https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbinstitutions/2017/klein/weidenbahn_Stifter.jpg#joomlaImage://local-images/lpbinstitutions/2017/klein/weidenbahn_Stifter.jpg?width=164&height=246
Adalbert Stifter. Stahlstich von Karl Mahlknecht, gemalt von Daffinger

Linz

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2024/gross/Stifter-Museumsstrae-3-1_500.jpg#joomlaImage://local-images/lpbplaces/2024/gross/Stifter-Museumsstrae-3-1_500.jpg?width=498&height=324
Stifterhaus Südseite (Eingangsbereich)

Stifter-Museumsstraße – 3. Etappe: Linz

Aus Wien kommend, wo er zum Studium hingezogen war und gute zwanzig Jahre lang gelebt hatte, erlebte Stifter einen echten Provinzschock. Linz hatte um 1850 rund 20.000 Einwohner, Wien etwa 400.000. Seiner Liebe für Kunst und Literatur ließ sich in der Hauptstadt besser frönen als in Oberösterreich. Doch Stifter brauchte Geld. Doch in Wien eine feste Anstellung zu erhalten, gelang ihm nicht. Zudem herrschte große politische Unruhe: die Revolution von 1848 erfasste ab dem 13. März auch Österreich. Der Kaiser ließ eine Verfassung ausarbeiten. Der leicht irritierbare Stifter ließ sich von diesem Aufbruch und den liberalen Ideen zunächst begeistern. Er wollte an einer neuen Ordnung mitarbeiten, ließ sich als Wahlmann für die ins Frankfurter Parlament zu entsendenden Abgeordneten einspannen.

Mitte Mai reiste er aus familiären Gründen nach Linz, in dem es ihm „gegen Wien wie Totenstille“ erschien (Brief an die Kollegin und Freundin Betty Paoli vom 11.5.48, zitiert nach Schoenborn). Möglicherweise besorgte ihn die Radikalisierung der demokratischen Kräfte in Wien, von einem „Hunnenzug des Proletariats“ schrieb er in einem Brief an seinen Verleger im September ‘48. Stifter sollte nicht wieder nach Wien zurückkehren. Der politisch revolutionäre Mann, der vermutlich eher ein reformwilliger war, gehörte nun der Vergangenheit an. Seine Einkünfte waren zu jener Zeit gering, er verschuldete sich privat und bei seinem Verleger. Erst im Sommer 1850 erfolgte die Ernennung zum Schulrat.

Die Sommer 1845 und 1846 hatte Stifter bereits im damals vor Linz gelegenen Urfahr verbracht; auf dem Gstöttnerhof, der 1847 Opfer einer Feuersbrunst wurde und dessen Neubau 1995 abgetragen wurde. Dort konnte er sich gut konzentrieren und schrieb, inspiriert von einem Gang ins Echerntal bei Hallstatt, u.a. die heute berühmte Erzählung vom „Bergkristall“. Seinem Verleger schreibt er am 18.10.1846: „In Linz, wo ich frei war, habe ich jedes Mal in drei Monaten mehr ausgerichtet, als im ganzen übrigen Jahre hindurch.“

Im Haus „No. 1313“ an der Donaulände – heute Adalbert-Stifter-Platz-1 – wohnte der Dichter und spätere Schulrat Adalbert Stifter seine gesamte Linzer Zeit hindurch von 1848 bis zu seinem Tod 1868, zunächst im ersten und ab 1849 im 2. Stock mit Blick auf die Wasser der Donau. Erst da lässt er von Wien seine und Amaliens Möbel holen. Der Anblick und das Geräusch des großen Stroms, die Betriebsamkeit an der Schiffslände, an der damals schon die Dampfschiffe an- und ablegten, das in der Nähe betriebene Café können ihm keine reine Freude gewesen sein. Doch seine Schilderungen sind meist positiv. Die Aussicht auf Fluss und Berge, die blühenden Bäume im Frühjahr, sogar die vorbeitreibenden „Eiskuchen“ im Winter gefielen dem Schriftsteller.

