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Grete Weil, ca. 1926/27 (Archiv Monacensia)

München, Regina Bar

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Regina-Palast-Hotel, Sign. DE-1992-FS-PK_STB-14339 (Stadtarchiv München)

Heirat 1932 – aus Grete Dispeker wird Grete Weil

Die Jahre vergehen. Schon seit einigen Jahren ist Grete Dispeker mit dem zwei Jahre jüngeren Münchner Edgar Weil befreundet. Auch er ist jüdischer Herkunft. Die Beziehung ist enger geworden. 1931 hat er seinen Doktor gemacht und schwankt noch, ob er, seinem Vater zuliebe, in dessen Arzneimittelfabrik in Frankfurt oder, dem eigenen Wunsch nachgebend, als Dramaturg zum Theater in München gehen soll. Das Paar geht 1931 für ein halbes Jahr nach Paris an die Sorbonne. Grete Weil studiert Germanistik in München in der vagen Hoffnung, später einmal mit Edgar zusammen einen Verlag zu gründen. Danach nimmt Edgar Weil eine Stelle als Dramaturg an den Münchner Kammerspielen an. 1932 entscheiden sich beide zu heiraten. Die standesamtliche Trauung findet am Tegernsee im Rathaus von Rottach statt. Gefeiert wird in München in der an die Münchner Kammerspiele angrenzenden Regina Bar.

Im Juli 1932 heirateten wir. [...] Wir heirateten auf dem Bürgermeisteramt in Egern. Trauzeugen waren unsere beiden Brüder. Edgars Eltern waren aus Frankfurt gekommen, doch wir wollten kein Fest. Der Tag sollte sein wie jeder andere. Vom Rathaus aus gingen wir schwimmen. Unsere Köchin Johanna, die schon viele Jahre bei uns war, schlug de Hände über dem Kopf zusammen und erzählte herum: „Unsere Grete hat in einem kunstseidenen Sommerkleid geheiratet.“ Zunächst wohnten wir in der Münchner Wohnung meiner Eltern, die den Sommer über in Egern blieben.

Edgar war zweiter Dramaturg bei den Münchner Kammerspielen mit einer winzigen Gage, die zudem von dem kurz vor der Pleite stehenden Theater nur unregelmässig ausgezahlt wurde. Am Abend des Hochzeitstages fuhren wir mit der Bahn nach München und feierten still mit einem gutem Freund in der Regina-Bar. Wir hatten uns von den Eltern als Hochzeitsgeschenk ein Auto gewünscht, doch Edgars Vater fand das übertrieben und meinte, Edgar solle erst selbst genug verdienen, bevor er sich einen solchen Luxus wie ein Auto leistete. Seine und meine Eltern gaben uns Geld für den zukünftigen Wagen [...]. Als Onkel und Tante in Grainau mir zur Hochzeit ganz unerwartet ein Geldgeschenk machten, kauften wir uns sofort einen gebrauchten Dixiwagen, das war ein kleiner BMW (der Marke bin ich treu geblieben), leuchtend blau wie die Münchner Trambahnen und mit elfenbeinfarbenen Kotflügeln.

(Grete Weil: Leb ich denn, wenn andere leben. S. Fischer, Frankfurt 2001, S. 54 und 97f.)

Grete Weils Heiratsurkunde. Foto: Leonhard Geller (Gemeindearchiv Rottach-Egern)

Nach der Heirat studiert Grete Weil in München Germanistik. Promovieren will sie später in Frankfurt.

Ich studierte jetzt Germanistik in München allerdings mit der ungewöhnlichen Absicht, in Frankfurt zu promovieren. [...] Eine verheiratete Studentin war in jener Zeit etwas ganz Ungewöhnliches. Verheiratete Frauen hatten sich um ihren Haushalt zu kümmern. Doch waren alle Frankfurter Professoren mit meinem ausgefallenen Wunsch einverstanden. Meine Dissertation sollte am Beispiel von vierzig Jahrgängen des ersten deutschen Modejournals, das Freiherr Justin Bertuch zur Goethezeit seit 1786 in Weimar herausgab, die gesellschaftliche Entwicklung von der Klassik zum Bürgertum aufzeigen. (Natürlich hatte das Journal nicht bloß Mode, sondern v.a. auch Kulturelles zum Inhalt.)

Weil ich mir die vielen Bände nicht ausleihen und nach Hause mitnehmen konnte, jedoch mich schon immer schwer tat, in den großen, vollen Lesesälen der Bibliotheken konzentriert zu arbeiten, ließ ich mir die Bücher an das Theatermuseum in München kommen, wo ein guter Freund von uns Assistent war. In dem kleinen Lesezimmer war ich fast immer allein und hatte die Ruhe, mich intensiv mit meinem Stoff zu befassen. Ich habe die Dissertation nicht zu Ende geschrieben, denn inzwischen waren die Nazis an die Macht gekommen.

(Ebda., S. 98)

 


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Verfasst von: Dr. Ingvild Richardsen

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