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Gästebuch Weinmann: Hackländerhaus, Zeichnung Himbsel (c) Stadtarchiv München

Assenbucher Str. 45: Wilhelm Rolf Heger (1901-?)

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Konzertplakat zu Wilhelm Rolf Heger, ca. 1941

Im Januar 1934 wurde Wilhelm (Willy) Rolf Heger als letzter privater Besitzer von Haus Buchenried und dem Leoni-Anwesen als Alleineigentümer ins Grundbuch eingetragen. Er kaufte das Anwesen von den Wolffs und verkaufte es 1953 an die Stadt München. Dem im Gemeindearchiv Berg überlieferten Meldebogen von Heger zufolge, in welchem er als Hoteldirektor bezeichnet wird, zog er von Brüx am 31. August 1933 nach Leoni. Mit ihm zogen seine Ehefrau, seine beiden Töchter und weitere Verwandtschaft aus Brüx.

Heger wurde 1901 im nordböhmischen Brüx (heute Most) geboren und leitete ab 1931 das dortige Stadttheater. Nach dem Anschlussdes Sudetenlandes an das Dritte Reich war er, wie überlieferte Zeitungsausschnitte belegen, in Wien, Berlin, München, Zagreb und Brüssel ein gefeierter Dirigent. So dirigierte er am 29. November 1940 und am 28. März 1941 in Wien anlässlich des 100. Geburtstages von Tschaikowski zwei Konzerte mit dem Stadtorchester Wiener Symphoniker. 2015 wurde in München ein Teilnachlass des Dirigenten Wilhelm Rolf Heger versteigert. Er enthielt ca. 10 Porträt- und Bühnenfotos, 10 Programme von Sinfoniekonzerten, 2 Plakate und zahlreiche Zeitungsausschnitte, einen „Aufruf an die deutsche Bevölkerung in Brüx und Umgebung“ zur Erhaltung des Stadttheaters, dessen Fortbestehen zur Zeit der Wirtschaftskrise gefährdet war, und ein Etui mit 4 Taktstöcken von Heger.

Dem ungarischen Historiker László Szabó zufolge, der in den 1980er-Jahren mit Forschungen zu Haus Buchenried beschäftigt war und damals noch lebende Zeitzeugen interviewte, soll seine Ehefrau, Emmi Kalla-Heger, die aus einer reichen, aus Tannenberg stammenden Fischkonserven-Fabrikantenfamilie stammte, den Kauf des Anwesens in Leoni finanziert haben. Die neuen Besitzer hätten vornehmlich in Berlin gewohnt und das Haus meist nur in den Sommermonaten genutzt. Laut Zeitzeugen sollen hier rauschende Feste stattgefunden haben, bei denen es sich NSDAP-Leute gut gehen ließen.

Als sich Hegers Ehefrau Anfang der 1940er-Jahre von Heger scheiden ließ, sollen es die permanente Geldnot des Eigentümers Heger und auch die Unterbringung vieler junger Frauen im Seehotel Leoni gewesen sein, die Lebensborn-Gerüchte beförderten. 1940 soll Heger Haus Buchenried und das Hackländer Haus an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) vermietet haben, die hier Räumlichkeiten für die im Hotel Leoni stattfindende zweijährige Kindergärtnerinnenausbildung benötigte. Während man die 200 Auszubildenden im Hotel Leoni unterbrachte, sollen die 20 Lehrkräfte und das Wirtschaftspersonal in Haus Buchenried und im Hackländer Haus gewohnt haben. 1944 wären im Anbau dann noch evakuierte Frauen mit Kindern aus vom Krieg schwer betroffenen Gebieten beherbergt worden. Als im April 1945 amerikanische und französische Truppen sich dem Münchner Raum immer weiter näherten, habe die nationalsozialistische Propaganda anstehende Gräueltaten der Alliierten vorausgesagt und das  NSV-Kindergärtnerinnen-Heim in Leoni aufgelöst. Als wenig später am Obersalzberg Kinder nach einem Bombenangriff evakuiert wurden, seien ca. 100 mit 7 Kindergärtnerinnen nach Leoni gekommen, wo sie zuerst im Hotel wohnten. Nachdem dieses von amerikanischen Soldaten gebraucht wurde, seien diese nach Haus Buchenried umgezogen, wo sie mehrere Monate gelebt und, dichtgedrängt auf Matratzen und in Stockbetten, im Bereich des jetzigen 1. Stocks geschlafen hätten.

Heger selbst, der nach Kriegsende aus Berlin zurückgekommen sei, habe damals in der oberen Etage gewohnt und, nachdem es die NSV nicht mehr gab, sein Haus wieder für sich haben wollen, was man ihm aber nicht zubilligte, da man die Kinder und Erzieherinnen nicht einfach hinauswerfen konnte. Erst ab Juli 1945, als die Nachrichtenübermittlung wieder funktionierte, konnten die Eltern ihre Kinder aus Leoni abholen. Im November 1945 hätten dann die Amerikaner das Hackländer Haus beschlagnahmt, um hier amerikanische Offiziere unterzubringen. Als das NSV-Kinderheim schließlich komplett aufgelöst war und die Amerikaner einige Monate später das Land wieder verließen, seien dann Flüchtlinge und Vertriebene im Hackländer Haus untergebracht gewesen.

Im Sommer 1950 eröffnete Heger, belastet mit Schulden und unter Druck von Gläubigern, in Haus Buchenried ein Café-Restaurant als Familienbetrieb. Der anstehende Zwangsverkauf war allerdings nicht mehr aufzuhalten. Am 1. Januar 1953 ging das Anwesen in den Besitz der Stadt München über.

 

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Verfasst von: Dr. Ingvild Richardsen