Seeshaupt IV (1922 und „Joseph“)
Bereits im Jahr darauf sind die Manns wieder in Seeshaupt und haben, dem Gästebucheintrag vom 25. Mai 1922 zufolge, genaue Pläne: „Zu Gaste beim Herrn Nachbarn in spe. Vielen Dank! Auf häufiges Wiedersehen. Thomas Mann. Katia Mann“.[54] Geplant war, wie schon erwähnt, ein „Schlößchen“ am Ostufer, ein „finanzielles Abenteuer“ aber auch so „etwas wie eine Lebensfrage“.[55] Die Inflation machte diesen Haustraum am Starnberger See jedoch endgültig zunichte. Ein eigenes Sommerhaus hat sich Thomas Mann erst viel später dank des Nobelpreises im litauischen Nidden (heute Nida) in der ‚Preußischen Sahara’ auf der Kurischen Nehrung an der Ostsee bauen lassen können; dort konnte er mit seiner Familie die Sommer der Jahre 1930 bis 1932 bei der Arbeit an den ersten beiden Bänden seiner Romantetralogie Joseph und seine Brüder verbringen.
Die Anregung zu dieser Joseph-Thematik hat Thomas Mann ganz konkret Hermann Ebers zu verdanken. Darauf spielt ein zunächst etwas rätselhafter Eintrag Thomas Manns ins Gästebuch der Seeshaupter Ebers-Villa vom 23. Juli 1925 an: „Ja, das sind Wirte wundermild! (sage ich nach dem Mittagessen). Allzu lange waren wir nicht bei ihnen eingekehrt. Schade, daß aus der ‚spes‘ von einst im Mai leider nichts geworden ist. Statt dessen sind andere Verbindungen, musische Verschmelzungen im Begriffe sich vorzubereiten. Davon das nächste Mal mehr.“[56]
Was damit gemeint ist, hat Hermann Ebers ausführlich in seinen Erinnerungen an bedeutende Dichter und Schriftsteller ausgeführt.[57] Danach hatte er Anfang Mai 1922 in der renommierten Münchner Galerie Caspari im Eichthal-Palais an der Brienner Straße 52 neben Bildern auch Zeichnungen und Graphik ausgestellt. Bei einem Besuch interessierte sich Thomas Mann besonders für eine Serie von 16 Lithographien zur Joseph-Legende der Bibel, die Ebers im Winter 1921 ohne Auftrag angefertigt hatte: „Thomas Mann sah sich Blatt für Blatt genau an, einige Male hintereinander und sagte endlich: ‚Da müßte man etwas dazu schreiben.‘“[58] Doch die Hoffnung des Künstlers, von Thomas Mann einen Text zu bekommen, wird schon bald gedämpft. Auf die erste Nachfrage wiegelt Thomas Mann bereits ab: „‚Lieber Herr Ebers, an ein knappes Begleitwort kann ich nicht mehr denken, die Sache wächst sich zu etwas ganz Großem aus.‘“ Und ein Jahr später, der Zauberberg ist noch nicht beendet, hört Ebers als Antwort auf die Frage, wie weit der Dichter mit der versprochenen Arbeit sei: „‚Sie ist immer noch in den Anfängen. Jetzt, nach einem Jahr, bin ich gerade so weit, daß ich ungefähr weiß, auf welche Weise die Personen miteinander reden.‘“[59]
Tatsächlich haben sich die „Josephsgeschichten“ als das, nach dem Zauberberg, zweite „Menschheitsbuch“[60] Thomas Manns, bald von ihrer Anregung entfernt. Begonnen wurde der zuletzt vierteilige Roman Joseph und seine Brüder 1926 in München und erst Anfang 1943 im kalifornischen Exil beendet. Den Anreger der Joseph-Thematik hat Thomas Mann in einem Zeitungsbeitrag 1935 allerdings nicht mehr namentlich erwähnt und ihn, auf die Nachfrage einer amerikanischen Germanistin, sogar als „Null“ bezeichnet. Doch in einem Brief an Hermann Ebers hat er 1949 dessen „Bild-Mappe“ als „frühesten Anlass“ zur Entstehung des „Joseph-Werk(s)“ bezeichnet und Hermann Ebers in einer handschriftlichen Widmung des Felix Krull im Januar 1955 noch einmal ausdrücklich als „Anreger der Josephsromane“ bezeichnet.[61]
Von den Joseph-Lithographien Hermann Ebers' sind zwei Serien mit insgesamt 17 nachweisbaren „Joseph“-Lithographien erhalten geblieben; die eine befindet sich im Bestand des Thomas-Mann-Archivs in Zürich, die andere im Besitz des Thomas-Mann-Forums München; veröffentlicht sind sie in Band 5 der Thomas-Mann-Schriftenreihe.[62]
Zur Station 12 von 12 Stationen
[54] Ebd.
