Wittelsbacher Palais

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(c) Stadtarchiv München

Das Wittelsbacher Palais in der Brienner Straße und dessen Bewohner in der Zeit der Besuche Karl Mays in München besitzen in seiner Biografie außergewöhnliche Bedeutung. Drei Töchter des späteren (und letzten) bayerischen Königspaares Ludwig III. und Therese von Bayern, Wiltrud, Helmtrud und Gundelinde, waren begeisterte May-Anhängerinnen. Im Frühjahr 1897 wurde zu May brieflicher Kontakt aufgenommen, den dieser erwiderte und dabei viele „offene Fragen“ zu seinen Reiseerzählungen klären konnte. So erfuhren die Prinzessinnen, dass Winnetou am 2. September 1874 erschossen wurde und vieles weitere, vor allem aber, dass alles, was May geschrieben hatte, wahr und selbst erlebt sei.

Einer persönlichen Einladung zur Prinzenfamilie folgten Karl und Emma May am 26. März 1898. May berichtete darüber, nicht uneitel, dass „ich auch in München am Königlichen Hofe erscheinen (musste), hatte da wunderbare, schöne Audienzen ... sämmtliche Mitglieder des Königshauses da. Alles liest May!“

1899 erfolgte eine erneute Einladung, die May jedoch aus Zeitnot absagen musste. Der nächste Besuch fand erst am 10. Dezember 1909 statt. Von Augsburg kommend, wo er einen Vortrag hielt, kamen Karl und Klara May der Bitte Prinzessin Wiltruds nach und erschienen zu insgesamt zwei Audienzen, diesmal im kleinen Rahmen. Wiltrud, die beständig mit May in brieflichem Kontakt stand und alle Anfeindungen der Presse und Öffentlichkeit gegenüber May mitbekam und somit auch ihrer kindlichen Old-Shatterhand-Illusion beraubt sein musste, erlag im persönlichen Kontakt der Magie des Sachsen, der in alte Muster zurückfiel. Sie notierte in ihr Tagebuch: „... dass Winnetou wirklich gelebt habe und Old Shatterhand ein treuer Freund gewesen sei, der alle Länder wirklich bereist, von denen er schrieb.“

Diese Zuwendungen und Wertschätzungen waren für den seit zehn Jahren in Prozesse verwickelten und heimtückischen Angriffen ausgesetzten Autor ein wichtiger Rückhalt. So versuchte Wiltrud auch als eine der wenigen, seinen Bruch im Werk seit der Orientreise zu verstehen. Nach seinem Tod schrieb seine Witwe Klara, die bis zu ihrem Ableben 1944 mit Wiltrud in Kontakt blieb: „Seine letzten 2 glücklichen Tage erlebte er in München.“

Nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg wurde das nur teilweise zerstörte Palais in den 1950er-Jahren komplett abgetragen. Möglicherweise wollte die Stadt München die Erinnerung an die dort befindliche ehemalige Gestapo-Zentrale vergessen machen. Heute steht an der Ecke Brienner Straße und Türkenstraße ein Gebäude der Bayerischen Landesbank.

 


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Sekundärliteratur:

Scheinhammer-Schmid, Ulrich (Hg.) (2022): Prinzessin Wiltrud von Bayern, Herzogin von Urach. Der Briefwechsel mit Karl und Klara May. Bamberg.

Schnürch, Wieland (Hg.) (2022): Karl May und München. Bamberg.

Sudhoff, Dieter; Steinmetz, Hans-Dieter (2005): Karl-May-Chronik. Bd. II. Bamberg.

Sudhoff, Dieter; Steinmetz, Hans-Dieter (2005): Karl-May-Chronik. Bd. IV. Bamberg.


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