Nördliche Hauptstraße 17-19: Ehem. Gasthof zur Post
1916 kaufte Hans Baur (1871-1935) den Gasthof von Georg Plendl. Vor dieser Zeit bewirtschaftete er den Gasthof Maximilian in Gmund. 1933 wurde der Gasthof zur Post aufgestockt. Nach dem Tod ihrer Eltern übernahm Tochter Anna (1903-1976) den Gasthof. Das inzwischen zum Hotel umgebaute Anwesen wurde von ihrem Sohn, Hans Königer jun., geführt. (vgl. Halmbacher, Bd. 1, S. 266)
In der Nördlichen Hauptstraße 17-19 befinden sich heute zwei Gebäude: das Haus zur Alten Post und das Restaurant „Postillion“.
An diesem Ort soll der jüngere Bruder des Dichters Ludwig Ganghofer, Emil Ganghofer, das akrobatische Kunststück vollführt haben, mit dem Motorrad die ganze enge Treppe des Hauses hinaufgefahren zu sein.
Doch wer war Emil Ganghofer?
Emil Ganghofer, Fotografie. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)
Emil Friedrich Wilhelm Ganghofer (1861-1920) wurde als zweiter Sohn des Forst- und Regierungsrats August von Ganghofer und seiner Frau Charlotte, geb. Louis, am 24. August 1861 in Welden bei Augsburg geboren. Am 1. Juni 1875 schrieb er sich in die Kgl. Kreis-Gewerbeschule in München ein, dann ging er zur See, wurde Schiffsoffizier und heiratete am 28. September 1897 in Rottach-Egern die drei Jahre jüngere Fanny Geri(c)ke. In Rottach am Egerer Spitz ließ er sich auch nieder, wohnte aber zwischenzeitlich in München. Neben seinem Fahrradgeschäft betrieb Emil ein Fotoatelier samt Verlag und war bekannt für seine Späße und sein Temperament (so ist z.B. eine Maschkera-Gaudi überliefert, die er 1906 in Egern selbst arrangierte). Beim Gasthof zur Überfahrt zeigte er 1905 die erste Kinovorstellung am See mit einem Lokomobile als Stromversorger. Er „war das ‚enfant terrible‘ der Familie, ein liebenswerter Luftikus, dem nichts Rechtes im Leben gelingen wollte. [...] Schließlich wurde er 1911 noch Direktor der ‚Freilufteisbahn‘ im Münchner Ausstellungspark, aber auch dies glückte nur, weil sein Freund Ludwig Thoma die Bürgschaft übernahm.“ (Lemp, S. 112) Emil Ganghofer starb am 7. März 1920, wenige Monate vor dem Tod seines Bruders.
(vgl. Czoik, S. 2ff.)
Literarisches Zeugnis I: Ludwig Ganghofer: Lebenslauf eines Optimisten (1909)
In seinen autobiographischen Erinnerungen berichtet Ludwig Ganghofer über den „neuen kleinen Kerl“ im Kreis der Familie:
Meine Schwester war nach Ottobeuren in die Mädchenschule gekommen und brachte im Kloster Wald mit ihren Streichen die frommen Frauen zur Verzweiflung. Ihren Platz in der Kinderstube zu Welden hatte mein kleiner Bruder Emil eingenommen, ein lungenkräftiger Schreihals. Meine Mutter erzählte mir in späteren Jahren, daß ich bei der ersten Nachricht von der Ankunft eines Bruders gefragt hätte: „Kann er schon kraxeln?“ Ich führe das an, weil es zeigt, wie viel ich damals von den Quellen des Lebens wußte. An der Erscheinung der Mutter war mir keine Veränderung aufgefallen. Ich sah nur plötzlich: der neue kleine Kerl ist da, und die Mutter ist vor Freude krank geworden und dazu ein bißchen mager.
(Ganghofer, S. 158f.)
Vom „Kraxeln“ des Bruders ist es nicht allzu weit zu dessen akrobatischen Kunststücken.
Gasthof zur Post, alte Postkarte.
Literarisches Zeugnis II: George W. F. Hallgarten: Als die Schatten fielen (1969)
Der spätere US-amerikanische Historiker George W. F. Hallgarten (1901-1975), der im Haus seiner Eltern in der Münchner Steinsdorfstraße 10 aufwuchs, wo auch Ludwig Ganghofer seit 1894 bis zu seinem Tod 1920 seinen Hauptwohnsitz hatte, berichtet in seinen „Erinnerungen vom Jahrhundertbeginn zur Jahrtausendwende“ über Emil Ganghofer:
Emil Ganghofer, dessen ich mich aus etwas späterer Zeit als eines untersetzten blonden Mannes mit Spitzbart erinnere, der wie eine etwas verbilligte Auflage seines berühmten Bruders Ludwig Ganghofer wirkte, war für akrobatische Kunststücke bekannt; so soll er zum Beispiel mit dem Motorrad die ganze enge Treppe seines Hauses hinaufgefahren sein. Ob sich die zu schildernde Szene, wie es mir noch heute scheint, tatsächlich hier, oder in dem geräumigeren, nicht weit entfernten Gasthaus zur Post abspielte, will ich nicht beschwören: bei Kindern entstehen feste Bilder, an denen sie ungern rütteln, auch wenn sie gar nicht wahr sein können.