[55] Thomas Mann, Brief an Ernst Bertram, München, 2. Juni 1922 (wie Anm. 1).
[56] Zit. n. Heißerer: Wellen (wie Anm. 12), S. 185.
[57] Vgl. Hermann Ebers, „Ich bin leider kein Eckermann“. Begegnungen mit bedeutenden Dichtern und Schriftstellern. In: Alexander Krause (Hg.): „Musische Verschmelzungen“. Thomas Mann und Hermann Ebers. Erinnerungen, Illustrationen, Briefe. München 2006 (Thomas-Mann-Schriftenreihe, Bd. 5), S. 23-93.
[58] Ebd., S. 48.
[59] Ebd.
[60] Vgl. Thomas Mann, Meine Zeit (1950). In: ders.: Reden und Aufsätze 3 (wie Anm. 52), S. 302-324, hier S. 315.
[61] Vgl. Dirk Heißerer, „Musische Verschmelzungen“ (I). Die Lithographien zur Joseph-Legend der Bibel (1922). In: Alexander Krause (Hg.): „Musische Verschmelzungen“ (wie Anm. 57), S. 95-106, hier S. 102f. H 104.
Bereits im Jahr darauf sind die Manns wieder in Seeshaupt und haben, dem Gästebucheintrag vom 25. Mai 1922 zufolge, genaue Pläne: „Zu Gaste beim Herrn Nachbarn in spe. Vielen Dank! Auf häufiges Wiedersehen. Thomas Mann. Katia Mann“.[54] Geplant war, wie schon erwähnt, ein „Schlößchen“ am Ostufer, ein „finanzielles Abenteuer“ aber auch so „etwas wie eine Lebensfrage“.[55] Die Inflation machte diesen Haustraum am Starnberger See jedoch endgültig zunichte. Ein eigenes Sommerhaus hat sich Thomas Mann erst viel später dank des Nobelpreises im litauischen Nidden (heute Nida) in der ‚Preußischen Sahara’ auf der Kurischen Nehrung an der Ostsee bauen lassen können; dort konnte er mit seiner Familie die Sommer der Jahre 1930 bis 1932 bei der Arbeit an den ersten beiden Bänden seiner Romantetralogie Joseph und seine Brüder verbringen.
