimus‘ schreibt, den Joachim Ringelnatz, und er war so freundlich, für einen Abend zu kommen, und wir tranken im Ratskeller allerlei guten Wein und waren vergnügt. Als dies zu Ende war, ging ging ich zur Trambahn und fuhr nach Hause, hatte genug und legte mich ins Bett, Ringelnatz aber fing um diese Stunde erst an zu arbeiten, er mußte noch auf seinem Brettl auftreten, worum ich ihn nicht beneidete.[63]
Während Hesse also „nach Hause“ in die Kratzerstraße 13 (vgl. Station 12) fährt, tritt Ringelnatz am Abend des 15. November 1925 im Lokal Simpl (geleitet von Kathi Kobus) an der Türkenstraße 57 auf.[64]
Hesse hält den Kontakt mit Ringelnatz aufrecht, schickt dem ebenfalls malenden Lyriker vermutlich die mit vier Aquarellen geschmückte Sammlung Sinclairs Notizbuch (1923), wofür sich Rngelnatz Anfang Dezember 1925 bei Hesse bedankt und ergänzt, er habe Hesse bei der Begegnung „neulich (…) noch lieber“ gewonnen als er ihn aus seinen Schriften bereits gemocht habe.[65] Die Verbindung hielt an, und im November 1929 trafen sich Hesse und Ringelnatz „mehrmals“ in Zürich.[66]
[61] Hermann Hesse: Die Nürnberger Reise (1927) (wie Anm. 42), S. 171.
[62] Vgl. Joachim Ringelnatz: Reisebriefe eines Artisten. Eisenach (An den liebsten Freund), in: Simplicissimus (München), Jg. 30, Nr. 30 vom 26.10.1925, S. 435; auch in: Joachim Ringelnatz: Reisebriefe eines Artisten, Berlin 1927, S. 7f.
[63] Hermann Hesse: Die Nürnberger Reise (1927) (wie Anm. 42), S. 180. In seinem Brief an Emmy Ball-Hennings vom 15.11.1925 hatte Hesse geschrieben, er „hoffe heut Abend Ringelnatz zu treffen“, in: Hermann Hesse, Emmy Ball-Hennings, Hugo Ball: Briefwechsel 1921 bis 1927 (wie Anm. 43), S. 352.
[64] Vgl. die Anzeige des „Simpl“ in: AZ am Morgen (München) Nr. 302 vom 15.11.1925, S. 16 (Abb. 19b) sowie: Eine Wirtin und ihr Hausdichter. Kathi Kobus, die Künstlerkneipe Simplicissimus und Joachim Ringelnatz, in: Dirk Heißerer: Wo die Geister wandern (wie Anm. 8), S. 77-88.
[65] Joachim Ringelnatz: Brief an Hermann Hesse, München 05.12.1925, in: Joachim Ringelnatz: Briefe, hrsg. von Walter Pape. Berlin 1988, Nr. 342, S. 331f., hier S. 332 sowie S. 526 (Kommentar).
[66] Joachim Ringelnatz: Brief an seine Frau Muschelkalk, Zürich, 27.11.1929, in: ebd., Nr. 432, S. 383f., hier S. 384.