(Hallgarten, S. 10)
Zur Station 3 von 10 Stationen
1916 kaufte Hans Baur (1871-1935) den Gasthof von Georg Plendl. Vor dieser Zeit bewirtschaftete er den Gasthof Maximilian in Gmund. 1933 wurde der Gasthof zur Post aufgestockt. Nach dem Tod ihrer Eltern übernahm Tochter Anna (1903-1976) den Gasthof. Das inzwischen zum Hotel umgebaute Anwesen wurde von ihrem Sohn, Hans Königer jun., geführt. (vgl. Halmbacher, Bd. 1, S. 266)
In der Nördlichen Hauptstraße 17-19 befinden sich heute zwei Gebäude: das Haus zur Alten Post und das Restaurant „Postillion“.
An diesem Ort soll der jüngere Bruder des Dichters Ludwig Ganghofer, Emil Ganghofer, das akrobatische Kunststück vollführt haben, mit dem Motorrad die ganze enge Treppe des Hauses hinaufgefahren zu sein.
Doch wer war Emil Ganghofer?
Emil Ganghofer, Fotografie. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)
Emil Friedrich Wilhelm Ganghofer (1861-1920) wurde als zweiter Sohn des Forst- und Regierungsrats August von Ganghofer und seiner Frau Charlotte, geb. Louis, am 24. August 1861 in Welden bei Augsburg geboren. Am 1. Juni 1875 schrieb er sich in die Kgl. Kreis-Gewerbeschule in München ein, dann ging er zur See, wurde Schiffsoffizier und heiratete am 28. September 1897 in Rottach-Egern die drei Jahre jüngere Fanny Geri(c)ke. In Rottach am Egerer Spitz ließ er sich auch nieder, wohnte aber zwischenzeitlich in München. Neben seinem Fahrradgeschäft betrieb Emil ein Fotoatelier samt Verlag und war bekannt für seine Späße und sein Temperament (so ist z.B. eine Maschkera-Gaudi überliefert, die er 1906 in Egern selbst arrangierte). Beim Gasthof zur Überfahrt zeigte er 1905 die erste Kinovorstellung am See mit einem Lokomobile als Stromversorger. Er „war das ‚enfant terrible‘ der Familie, ein liebenswerter Luftikus, dem nichts Rechtes im Leben gelingen wollte. [...] Schließlich wurde er 1911 noch Direktor der ‚Freilufteisbahn‘ im Münchner Ausstellungspark, aber auch dies glückte nur, weil sein Freund Ludwig Thoma die Bürgschaft übernahm.“ (Lemp, S. 112) Emil Ganghofer starb am 7. März 1920, wenige Monate vor dem Tod seines Bruders.
(vgl. Czoik, S. 2ff.)
Literarisches Zeugnis I: Ludwig Ganghofer: Lebenslauf eines Optimisten (1909)
In seinen autobiographischen Erinnerungen berichtet Ludwig Ganghofer über den „neuen kleinen Kerl“ im Kreis der Familie:
Meine Schwester war nach Ottobeuren in die Mädchenschule gekommen und brachte im Kloster Wald mit ihren Streichen die frommen Frauen zur Verzweiflung. Ihren Platz in der Kinderstube zu Welden hatte mein kleiner Bruder Emil eingenommen, ein lungenkräftiger Schreihals. Meine Mutter erzählte mir in späteren Jahren, daß ich bei der ersten Nachricht von der Ankunft eines Bruders gefragt hätte: „Kann er schon kraxeln?“ Ich führe das an, weil es zeigt, wie viel ich damals von den Quellen des Lebens wußte. An der Erscheinung der Mutter war mir keine Veränderung aufgefallen. Ich sah nur plötzlich: der neue kleine Kerl ist da, und die Mutter ist vor Freude krank geworden und dazu ein bißchen mager.
(Ganghofer, S. 158f.)
Vom „Kraxeln“ des Bruders ist es nicht allzu weit zu dessen akrobatischen Kunststücken.
Gasthof zur Post, alte Postkarte.
Literarisches Zeugnis II: George W. F. Hallgarten: Als die Schatten fielen (1969)
Der spätere US-amerikanische Historiker George W. F. Hallgarten (1901-1975), der im Haus seiner Eltern in der Münchner Steinsdorfstraße 10 aufwuchs, wo auch Ludwig Ganghofer seit 1894 bis zu seinem Tod 1920 seinen Hauptwohnsitz hatte, berichtet in seinen „Erinnerungen vom Jahrhundertbeginn zur Jahrtausendwende“ über Emil Ganghofer:
Emil Ganghofer, dessen ich mich aus etwas späterer Zeit als eines untersetzten blonden Mannes mit Spitzbart erinnere, der wie eine etwas verbilligte Auflage seines berühmten Bruders Ludwig Ganghofer wirkte, war für akrobatische Kunststücke bekannt; so soll er zum Beispiel mit dem Motorrad die ganze enge Treppe seines Hauses hinaufgefahren sein. Ob sich die zu schildernde Szene, wie es mir noch heute scheint, tatsächlich hier, oder in dem geräumigeren, nicht weit entfernten Gasthaus zur Post abspielte, will ich nicht beschwören: bei Kindern entstehen feste Bilder, an denen sie ungern rütteln, auch wenn sie gar nicht wahr sein können.
(Hallgarten, S. 10)
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