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Fotografie 1956 (BSB/Timpe)

Georgenstraße 4: Piper Verlag

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Fotos Georgenstraße 4-8 (c) Anette Spieldiener

Der 1904 in München von Reinhard Piper gegründete Verlag befindet sich ursprünglich in der Römerstraße. 1926 wird Dr. Robert Freund Teilhaber des Verlags. Ab 1935 fordert die Reichsschrifttumskammer, den jüdischen Verlagsteilhaber im Rahmen der nationalsozialistischen Arisierungspolitik aus dem Geschäft herauszudrängen. Freund scheidet gezwungenermaßen aus und geht ins Exil. Das verlagseigene Anwesen an der Römerstraße wird verkauft, um Freund auszahlen zu können. Der Piper Verlag zieht in die von August Thiersch erbaute Villa in der Georgenstaße 4, wo das Unternehmen bis heute seinen Sitz hat.

Mitten in einer weiteren Umbruchzeit des Piper Verlags kommt Ingeborg Bachmann als Autorin hinzu: Nach dem Tod des Verlagsgründers Reinhard Piper, übernimmt sein Sohn Klaus die Geschäftsführung. Dieser stellt nicht weiter Kunstbücher in den Mittelpunkt seiner verlegerischen Tätigkeit, sondern wissenschaftliche Werke mit den Schwerpunkten Philosophie und internationale Literatur. Ingeborg Bachmanns Bücher erscheinen als Solitär im Verlagsprogramm. Der Verleger Klaus Piper selbst war auf sie zugekommen. Die Entscheidung für den Piper Verlag fällt Bachmann nicht leicht, wie aus den Briefen an Wolfgang Hildesheimer hervorgeht. In diesen wägt sie ab, ob sie bei einem Verlag sein möchte, der während des Nationalsozialismus völkisch-nationale Autoren verlegt hat wie Bruno Brehm, der als Bestseller-Autor zum Überleben des Unternehmens beigetragen hatte. Die Persönlichkeit des Verlegers Klaus Piper selbst, der ihr vom Nationalsozialismus unbelastet schien, ließ ihre Entscheidung für Piper reifen.

Als kongenial empfindet Ingeborg Bachmann ihren ersten Lektor Reinhard Baumgart. Er schildert die erste Begegnung mit ihr metaphorisch als flüchtiges kosmisches Ereignis:

„Irgendwann in ihrem 30. oder 31. Jahr muß ich sie im damaligen Piper-Verlag zum ersten Mal gesehen haben … Ich erinnere nur ein Vorüberhuschen, Vorüberlächeln und -leuchten im damals noch dämmrigen Flur des Verlags, und schon klappte zweimal die dunkle Doppeltür zum Zimmer Klaus Pipers: »So zieht ein Komet durchs Fernrohr ….«“

Mit diesen Zeilen bringt Baumgart ein Paradox auf den Punkt, das sich auch in der literarisch festgehaltenen Fremdwahrnehmung Ingeborg Bachmanns seitens des Verlegers Klaus Piper findet: Schüchternheit gepaart mit Strahlkraft und dem Eindruck von Genie oder Hochbegabung angesichts ihrer sprachlichen Ausdruckskraft. So könnte das Bild des vorüberziehenden Kometen im übertragenen Sinn auch für ein Wunderzeichen oder Omen eines literarischen Genies stehen. Ähnlich beschreibt der Verleger Klaus Piper die für ihn widersprüchliche Persönlichkeit Bachmanns. Habe sie in jungen Jahren einerseits „oft schüchtern“ gewirkt, nahm einen andererseits ihre Präsenz ein: „Wenn ich ihr gegenübersaß, fühlte ich mich manchmal wie einem verhalten glühenden elektrischen Kraftfeld ausgesetzt.“

Die Zusammenarbeit mit Reinhard Baumgart intensiviert sich im Mai 1958 bei den Arbeiten für die Drucklegung des Hörspiels Der gute Gott von Manhattan. Dafür werden nicht Verlagsräumlichkeiten genutzt, sondern Ingeborg Bachmanns Wohnung. Baumgart beschreibt in seinen Lebenserinnerungen das gemeinsame Ringen beim Redigieren:

„Genau dieses Unsägliche aber sollte so genau wie möglich in Sprache gebracht werden, und dafür brauchte die Bachmann offenbar die Situation des Dialogs, das begeisterte Gespräch zweier Stimmen, die einen Text zum letzten Mal auf seine Gültigkeit, Endgültigkeit prüfen. Ihr Text war es zwar, aber von ihr doch schon so abgerückt, abgetrennt, daß sie auf Änderungsvorschläge nicht mehr empfindlich reagierte, wie die meisten Autoren — auch ich. Im Gegenteil: gerade dieses gemeinsame Ringen um den Text schien sie zu begeistern.“

Der gute Gott von Manhattan sollte im Piper Verlag im Herbst 1958 erscheinen. Am 17. Juni 1958 — die Ursendung des Hörspiels liegt zu diesem Zeitpunkt nicht ganz drei Wochen zurück — berichtet Ingeborg Bachmann Hans Magnus Enzensberger in einem Brief, dass sich am Tag zuvor bereits eine Dame beim Verlag nach der Druckfassung des Hörspiels erkundigt habe. Mit Ironie erzählt Bachmann weiter, jene Dame habe nach der Publikation des Hörspiels gefragt „in ihrer Eigenschaft als Frau und Mutter“, „um sich vergewissern zu können, ob es wirklich so zersetzend! sei, wie sie es beim Zuhören empfand.“


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