Keferstr. 10 (oder Franz-Joseph-Str. 18) bei Olaf Gulbransson
In Schwabing logierte Hermann Hesse hin und wieder bei seinem Simplicissimus-Kollegen, dem norwegischen Zeichner Olaf Gulbransson (1873-1958), und dessen zweiter Frau, der Dichterin Grete Gulbransson, geb. Jehly (1882-1934). Aber wo? Hesse kannte noch deren Haus am Schwabinger Bach, Keferstraße 10 (heute Neubau), also das alte „Kefernest“, das sie von 1906 bis zur Trennung 1920 bewohnten. In ihren (vorzüglich edierten) Tagebüchern hat Grete Gulbransson die für sie so anregenden Besuche Hesses im „Kefernest“ festgehalten, so Ende Januar 1908 („Hermann Hesse kommt unerwartet auch dazu. Lieber, schöner, warmer, angeregter Abend vor dem Feuer.“), Anfang Februar 1908 („Hesse kommt zum Essen. Er ist so gemütlich und einfach und er wird mit jeder Stunde wärmer und weicher.“), Ende Oktober 1908 („Hermann Hesse (kommt)! Wir jubeln beide.“), Ende September 1910 („Er schenkt mir Veilchen und wir reden lieb.“) und im Oktober 1913 („Hesse und ich sprechen über das Zarteste, Herbste.“)[7]
Hesse kannte aber auch die Wohnung im Haus Franz-Joseph-Straße 18/0, Ecke Friedrichstraße, wo Gulbransson von Oktober 1927 bis zum Umzug an den Tegernsee 1930 mit seiner dritten Frau Dagny (1901-1988) wohnte und es nicht weit in die Redaktionsräume des Simplicissimus im ersten Stock hatte.[8] Wo auch immer, eine Ahnung von diesen Begegnungen vermittelt Hesses Feuilleton „Bilderbeschauen in München“ (1929), worin er sich öffentlich bei Gulbransson dafür entschuldigt, sich diesmal nicht mit ihm getroffen zu haben:
Alter Olaf, nimm es mir nicht übel, aber ich habe mich diesmal gedrückt, ich hatte etwas Angst vor dir. Schau, du bist ein Athlet, ich aber bin ein zarter und kränklicher Mensch, und wenn ich dich angerufen und dich in ein Weinlokal gebeten hätte und dann gegen elf Uhr nach einem halben Liter wieder gegangen wäre, dann wärest du zornig geworden und hättest mich auf deinen starken Armen in ein Auto getragen und zu dir nach Hause geführt, und mir dort Whisky und dergleichen starke Dinge vorgesetzt, und andern Tages hättest du vielleicht wieder eine deiner schönen Zeichnungen gemacht, ich aber wäre im Sterben gelegen.[9]
Doch Hesse kommt immer wieder, und besucht die Freunde auch auf dem Schererhof oberhalb von Tegernsee, den sie sich 1930 gekauft haben. Seinem Sohn Bruno schreibt Hesse am 19. Februar 1934:
In der Höhe zwischen den Wäldern über Tegernsee besuchte ich eines Tages meinen alten Freund Olaf Gulbransson, er hat dort einen alten Bauernhof, es ist schön dort oben, und Olaf war sehr erfreut und hieß uns sehr willkommen, füllte uns mit Kaffee, Schnaps, Wein, wir saßen erst auf der Laube an der Sonne, später am Kaminfeuer, dann schlittelte ich den steilen Berg hinunter heim.[10]
[7] Grete Gulbransson: Tagebuch vom 31.01., 01.02., 03.02., 26.10., 27.10.1908, 23.09.1910, in: Der grüne Vogel des Äthers. Grete Gulbransson Tagebücher (wie Anm. 4), S. 189-200, 256f., 322f.; Tagebuch vom 20.10.1913, in: Meine fremde Welt. Grete Gulbransson Tagebücher, Band 2: 1913 bis 1918, hrsg. und kommentiert von Ulrike Lang. Frankfurt am Main, Basel 2001, S. 73.
[8] Vgl. Olaf Gulbransson, in: Dirk Heißerer: Wo die Geister wandern. Literarische Spaziergänge durch Schwabing. München 22016, S. 53-60, hier S. 55-58.
[9] Hermann Hesse: Bilderbeschauen in München (1929), in: Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Band 14: Betrachtungen und Berichte II: 1927-1961. Frankfurt am Main 2003, S. 141-146, hier S. 144, vgl. Olaf und Grete Gulbransson, in: Wittmann: Hesse und München (wie Anm. 3), S. 34-37.
[10] Vgl. Besuche in der Umgebung von München, in: Wittmann: Hesse und München (wie Anm. 3), S. 42.
