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Emil Ganghofer (Archiv Monacensia)

Ganghoferstraße 1: Haus von Emil Ganghofer

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Foto: Peter Czoik (TELITO)

Emil Ganghofer kaufte das königliche ärarische Forsthaus am Egerer Spitz und baute es zu seinem Wohnsitz um. (vgl. Halmbacher, Bd. 3, S. 228) Das Haus in der Ganghoferstraße 1 befindet sich rechts neben dem für seinen Theatersaal berühmten Gasthof zur Überfahrt, dem heutigen Seehotel Überfahrt. Emil Ganghofer kaufte sein Haus am 29. Juni 1892. Am 22. Dezember 1913 wird es an seinen älteren Bruder Ludwig überschrieben und am 29. November 1917 wieder an ihn zurück. (vgl. Hypothekenbuch Rottach, Blatt-Nr. 499)

Villa Ganghofer in Egern. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)

Literarisches Zeugnis: Grete Weil: Leb ich denn, wenn andere leben (1998)

In dem Haus erblickt die jüdische Schriftstellerin, Übersetzerin und Fotografin Grete Weil (1906-1999) am 18. Juli 1906 das Licht der Welt. Aber auch andere Personen leben dort als Mitglieder des Hausstands. Grete Weil berichtet in ihrer Autobiographie Leb ich denn, wenn andere leben:

Ich bin in Egern, an dem von beiden Eltern geliebten Tegernsee, geboren, nicht in unserem eigenen Haus, das gab es damals noch nicht, Vater schenkte den Baugrund Mutter zu meiner Geburt. Hausgeburten waren zu jener Zeit eine Selbstverständlichkeit, sonst wäre es nicht zu begreifen, warum meine Eltern sich für das damals so abgelegene Egern entschieden hatten, wo sie bei Emil Ganghofer, einem Bruder Ludwig Ganghofers, zur Miete wohnten. Im Haus wohnten Emil Ganghofer, der früher zur See gefahren war, und einen nervösen Gesichtstick hatte – jetzt war er Fotograf, setzte seine Kunden vor eine mit Bergen bemalte Leinwand und knipste unter einem schwarzen Tuch –, Emils Frau Bim und sein Sohn Rudi. Da war auch noch Bims Schwester, Grete von Schönthan, eine sehr liebe, kluge ältere Dame, die gemeinsam mit Mann und Schwager den Raub der Sabinerinnen geschrieben hatte. Sie hat es mit ihrem Humor und ihrer Natürlichkeit meinen Eltern so angetan, dass sie ihr Neugeborenes, das zum ersten – und einzigen Mal – das getan hatte, was man von ihm erwartete, nämlich ein Mädchen zu sein, nach ihr Grete nannten.

(Weil, S. 39f.)

Bei Emil Ganghofer am Egerer Spitz, um 1918. V.l.n.r.: Dr. Scharnagl (Münchener Oberbürgermeister), Rudi Ganghofer, Ludwig und Peter Thoma. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)

Emil Ganghofers besagte Schwägerin Grete von Schönthan war die Frau des österreichischen Schriftstellers Paul von Schönthan (1853-1905), der zusammen mit seinem Bruder Franz mit der Komödie Der Raub der Sabinerinnen (1884) seinen größten, bis heute wirkenden Erfolg gefeiert hatte. Später heiratete sie den deutschen Schriftsteller Hans Olden (1859-1932). Der u.a. mit Ludwig Thoma, Ludwig Ganghofer und Oskar Panizza bekannte Schriftsteller Max Halbe (1865-1944) klärt über diesen Zusammenhang genauer auf: „Nicht zu vergessen das typische Intellektuellenehepaar Hans und Grete Olden, die nachmalige und vorherige Grete von Schönthan und als solche Mitverfasserin des unverwüstlichen Schwanks Der Raub der Sabinerinnen.“ (Halbe, S. 162) Ihre Enkelin Doris von Schönthan (1905-1961) war bei den Eltern Grete Weils eine Art Pflegetochter und als Model, Journalistin und Fotografin schillernde Figur der Weimarer Republik.

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Peter Czoik