Doch zurück in den November 1925 in München. Nach dem Besuch bei Thomas Mann trifft sich Hermann Hesse am Tag darauf mit dem Dichter Joachim Ringelnatz (1883-1934) im Ratskeller am Marienplatz. Ringelnatz ist so etwas wie das Gegenstück des nur in Ausnahmefällen zu Dichterlesungen reisenden Hesse. Ringelnatz ist ständig unterwegs, und seine lyrischen Reisebriefe eines Artisten (1927) von den vielen Orten, an denen er aufgetreten ist, an seine Frau, genannt „Muschelkalk“, geben davon tragikomisch Kunde. Auf seiner Nürnberger Reise hat Hesse in Augsburg kurz nach der Ankunft am 5. November 1925 im Hotel Drei Mohren „einen von Ringelnatzens Reisebriefen“[61] im Simplicissimus gelesen – gemeint ist das Gedicht „Eisenach“, erschienen am 26. Oktober 1925 und zugleich das Eröffnungsgedicht der Reisebriefe eines Artisten (1927)[62] – und möchte daher Ringelnatz, der damals im westlichen Schwabing, Hohenzollernstraße 31a, Rückgebäude, 2. Stock wohnt (heute Neubau), persönlich kennenlernen. Die Begegnung im Ratskeller am Marienplatz hat am 15. November 1925 stattgefunden:
Und nun wollte ich gerne auch den Mann sehen, der die Artistenbriefe im ‚Simplizissimus‘ schreibt, den Joachim Ringelnatz, und er war so freundlich, für einen Abend zu kommen, und wir tranken im Ratskeller allerlei guten Wein und waren vergnügt. Als dies zu Ende war, ging ging ich zur Trambahn und fuhr nach Hause, hatte genug und legte mich ins Bett, Ringelnatz aber fing um diese Stunde erst an zu arbeiten, er mußte noch auf seinem Brettl auftreten, worum ich ihn nicht beneidete.[63]
Während Hesse also „nach Hause“ in die Kratzerstraße 13 (vgl. Station 12) fährt, tritt Ringelnatz am Abend des 15. November 1925 im Lokal Simpl (geleitet von Kathi Kobus) an der Türkenstraße 57 auf.[64]
Hesse hält den Kontakt mit Ringelnatz aufrecht, schickt dem ebenfalls malenden Lyriker vermutlich die mit vier Aquarellen geschmückte Sammlung Sinclairs Notizbuch (1923), wofür sich Rngelnatz Anfang Dezember 1925 bei Hesse bedankt und ergänzt, er habe Hesse bei der Begegnung „neulich (…) noch lieber“ gewonnen als er ihn aus seinen Schriften bereits gemocht habe.[65] Die Verbindung hielt an, und im November 1929 trafen sich Hesse und Ringelnatz „mehrmals“ in Zürich.[66]
[61] Hermann Hesse: Die Nürnberger Reise (1927) (wie Anm. 42), S. 171.
[62] Vgl. Joachim Ringelnatz: Reisebriefe eines Artisten. Eisenach (An den liebsten Freund), in: Simplicissimus (München), Jg. 30, Nr. 30 vom 26.10.1925, S. 435; auch in: Joachim Ringelnatz: Reisebriefe eines Artisten, Berlin 1927, S. 7f.
[63] Hermann Hesse: Die Nürnberger Reise (1927) (wie Anm. 42), S. 180. In seinem Brief an Emmy Ball-Hennings vom 15.11.1925 hatte Hesse geschrieben, er „hoffe heut Abend Ringelnatz zu treffen“, in: Hermann Hesse, Emmy Ball-Hennings, Hugo Ball: Briefwechsel 1921 bis 1927 (wie Anm. 43), S. 352.
[64] Vgl. die Anzeige des „Simpl“ in: AZ am Morgen (München) Nr. 302 vom 15.11.1925, S. 16 (Abb. 19b) sowie: Eine Wirtin und ihr Hausdichter. Kathi Kobus, die Künstlerkneipe Simplicissimus und Joachim Ringelnatz, in: Dirk Heißerer: Wo die Geister wandern (wie Anm. 8), S. 77-88.
[65] Joachim Ringelnatz: Brief an Hermann Hesse, München 05.12.1925, in: Joachim Ringelnatz: Briefe, hrsg. von Walter Pape. Berlin 1988, Nr. 342, S. 331f., hier S. 332 sowie S. 526 (Kommentar).
[66] Joachim Ringelnatz: Brief an seine Frau Muschelkalk, Zürich, 27.11.1929, in: ebd., Nr. 432, S. 383f., hier S. 384.