Schackstraße 1 (II): Hermann Lenz 1997
Die Verschlüsselung der „Baronesse Vellberg“ hat Methode. Neue Zeit ist der dritte von insgesamt neun autobiographischen Romanen, in denen Hermann Lenz zwischen 1966 und 1997 sein Leben in der Figur des Eugen Rapp erzählt hat. Im letzten dieser Romane, Freunde (1997), ist Eugen Rapp mehrfach bei Herrn „Urban“ – „ein Mächtiger im Medienbereich“[58], gemeint ist Hubert Burda – in der Schackstraße 1 (vgl. Station 4) zu Gast. Der Roman Freunde beginnt wieder, wie Neue Zeit, mit einer Sesselszene und einem Blick auf das Siegestor: „Urban saß im weißen Polstersessel, während vor hohen Fenstern der Klotz des Siegestors im Scheinwerferlicht hinter hohen Bäumen weiß erleuchtet war.“[59] Die Geschichte beginnt. In die „weißen Polster“[60] setzen sich der Hausherr und seine Gäste, als sie am 8. Juli 1990 das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren zwischen Deutschland und Argentinien anschauen. Später erlebt Eugen Rapp von den Polstersesseln aus „auf Urbans Fernsehschirm“[61] in der politischen Wendezeit Ende Dezember 1989 die Hinrichtung des rumänischen Diktators Ceaușescu.
An dieser Stelle kommt Lenz‘ Roman der Fabel Handkes von Ende Oktober/Anfang November 1989 zeitlich am nächsten. Doch Handke (im Roman Stephan Koval) und gar sein Verhältnis zur Esche werden nicht eigens thematisiert. Nur einmal kommen das Siegestor und die Bronzefigur im Garten (vgl. Station 3) in den Blick, aber ohne eine Verbindung zwischen der großen Bronzefigur oben auf dem Tor und der kleineren unten im Garten herzustellen oder gar die Esche gesondert zu erwähnen:
Im Garten hinterm Siegestor hängte sich Gerhard bei Eugen ein. Als weiß angestrahlter Klotz ragte das Tor hinter hohen Bäumen aus der Nacht, während Fackeln im Gras brannten und eine schwarze Dame aus Erz im langen Gewand spätrömisch aussah, doch hütete sich Eugen, Urban zu fragen, ob diese Plastik aus der Zeit Hadrians stamme, weil er befürchtete, Urban antworte: ‚Oh, viel später!‘ / Wie ein Gast aus einer anderen Sphäre stand die Skulptur aus Bronze im Licht der Fackeln da, und Eugen hatte das Gefühl, als ob die Figur noch vor kurzem gelebt hätte, irgendwo fernab. Und Gerhard sagte: ‚Eugen!‘ was bedeutungsvoll klang, worauf Eugen hinzufügte: ‚Wer hätte gedacht, daß wir einmal in solch feiner Umgebung zu Haus wären?[62]
Zur Station 7 von 10 Stationen
[58] Hermann Lenz: Freunde. Roman. Frankfurt am Mai 1997, S. 8.
[59] Ebd., S. 7.
[60] Ebd., S. 112.
[61] Ebd., S. 203.
[62] Ebd., S. 142.
Die Verschlüsselung der „Baronesse Vellberg“ hat Methode. Neue Zeit ist der dritte von insgesamt neun autobiographischen Romanen, in denen Hermann Lenz zwischen 1966 und 1997 sein Leben in der Figur des Eugen Rapp erzählt hat. Im letzten dieser Romane, Freunde (1997), ist Eugen Rapp mehrfach bei Herrn „Urban“ – „ein Mächtiger im Medienbereich“[58], gemeint ist Hubert Burda – in der Schackstraße 1 (vgl. Station 4) zu Gast. Der Roman Freunde beginnt wieder, wie Neue Zeit, mit einer Sesselszene und einem Blick auf das Siegestor: „Urban saß im weißen Polstersessel, während vor hohen Fenstern der Klotz des Siegestors im Scheinwerferlicht hinter hohen Bäumen weiß erleuchtet war.“[59] Die Geschichte beginnt. In die „weißen Polster“[60] setzen sich der Hausherr und seine Gäste, als sie am 8. Juli 1990 das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren zwischen Deutschland und Argentinien anschauen. Später erlebt Eugen Rapp von den Polstersesseln aus „auf Urbans Fernsehschirm“[61] in der politischen Wendezeit Ende Dezember 1989 die Hinrichtung des rumänischen Diktators Ceaușescu.
An dieser Stelle kommt Lenz‘ Roman der Fabel Handkes von Ende Oktober/Anfang November 1989 zeitlich am nächsten. Doch Handke (im Roman Stephan Koval) und gar sein Verhältnis zur Esche werden nicht eigens thematisiert. Nur einmal kommen das Siegestor und die Bronzefigur im Garten (vgl. Station 3) in den Blick, aber ohne eine Verbindung zwischen der großen Bronzefigur oben auf dem Tor und der kleineren unten im Garten herzustellen oder gar die Esche gesondert zu erwähnen:
Im Garten hinterm Siegestor hängte sich Gerhard bei Eugen ein. Als weiß angestrahlter Klotz ragte das Tor hinter hohen Bäumen aus der Nacht, während Fackeln im Gras brannten und eine schwarze Dame aus Erz im langen Gewand spätrömisch aussah, doch hütete sich Eugen, Urban zu fragen, ob diese Plastik aus der Zeit Hadrians stamme, weil er befürchtete, Urban antworte: ‚Oh, viel später!‘ / Wie ein Gast aus einer anderen Sphäre stand die Skulptur aus Bronze im Licht der Fackeln da, und Eugen hatte das Gefühl, als ob die Figur noch vor kurzem gelebt hätte, irgendwo fernab. Und Gerhard sagte: ‚Eugen!‘ was bedeutungsvoll klang, worauf Eugen hinzufügte: ‚Wer hätte gedacht, daß wir einmal in solch feiner Umgebung zu Haus wären?[62]
Zur Station 7 von 10 Stationen
[58] Hermann Lenz: Freunde. Roman. Frankfurt am Mai 1997, S. 8.
[59] Ebd., S. 7.
[60] Ebd., S. 112.
[61] Ebd., S. 203.
[62] Ebd., S. 142.