Stifterhaus Westseite

Wer heut mit dem Auto in die Innenstadt fährt, muss mit bedeutendem Verkehr rechnen. Die Stellplätze im Bereich des Stifterhauses sind für Kurzzeitparker reserviert und in der Regel besetzt. Hinein geht es von der Rückseite über eine alte breite Treppe. Im Auge des Stiegenhauses ist ein Aufzug eingebaut. Im Haus befinden sich neben einem Veranstaltungsraum und der Verwaltung von Stifterhaus und Oberösterreichischer Literaturgesellschaft mehrere Musemsräume. Die Ausstellung im 2. Stock, in der früheren Wohnung der Stifters, ist nicht nur dem böhmischen Dichter, sondern auch der oberösterreichischen Literatur gewidmet. Auf ein möglichst getreues Nachstellen der damaligen Wohnsituation wurde bewusst verzichtet. Biedermeiermöbel deuten etwas von der bürgerlichen Atmosphäre der vorletzten Jahrhundertmitte an. Vom erhaltenen Bett des Ehepaars sind nur Kopf- und Fußteil aufgestellt, die Zargen sind weggeblieben. Das Sterbesofa ist zu besichtigen. Außerdem finden sich Gemälde Stifters, darunter die „Mondlandschaft“ von 1850.

Die Wohnung selbst ist hell und geräumig. Im Eckzimmer befand sich der Salon, links davon Stifters Arbeitszimmer, am anderen Ende die Küche mit Schlafgelegenheit für – vermutlich – eine Köchin und ein Dienstmädchen. Pflegekind Juliane müsste ebenfalls in einem Zimmer zum Lichthof gelebt haben. Die stiftersche Ehe blieb kinderlos, das Paar nahm an Kindesstatt eine Nichte an. Stifter, der sich zeitlebens ebenso sehr als Maler wie als Dichter verstand, hatte mehrere Staffeleien in seinem Arbeitszimmer stehen. An einer Wand hing Berichten zufolge das Bild einer unbekleideten Frau; es war mit einem Seidenstoff verhüllt. Außerdem züchtete der Autor Kakteen, damals vermutlich ein exotisches Hobby. Auch als Restaurator von Möbeln betätigte er sich.

Im Museum ( © Stifterhaus / Saxinger)

Die zwanzig Jahre in der oberösterreichischen Provinz sind kaum zu den besten seines Lebens zu rechnen sein, auch wenn für Stifter der Satz „Überall ist es besser, wo wir nicht sind“ in einem gewissen Maße zu gelten scheint. In der Mitte seines Linzer Lebens ereignete sich jedoch die wohl größte Katastrophe seines Lebens. Am 21.März 1859 lief die 18-jährige Juliane (bereits zum zweiten Mal nach 1851) fort und blieb vermisst. Vier Wochen später stellte sich heraus, dass sie mit einem bei Mauthausen tot aus der Donau geborgenen Mädchen identisch war – vermutlich hatte sie sich das Leben genommen. Im Sommer darauf schrieb der Schriftsteller an seinen Verleger:

Einer natürlichen Todesart gegenüber kann man sich fügen, und sich in ein holdes Andenken vertiefen; ein selbstgewählter Tod aber hat immer etwas Schauerliches …, das desto schattenhafter gegen uns tritt, je näher und teurer uns der Unglückliche war.

Äußerlich im Übrigen unbewegt, vom Takt eines eher einförmigen Berufslebens bestimmt, verdüsterte Stifters eigene Seele sich zusehends. Krisen und Ängste, und gegen Ende eine schwere Erkrankung der Leber, folgten. Mit Ablauf des Jahres 1865 wurde er bei vollem Gehalt pensioniert. Von da an erschwerte ihm nicht mehr die Arbeit, wohl aber die Krankheit das Schreiben.

Im Linzer Wohnhaus nahm das österreichische Adalbert-Stifter-Institut 1957 seinen Sitz, 1973 kaufte das Land Oberösterreich das Haus an der unteren Donaulände. Heute befindet sich dort neben dem Literaturmuseum auch das oberösterreichische Literaturhaus sowie das oberösterreichische Archiv zur Sprach- und Literaturforschung mit wissenschaftlich betreutem Nachlässe-Archiv und großer Bibliothek. Die Leiterin des Hauses, Mag.a Dr.in Petra-Maria Dallinger, hat dankenswerterweise die Arbeit an diesem literarischen Spaziergang mit Informationen und zu Verfügung gestellten Materialien unterstützt.

Vor dem Linzer Landhaus, an der Linzer Promenade, befindet sich seit 1902 ein Denkmal des Künstlers Hans Rathausky, das den großen böhmischen Autor ehrt. Schließlich liegt Adalbert Stifter auch in Linz begraben. Freunde ließen 1871 auf dem St.-Barbara-Friedhof über seinem Grab einen schlichten Obelisken aus geschliffenem Granit errichten. Der von Joseph Rint gestaltete Stein ragt vier Meter in die Luft. Seit dem Tod seiner Witwe 1883 deckt die Stelle eine mit einem Lorbeerkranz verzierte Grabplatte.

 


Zur Station 4 von 8 Stationen


 

Verwandte Inhalte