Die Anregung zu dieser Joseph-Thematik hat Thomas Mann ganz konkret Hermann Ebers zu verdanken. Darauf spielt ein zunächst etwas rätselhafter Eintrag Thomas Manns ins Gästebuch der Seeshaupter Ebers-Villa vom 23. Juli 1925 an: „Ja, das sind Wirte wundermild! (sage ich nach dem Mittagessen). Allzu lange waren wir nicht bei ihnen eingekehrt. Schade, daß aus der ‚spes‘ von einst im Mai leider nichts geworden ist. Statt dessen sind andere Verbindungen, musische Verschmelzungen im Begriffe sich vorzubereiten. Davon das nächste Mal mehr.“[56]
Was damit gemeint ist, hat Hermann Ebers ausführlich in seinen Erinnerungen an bedeutende Dichter und Schriftsteller ausgeführt.[57] Danach hatte er Anfang Mai 1922 in der renommierten Münchner Galerie Caspari im Eichthal-Palais an der Brienner Straße 52 neben Bildern auch Zeichnungen und Graphik ausgestellt. Bei einem Besuch interessierte sich Thomas Mann besonders für eine Serie von 16 Lithographien zur Joseph-Legende der Bibel, die Ebers im Winter 1921 ohne Auftrag angefertigt hatte: „Thomas Mann sah sich Blatt für Blatt genau an, einige Male hintereinander und sagte endlich: ‚Da müßte man etwas dazu schreiben.‘“[58] Doch die Hoffnung des Künstlers, von Thomas Mann einen Text zu bekommen, wird schon bald gedämpft. Auf die erste Nachfrage wiegelt Thomas Mann bereits ab: „‚Lieber Herr Ebers, an ein knappes Begleitwort kann ich nicht mehr denken, die Sache wächst sich zu etwas ganz Großem aus.‘“ Und ein Jahr später, der Zauberberg ist noch nicht beendet, hört Ebers als Antwort auf die Frage, wie weit der Dichter mit der versprochenen Arbeit sei: „‚Sie ist immer noch in den Anfängen. Jetzt, nach einem Jahr, bin ich gerade so weit, daß ich ungefähr weiß, auf welche Weise die Personen miteinander reden.‘“[59]
Tatsächlich haben sich die „Josephsgeschichten“ als das, nach dem Zauberberg, zweite „Menschheitsbuch“[60] Thomas Manns, bald von ihrer Anregung entfernt. Begonnen wurde der zuletzt vierteilige Roman Joseph und seine Brüder 1926 in München und erst Anfang 1943 im kalifornischen Exil beendet. Den Anreger der Joseph-Thematik hat Thomas Mann in einem Zeitungsbeitrag 1935 allerdings nicht mehr namentlich erwähnt und ihn, auf die Nachfrage einer amerikanischen Germanistin, sogar als „Null“ bezeichnet. Doch in einem Brief an Hermann Ebers hat er 1949 dessen „Bild-Mappe“ als „frühesten Anlass“ zur Entstehung des „Joseph-Werk(s)“ bezeichnet und Hermann Ebers in einer handschriftlichen Widmung des Felix Krull im Januar 1955 noch einmal ausdrücklich als „Anreger der Josephsromane“ bezeichnet.[61]
Von den Joseph-Lithographien Hermann Ebers' sind zwei Serien mit insgesamt 17 nachweisbaren „Joseph“-Lithographien erhalten geblieben; die eine befindet sich im Bestand des Thomas-Mann-Archivs in Zürich, die andere im Besitz des Thomas-Mann-Forums München; veröffentlicht sind sie in Band 5 der Thomas-Mann-Schriftenreihe.[62]
Zur Station 12 von 12 Stationen
[54] Ebd.
[55] Thomas Mann, Brief an Ernst Bertram, München, 2. Juni 1922 (wie Anm. 1).
[56] Zit. n. Heißerer: Wellen (wie Anm. 12), S. 185.
[57] Vgl. Hermann Ebers, „Ich bin leider kein Eckermann“. Begegnungen mit bedeutenden Dichtern und Schriftstellern. In: Alexander Krause (Hg.): „Musische Verschmelzungen“. Thomas Mann und Hermann Ebers. Erinnerungen, Illustrationen, Briefe. München 2006 (Thomas-Mann-Schriftenreihe, Bd. 5), S. 23-93.
[58] Ebd., S. 48.
[59] Ebd.
[60] Vgl. Thomas Mann, Meine Zeit (1950). In: ders.: Reden und Aufsätze 3 (wie Anm. 52), S. 302-324, hier S. 315.
[61] Vgl. Dirk Heißerer, „Musische Verschmelzungen“ (I). Die Lithographien zur Joseph-Legend der Bibel (1922). In: Alexander Krause (Hg.): „Musische Verschmelzungen“ (wie Anm. 57), S. 95-106, hier S. 102f. H 104.