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Grete Weil, ca. 1926/27 (Archiv Monacensia)

München, St.-Anna-Grundschule

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St.-Anna-Schule (Stadtarchiv München)

Schulbesuch im Lehel von 1916-1922

Bis zum Jahr 1912 existierte in München nur eine einzige öffentliche höhere Mädchenschule: das 1822 als „Schule für höhere Töchter“ gegründete Städtische Luisengymnasium in der Luisenstraße 7. Während es für Buben elf öffentliche höhere Schulen gab, sind die höheren Mädchenschulen fast ausschließlich Privatschulen. 1907 richtete der Münchner Verein für Fraueninteressen e.V., das Flaggschiff der bürgerlichen Frauenbewegung in Bayern, eine Petition an den Magistrat der Stadt München zur Schaffung einer zweiten höheren Töchterschule in München. Im September 1909 wurde die neue Schule genehmigt und im Schuljahr 1912/13 am St. Anna Platz eröffnet. Im Schuljahr 1923/24 erlangte sie den Status eines Lyzeums. Seit 1916 besucht auch Grete Dispeker die St.-Anna-Schule. In ihrem Nachlass in der Monacensia im Hildebrandhaus ist ihr „Schulbogen“ überliefert. In diesem sind nicht nur ihr Noten vermerkt; hier finden sich auch Bemerkungen zur körperlichen und geistigen Entwicklung der Schülerin sowie ihr jeweiliges Gewicht und ihre Körpergröße im betreffenden Jahr.

Mein Schulweg von 1916 an: Vater, der um diese Zeit seiner Kanzlei in der Kaufingerstraße zustrebte, begleitete mich meistens, erst an der Isar entlang, dann am Nationalmuseum vorbei, dann links zur Liebigstraße und der Anna Schule. Vor einigen Jahren wurde ich nach einer Lesung mit einer Zuhörerin gefragt, ob ich auch in einer Schule lesen würde. Und als ich freudig bejahte (in Schulen zu lesen und von der Nazizeit zu erzählen, schien mir immer besonders wichtig zu sein), stellte sich heraus, dass es sich um meine frühere Schule handelte, die zu jener Zeit noch kein Gymnasium, sondern nur eine „höhere Töchterschule“ war.

Die Zwölfjährigen mussten sich damals entscheiden, ob sie noch drei Jahre auf der alten Schule bleiben wollten oder für sechs Jahre aufs Gymnasium wechseln wollten. Natürlich entschied ich mich für die drei Jahre, und da die Eltern fast immer das, was ich wollte, tolerierten, stimmten sie dem zu, was eigentlich einer Diskriminierung gleichkam, bei einem Sohn wäre es ausgeschlossen gewesen. Ich glaube nicht, dass bei meinem Bruder auch nur einen Augenblick überlegt wurde, bevor er selbstverständlich auf ein humanistisches Gymnasium kam.

Ich habe es später gebüßt, als zwei oder drei Jahre nach meiner Schulzeit der Wunsch in mir entstand, zu studieren und ich mit viel harter Arbeit das Abitur als Externe machte und prompt durchfiel (im Zeichnen und deutschen Aufsatz, allen Kindern mit schlechten Noten sei dies zum Trost gesagt, denn geschrieben hatte ich immer schon gut). [...]

Als es seinerzeit zur Lesung in der Annaschule kam, hatten die heutigen Lehrer die Freundlichkeit mir meinen einstigen Schulbogen von 1916 herauszusuchen, auf dem bei der Staatsangehörigkeit: „Bayern“ und dem Stand der Eltern: „Königlich Bayerischer Justizrat“ steht. Auf ihm sind sämtliche Noten meiner Schulzeit darauf verzeichnet. Sie waren ganz ordentlich, in der letzten Klasse hatte ich in Deutsch schon eine Eins, und nur im Französischen haperte es. Vermutlich lag es daran, dass ich keine Diktate schreiben konnte, weil ich schon damals so schlecht hörte, dass ich den diktierenden Lehrer nicht verstand. Heute würde man das bei einem so gut behüteten Kind, wie ich es war, wissen. Damals nahm man es hin, weil es eben so war.

(Grete Weil: Leb ich denn, wenn andere leben. S. Fischer, Frankfurt 2001, S. 52-54)

Schulbogen von Grete Weil (Foto: privat)

1922 verlässt Grete Dispeker die St.-Anna-Schule. Lange ist sie desillusioniert darüber, dass sie keine Möglichkeit sieht mit ihrer Ausbildung Geld zu verdienen. Sie erlebt Absagen über Absagen.

Als ich mit der Schule fertig war, schmerzte es mich, dass ich keine Möglichkeit sah, etwas zu verdienen. Dieser Zustand dauerte ziemlich lange an, wurde zum Trauma. Ich bewarb mich bei Verlagen, bei Theatern, Zeitungsredaktionen und bekam meistens zu hören (wirtschaftlich ging es dem Land noch immer schlecht): „Warum wollen Sie für Geld arbeiten? Ihrem Vater geht es doch gut?“ Eine deprimierende Antwort für einen jungen Menschen, der auf eigenen Füßen stehen will. Eine mir bekannte Frau, die eine leitende Stelle in einem Berliner Theaterverlag hatte, schrieb unter ihre Absage den mich heftig kränkenden Satz: „Schwimmen ist auch ganz schön“. Was hat diese Frau sich gedacht? Oder hat sie, umso schlimmer, gar nicht gedacht?

(Ebda., S. 83)

St.-Anna-Schule als Kriegskaserne 1918, Sign. DE-1992-FS-PK-ERG-09-0049 (Stadtarchiv München)

 


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Verfasst von: Dr. Ingvild Richardsen

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