In Schwabing logierte Hermann Hesse hin und wieder bei seinem Simplicissimus-Kollegen, dem norwegischen Zeichner Olaf Gulbransson (1873-1958), und dessen zweiter Frau, der Dichterin Grete Gulbransson, geb. Jehly (1882-1934). Aber wo? Hesse kannte noch deren Haus am Schwabinger Bach, Keferstraße 10 (heute Neubau), also das alte „Kefernest“, das sie von 1906 bis zur Trennung 1920 bewohnten. In ihren (vorzüglich edierten) Tagebüchern hat Grete Gulbransson die für sie so anregenden Besuche Hesses im „Kefernest“ festgehalten, so Ende Januar 1908 („Hermann Hesse kommt unerwartet auch dazu. Lieber, schöner, warmer, angeregter Abend vor dem Feuer.“), Anfang Februar 1908 („Hesse kommt zum Essen. Er ist so gemütlich und einfach und er wird mit jeder Stunde wärmer und weicher.“), Ende Oktober 1908 („Hermann Hesse (kommt)! Wir jubeln beide.“), Ende September 1910 („Er schenkt mir Veilchen und wir reden lieb.“) und im Oktober 1913 („Hesse und ich sprechen über das Zarteste, Herbste.“)[7]
Hesse kannte aber auch die Wohnung im Haus Franz-Joseph-Straße 18/0, Ecke Friedrichstraße, wo Gulbransson von Oktober 1927 bis zum Umzug an den Tegernsee 1930 mit seiner dritten Frau Dagny (1901-1988) wohnte und es nicht weit in die Redaktionsräume des Simplicissimus im ersten Stock hatte.[8] Wo auch immer, eine Ahnung von diesen Begegnungen vermittelt Hesses Feuilleton „Bilderbeschauen in München“ (1929), worin er sich öffentlich bei Gulbransson dafür entschuldigt, sich diesmal nicht mit ihm getroffen zu haben:
Alter Olaf, nimm es mir nicht übel, aber ich habe mich diesmal gedrückt, ich hatte etwas Angst vor dir. Schau, du bist ein Athlet, ich aber bin ein zarter und kränklicher Mensch, und wenn ich dich angerufen und dich in ein Weinlokal gebeten hätte und dann gegen elf Uhr nach einem halben Liter wieder gegangen wäre, dann wärest du zornig geworden und hättest mich auf deinen starken Armen in ein Auto getragen und zu dir nach Hause geführt, und mir dort Whisky und dergleichen starke Dinge vorgesetzt, und andern Tages hättest du vielleicht wieder eine deiner schönen Zeichnungen gemacht, ich aber wäre im Sterben gelegen.[9]
Doch Hesse kommt immer wieder, und besucht die Freunde auch auf dem Schererhof oberhalb von Tegernsee, den sie sich 1930 gekauft haben. Seinem Sohn Bruno schreibt Hesse am 19. Februar 1934:
In der Höhe zwischen den Wäldern über Tegernsee besuchte ich eines Tages meinen alten Freund Olaf Gulbransson, er hat dort einen alten Bauernhof, es ist schön dort oben, und Olaf war sehr erfreut und hieß uns sehr willkommen, füllte uns mit Kaffee, Schnaps, Wein, wir saßen erst auf der Laube an der Sonne, später am Kaminfeuer, dann schlittelte ich den steilen Berg hinunter heim.[10]
[7] Grete Gulbransson: Tagebuch vom 31.01., 01.02., 03.02., 26.10., 27.10.1908, 23.09.1910, in: Der grüne Vogel des Äthers. Grete Gulbransson Tagebücher (wie Anm. 4), S. 189-200, 256f., 322f.; Tagebuch vom 20.10.1913, in: Meine fremde Welt. Grete Gulbransson Tagebücher, Band 2: 1913 bis 1918, hrsg. und kommentiert von Ulrike Lang. Frankfurt am Main, Basel 2001, S. 73.
[8] Vgl. Olaf Gulbransson, in: Dirk Heißerer: Wo die Geister wandern. Literarische Spaziergänge durch Schwabing. München 22016, S. 53-60, hier S. 55-58.
[9] Hermann Hesse: Bilderbeschauen in München (1929), in: Hermann Hesse: Sämtliche Werke, Band 14: Betrachtungen und Berichte II: 1927-1961. Frankfurt am Main 2003, S. 141-146, hier S. 144, vgl. Olaf und Grete Gulbransson, in: Wittmann: Hesse und München (wie Anm. 3), S. 34-37.
[10] Vgl. Besuche in der Umgebung von München, in: Wittmann: Hesse und München (wie Anm. 3), S. 42.